Kaputte Schulen in Steglitz-Zehlendorf: Der schöne Traum von einer Sporthalle
Seit sieben Jahren warten die Schüler der Grundschule am Karpfenteich auf eine eigene Sporthalle. Geplant wird seit langem, und immer wieder wird der Bau verschoben, weil es zu viele Pannen gab. 2017 soll jetzt Baubeginn sein. Oder zerplatzt der Traum am Ende an den Kosten?
Seit sieben Jahren haben Schüler, Eltern und gewiss auch einige Lehrer der Grundschule am Karpfenteich einen Traum: Sportunterricht in einer schuleigenen Turnhalle. Selbstverständlich? Anscheinend nicht. Seit langem wird ein Neubau geplant, verschoben, geplant, wieder verschoben. Die Vorsitzende der Gesamtelternvertretung (GEV) der Schule, Claudia Specht, ist frustriert. „Das erweckt den Eindruck, als ob unter der Regie des Bezirksamtes noch nie eine Sporthalle gebaut wurde“, sagt sie und wirft den Verantwortlichen vor, in dieser Sache sinnlos Geld und Zeit zu verschwenden. Sie fragt sich, ob die Verzögerungen gewollt sind, um mit dem Geld andere Löcher zu stopfen? Die Schule brauche eine praktische Standardhalle, kein Designerstück, kein Versuchsmodell und kein futuristisches Irgendetwas. Schulamt und Schulleitung äußerten sich auf Anfrage des Tagesspiegels zu dem Thema nicht.
Sport im Park
Anstatt den Sportunterricht in einer eigenen Turnhalle zu verbringen, treiben die Kinder zum Teil auf dem Schulhof oder im nahe gelegenen Park Sport – allerdings nur, wenn das Wetter schön ist. Im Winter weichen die Grundschüler in die benachbarte Tennishalle oder in die Carl-Schuhmann-Sporthalle an der Osdorfer Straße aus; ein Fußweg von etwa 30 Minuten. Regelmäßig fällt eine von drei lehrplanmäßigen Sportstunden pro Woche aus. Das ist die aktuelle Situation, berichtet Claudia Specht.
2009 wurde ihr Sohn hier an der Hildburghauser Straße in Lichterfelde eingeschult. Seitdem engagiert sie sich als Elternvertreterin. „Ich war überzeugt, dass er zumindest in seinem letzten Schuljahr hier noch von einer neuen Halle profitieren kann“, sagt sie. Ihr gesamtes Engagement habe nichts gebracht, nur ein großes Unverständnis seitens des Amtes, wie Eltern so penetrant nerven könnten.
Am Ende hätten die Kinder wieder das Nachsehen. Sport sollte eigentlich zu deren Alltag gehören, schon allein, um einen Ausgleich zu den immer längeren Sitzphasen im Unterricht, vor dem Computer oder Fernseher zu schaffen. „Sport macht auch später unseren Kids nur Spaß, wenn sie mit den Mädchen und Jungen anderer Schulen mithalten können“, fügt Specht hinzu.
Die alte Halle hatte Wasserschäden
Doch ein Blick zurück: Die alte Turnhalle der Grundschule am Karpfenteich steht noch. Sie wurde wegen massiver Wasserschäden im Januar 2008 gesperrt. Zunächst war eine Sanierung geplant, erzählt Bezirksstadtrat Michael Karnetzki (SPD). Als Leiter des Bereiches Hochbauservice ist er für die Sanierung und den Neubau von Turnhallen im Bezirk zuständig. Gutachter hätten aber festgestellt, dass die Dachkonstruktion statische Mängel zeigte und auch die komplette Halle nicht mehr standsicher war. Im Jahr 2010 beschloss zunächst das Bezirksamt und später die BVV von Steglitz-Zehlendorf einen Neubau der Turnhalle und den Abriss der alten Halle. Laut BVV-Beschluss sollte 2012 Baubeginn sein. Kosten: Etwa viereinhalb Millionen Euro.
„Dieser Beschluss verkannte jedoch, dass die zu Grunde liegenden Rechtsgrundlagen für solche Vorhaben ein klar definiertes Regelverfahren vorsehen, das deutlich längere Zeiträume benötigt“, erklärt der Bezirksstadtrat. Aufgrund der gesamtstädtischen Bedeutung des Bauprojektes habe die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung dann 2010 ein Architekten-Wettbewerbsverfahren begonnen. „Das wurde jedoch 2011 aufgehoben, weil sich seitens der Schule und des Schulamtes der Bedarf geändert hatte“, sagt er weiter. Ein zweites Wettbewerbsverfahren folgte. Das Ergebnis wurde im Februar 2013 bekannt gegeben.
Der Sieger habe sich jedoch nicht in der Lage gesehen, die Wettbewerbsinhalte in dem Kostenrahmen und einem realistischen Zeitraum zu erfüllen. Daher sei er im Juni 2014 von seinem Auftrag zurückgetreten. Jetzt verhandelt das Bezirksamt mit den Zweit- und Drittplatzierten. Der Rücktritt des Erstplatzierten verursacht eine Verzögerung von fast zwei Jahren, heißt es aus dem Bezirksamt. Derzeit wird von einem Baubeginn nicht vor 2017 ausgegangen.
„Es ist unfair, die aktuelle Situation den Architekten in die Schuhe zu schieben“, sagt Claudia Specht, die mehrfach mit dem Architekten telefoniert habe. Kein Freiberufler und kein mittelständisches Unternehmen könne sich ein solches Hinhalten und Vertrösten lange leisten. Das Argument der unterschiedlichen Honorarvorstellungen sei vorgeschoben. Im Bauamt fehle kompetentes und williges Personal für ein solches Bauvorhaben. Im Frühjahr 2014 bei einer ersten „Baubesprechung“ sei unter anderem mitgeteilt worden, erinnert sich Specht, dass aufgrund des Weggangs einer Kollegin das Projekt nicht weiter bearbeitet werden könne, also auf unbestimmte Zeit auf Eis gelegt werde.
Ferner empfindet die Elternvertreterin eine europaweite Ausschreibung des Architektenwettbewerbes für einen solchen Turnhallenneubau überdimensioniert. Im Ergebnis seien etwa 80 Sporthallen-Modelle vorgestellt worden; in Modelleisenbahngröße. Jeder Architekt habe dafür ein entsprechendes Angebot erarbeitet. „Letztendlich alles für umsonst und wertlos, eine Geld- und Zeitvernichtung“, ärgert sich die engagierte Mutter.
Michael Karnetzki hingegen geht nicht davon aus, dass in dem laufenden Verfahren seit der Sperrung der Turnhalle Fehler gemacht worden sind. Vielmehr veränderten sich über größere Zeiträume der Bedarf wie beispielsweise ein Ganztagsschul- oder Hortbetrieb, die nachträglich in den Planungen berücksichtigt werden müssten. Eine solche Investitionsmaßnahme dauere nach dem Regelverfahren sechs bis sieben Jahre, wenn es optimal laufe. Das liege vor allem an der Vielzahl der rechtlichen Vorgaben an eine öffentliche Baudienststelle. „Ich kann aber nachvollziehen, dass sich dieser Zeitablauf sehr lang darstellt, vor allem, weil eine Schülergeneration an einer Grundschule lediglich sechs Jahre verbringt“, sagt der Bezirksstadtrat.
Die Autorin Anett Kirchner ist freie Journalistin, wohnt in Steglitz-Zehlendorf, und schreibt seit Januar 2014 als lokale Reporterin regelmäßig für den Zehlendorf Blog des Tagesspiegels.