Neue Bildungssenatorin: Scheeres: "Ich bringe auch Sachkenntnis mit"
Berlins neue SPD-Bildungssenatorin Sandra Scheeres über die großen Erwartungen an sie, ihren fachfremden Staatssekretär für Schule und die umstrittene Abspaltung des Forschungsbereichs.
Frau Scheeres, Sie wollen das vermutlich schwerste Amt ausfüllen, das ein deutsches Kabinett zu bieten hat. Warum trauen Sie sich das zu?
Natürlich ist das eine große Herausforderung. Aber ich traue mir das zu, weil ich beruflich aus dem Feld komme. Ich war Erzieherin, habe Erziehungswissenschaften studiert und in der Jugendhilfe gearbeitet. Als Politikerin war ich Sprecherin für Jugend und Familie, saß im Bildungsausschuss und im entsprechenden SPD-Arbeitskreis. Ich war also an all diesen Themen beteiligt. Mein Leitbild ist die jugend-, kinder- und familienfreundliche Stadt, und in dieser Verwaltung laufen dafür alle Fäden zusammen. Natürlich fordert mich das neue Amt in all den Bereichen heraus, in denen ich nicht so tief drinstecke. Aber das ist bei allen Senatorinnen und Senatoren so. Es ist einfach meine Aufgabe, mich da intensiv einzuarbeiten. Aber ich habe ja auch mein Team mit den drei Staatssekretären.
Aber selbst ein alter Hase wie Herr Zöllner hat hier 16 Stunden am Tag gearbeitet, obwohl er in vielen Abläufen schon vorher zu Hause war. Macht Ihnen das gar keine Angst?
Herr Zöllner hat auch irgendwann mal angefangen. Er kam aus der Wissenschaft, und ich komme aus dem Bereich der Jugendhilfe.
Also haben Sie keine Angst.
Ich habe Respekt. Ich komme jetzt nicht hierher und sage juhu, ich habe in jedem Bereich die Weisheit mit Löffeln gegessen. Ich werde mich einarbeiten, ich werde mich beraten lassen, aber ich bringe auch Sachkenntnis und Ideen mit. Außerdem habe ich viel Zuspruch bekommen – auch von Schulen und von vielen Eltern. Und nicht zuletzt kommt hinzu, dass ich auch eigene persönliche Erfahrungen einbringe, weil ich ein Kita- und ein Schulkind zu Hause habe.
Die kleinen Kinder mögen dazu führen, dass Sie an manchen Themen näher dran sind. Andererseits brauchen kleine Kinder auch viel Aufmerksamkeit, und Ihre Senatorenaufgabe ist sehr umfangreich, teilweise auch noch sehr neu. Hat es Sie da nicht überrascht, dass Klaus Wowereit ihnen den Posten angeboten hat?
Nein. Das hat mich nicht überrascht, denn er weiß, aus welchem Bereich ich komme und welche Themen ich bearbeitet habe – Stichwort Kinderschutz und Kita. Und zu den kleinen Kindern: Ich habe einen Partner, der versteht, dass es für mich wichtig ist, Politik zu machen. Das hat immer schon zu mir gehört, das ist nichts Neues. Ich war schon als Jugendliche politisch aktiv. Klaus Wowereit weiß, dass es mir ein ganz großes Anliegen ist, Veränderungen herbeizuführen – auch gerade für sozial benachteiligte Menschen. Das gehört zu meinem Leben.
Sie haben aber bisher noch keine Verwaltung geleitet.
Genau wie die anderen Senatoren.
Ja, doch dies ist eine große Verwaltung.
Ich habe Staatssekretäre, die ihre Bereiche leiten und dort ihre Aufgaben haben.
Wäre es nicht klüger gewesen, einen Staatssekretär für den Schulbereich zu nehmen, der sich mit den Schulen auskennt?
Mark Rackles hat die Koalitionsverhandlungen zu diesem Bereich geführt, und ich habe miterlebt, wie schnell er sich in diese Themen eingearbeitet hat. Außerdem ist er über die langjährige politische Arbeit mit den Themen vertraut, denn Schule und Bildung sind Schwerpunkte der SPD. Und er hat auch den persönlichen Zugang durch seine drei Kinder.
Es gibt dennoch bei den Betroffenen das ungute Gefühl, dass bei der Berufung von Mark Rackles die Zufriedenstellung der SPD-Linken entscheidend war.
Das spielte bei mir überhaupt keine Rolle. Ich habe mir ganz genau überlegt, mit wem ich zusammenarbeiten möchte.
Was sehen Sie als wichtigste Aufgaben in der Schule an?
Ich werde die Umsetzung der Strukturreform begleiten und dabei vor allem den Ganztagsbereich im Auge behalten. Dann ist die Inklusion für mich wichtig, also die Einbeziehung und Dazugehörigkeit von Menschen mit Behinderungen. Das betrifft ganz viele – Eltern, Kinder, Lehrer in den Kitas und Schulen. Das werden wir mit allen Beteiligten besprechen.
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Was wollen Sie den angestellten Lehrern anbieten, um sie in Berlin zu halten? Wann wollen Sie darüber mit den Gewerkschaften sprechen?
Die Gehälter für die Berufseinsteiger haben wir ja schon angehoben. Außerdem ist Berlin eine attraktive Stadt, und Familien haben hier eine sehr gute Infrastruktur. Natürlich müssen wir uns trotzdem in den nächsten Monaten Gedanken machen über Anreize, um Lehrer zu halten. Das werden wir beraten.
Was werfen Sie in die Waagschale, um in Wissenschaftskreisen Vertrauen zu gewinnen?
Es ist richtig, dass ich bisher in anderen Politikbereichen Verantwortung übernommen habe. Aber ich stehe den Leuten offen gegenüber und werde mich schnell einarbeiten. Als ich am Montag die Aufsichtsratssitzung der Charité geleitet habe, hatte ich den Eindruck, dass die Wissenschaftler auch mir ihre Offenheit signalisiert haben. Außerdem hat mein Vorgänger schon viele gute Sachen auf den Weg gebracht. Daran knüpfe ich an.
Die Aufteilung von Wissenschaft und Forschung auf zwei Senatsverwaltungen ist bundesweit einzigartig und wird von allen Seiten heftig kritisiert. Können wenigstens Sie darin einen Vorteil erkennen?
Frau von Obernitz und ich wollen und werden eng zusammenarbeiten.
Werden das Wissenschaftskolleg und die Akademie der Wissenschaften doch noch in Ihrer Verwaltung bleiben?
Ich werde mich noch in dieser Woche mit Frau von Obernitz treffen, um unsere Schnittstellen zu identifizieren.
Schadet der Ressortzuschnitt den Unis nicht im Elitewettbewerb? Dabei geht es ja gerade um neue Verbindungen zwischen den Hochschulen und den außeruniversitären Instituten. Berlin tut das Gegenteil.
Ich gehe nicht davon aus, dass sich der Zuschnitt negativ auswirkt, wenn wir gut damit umgehen. Wir haben die Berliner Universitäten sehr gut auf den Wettbewerb vorbereitet.
Auch Bundesforschungsministerin Schavan findet den Ressortzuschnitt absurd. Ist zu befürchten, dass dem Bund aus Ärger über die Berliner Verhältnisse die Lust vergeht, sich für die Charité zu engagieren?
Frau Schavan sieht doch, was sich hier für eine gute Chance auftut, sonst hätte sie ihren Vorschlag ja nicht gemacht. Und auch der Berliner CDU ist daran gelegen.
Welche Herausforderungen sehen Sie in der Wissenschaftspolitik?
Wir werden die Zahl der Studienanfängerplätze wie geplant weiter ausbauen. Außerdem steht die nächste Runde der Exzellenzinitiative an, die wir erfolgreich für Berlin meistern wollen. Und natürlich ist die Kooperation der Charité mit dem Max-Delbrück-Centrum ein großes Projekt. Da werde ich mich engagieren.
Die Fragen stellten Anja Kühne und Susanne Vieth-Entus
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Zur Person
HERKUNFT
Sandra Scheeres, 41, stammt aus Düsseldorf, wurde dort ausgebildet zur Erzieherin und Diplompädagogin.
POLITIK
Sie ist seit 1993 SPD-Mitglied, war 1999/2000 im Rat der Stadt Düsseldorf und ist seit 2006 Abgeordnete in Berlin durch ein Pankower Direktmandat. 2011 wiedergewählt.
BERUF
Von 2000 bis 2003 war sie Projektmanagerin beim Bundesmodellprogramm „Entwicklung und Chancen junger Menschen in sozialen Brennpunkten“, anschließend arbeitete sie als Wissenschaftliche Referentin bei der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe.
FAMILIE
Sie ist verheiratet, hat zwei Söhne. Der ältere Junge ist sieben, der jüngere ein Jahr alt. Ihr Wohnsitz: „Pankow – nicht Prenzlauer Berg“
Anja Kühne, Susanne Vieth-Entus