Die Schere im Lehrerzimmer: Alternativen zur Verbeamtung von Lehrern
Der rot-schwarze Senat will keine Verbeamtung, doch muss er angestellte Pädagogen besser stellen, um sie im Land zu halten. Wo noch nachgebessert werden könnte.
Der rot-schwarze Senat will bei Berlins Linie bleiben, Lehrer nicht zu verbeamten. Schon haben die ersten angestellten Junglehrer ihre Drohung wiederholt, in andere Bundesländer abzuwandern. Noch ist unklar, wie viele von ihnen die Stadt wirklich verlassen. Die neue Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) wird sich etwas einfallen lassen müssen, um sie zu halten. Doch gibt es Alternativen zur Verbeamtung? Welche Vorteile der Beamtenstatus hat und wie sich die Nachteile bei angestellten Lehrern ausgleichen ließen, stellen wir im Folgenden dar.
BEZAHLUNG
Am meisten ärgern sich angestellte Lehrer über ihren im Vergleich zu verbeamteten Kollegen geringeren Nettoverdienst. Hier hatte der rot-rote Senat bereits nachgebessert, indem er Junglehrern auf einen Schlag eine Zulage von 1200 Euro im Monat bezahlte. Allerdings hat er sich nur eine kurze Verschnaufpause verschafft: Mit den Jahren klafft erneut eine Gehaltslücke, weil verbeamtete Lehrer mit steigender Dienstzeit automatisch mehr verdienen. Bei den Angestellten hingegen kommt nichts mehr dazu, weil die 1200-Euro-Zulage alle fünf möglichen Gehaltserhöhungen vorweggenommen hat.
Lösung: Der Senat muss einen Tarifvertrag für die Bezahlung der angestellten Lehrer abschließen, den es noch immer nicht gibt. Darin müsste geregelt werden, wie sie dauerhaft besser gestellt werden könnten. Das bedeutet, dass auch die genannten 1200 Euro verankert werden müssten: Da sie bislang nur als Zulage gezahlt werden, könnte der Senat sie jederzeit einkassieren. Zudem müsste tariflich festgelegt werden, wie die angestellten Lehrer in höhere Verdienstgruppen aufsteigen könnten. Denkbar wäre auch, dass man ehrgeizige Lehrer dadurch in der Stadt hält, dass man Beförderungspositionen – etwa in der Schulleitung - generell mit einer Verbeamtung verknüpft.
ARBEITSZEIT
Die Angestellten fühlen sich in den Lehrerzimmern als vollständige Verlierer, weil sie für weniger Geld genauso viel arbeiten müssen wie die Beamten.
Lösung: Die GEW schlägt vor, Angestellten zwei Unterrichtsstunden zu erlassen und noch zwei weitere, wenn sie an Brennpunktschulen unterrichten. Wer freiwillig mehr arbeiten möchte, könnte entsprechend mehr Geld bekommen. Allerdings wäre diese Lösung kostspielig, weil hunderte zusätzliche Stellen nötig wären, von denen jede mit 62 000 Euro veranschlagt wird: Ein zweistelliger Millionenbetrag käme heraus.
LOHNFORTZAHLUNG
Beamte bekommen im Krankheitsfall weiter ihr volles Gehalt, während Angestellte schon nach sechs Wochen Einbußen hinnehmen müssen. In den Augen der Junglehrer, die an schwere Krankheit noch nicht denken, dürfte dieser Punkt nicht so ins Gewicht fallen, allerdings wird er immer wieder genannt, wenn es um die Besserstellung von Beamten geht.
Lösung: Die Bildungsverwaltung hat diese Ungerechtigkeit schon in den Blick genommen: Sie kann den Beamten die volle Lohnfortzahlung zwar nicht nehmen, aber sie kann einiges dafür tun, um die krassesten Auswüchse zu verhindern. Deshalb hat sie mit der Senatsverwaltung für Gesundheit vereinbart, dass die Amtsärzte sich verstärkt um die dauerkranken Lehrer kümmern sollen. Nicht möglich erscheint es allerdings, auf der anderen Seite etwas zu verändern, indem man den angestellten Lehrern länger das volle Gehalt zahlt: In diesem Fall wäre mit einer Klagewelle anderer Angestelltengruppen zu rechnen, die Gleichbehandlung fordern würden.
ARBEITSPLATZSICHERHEIT
Beamte können sich darauf verlassen, dass sie ihr Arbeitsleben lang keine Entlassung fürchten müssen. Angestellte hingegen müssen auf betriebsbedingte Kündigungen gefasst sein.
Lösung: Um diesen Punkt muss sich der Senat wahrscheinlich die geringsten Sorgen machen: Kein Lehrer muss Berlin verlassen, weil er von Arbeitslosigkeit bedroht ist. Zwar gibt es immer noch einzelne Lehrer ohne Job, die allerdings haben nur Fächer im Angebot, die auch im Rest der Republik nicht besonders gefragt sind. Die große Mehrheit der Lehrer, die kurz-, mittel- und langfristig Berlin den Rücken kehren könnten, unterrichtet Fächer, für die es auf lange Sicht bundesweit großen Bedarf gibt. Kaum ein Lehrer muss ernsthaft um seinen Job bangen. Im Gegenteil: Sie sind so gefragt, dass sie sogar mit eher mittelmäßigen Examensnoten genommen werden.
ALTERSSICHERUNG
Beamten steht ein besseres Ruhegehalt in Aussicht als Angestellten. Während bei den Angestellten am Schluss entscheidend ist, was sie im Laufe des gesamten Arbeitslebens in die Rente eingezahlt haben – und sich bei ihnen somit negativ auswirkt, wenn sie viele Jahre wenig verdient haben – zählt bei den Beamten nur das, was sie zum Schluss verdient haben: Sie erhalten 71,75 Prozent ihres letzten Beamtensolds.
Lösung: Der Senat muss genau aufschlüsseln, mit welcher Rente ein angestellter Lehrer zu rechnen hat. Schließlich erhält er eine Zusatzrente, wie alle im öffentlichen Dienst Beschäftigten. Vielen Junglehrern, die jetzt „Fluchtgedanken“ haben, ist dies aber nicht klar. Die GEW hat angekündigt, als Verhandlungsgrundlage mit dem Senat Modellrechnungen zu erstellen, anhand derer klar wird, wie viel schlechter angestellte Lehrer dastehen.
SONSTIGES
Wer genauer hinsieht, findet noch mehr Punkte, an denen es Beamten besser geht als Angestellten. So bekommen sie Zuschläge, wenn sie verheiratet sind oder Kinder haben, können sich für ihren Nachwuchs auch länger beurlauben lassen und vieles mehr. Andererseits dürfen sie nicht streiken und können leichter versetzt werden. Das im Einzelnen alles aufzurechnen, gilt als nahezu unmöglich.