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Vor neuen Aufgaben. Sandra Scheeres war in der vergangenen Legislaturperiode im Abgeordnetenhaus jugendpolitische Sprecherin ihrer Fraktion.
© DAVIDS

Neue Bildungssenatorin: Wer ist Sandra Scheeres?

Bisher hat sich Sandra Scheeres vor allem um Jugend- und Familienpolitik gekümmert. Der Berliner Bildungsbereich ist für sie weitgehend Neuland. Schwierige Aufgaben warten.

Für diesen Anlass hatte Sandra Scheeres das passende Outfit an. Als sie am Dienstagnachmittag in den Fraktionssaal ging, wo der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit sie vor Fraktion und Landesvorstand als neue Bildungssenatorin vorstellte, war sie passend zu den Koalitionsfarben Rot-Schwarz gekleidet. Später wurde sie von einem Journalisten gefragt, ob Wowereit sie denn auch wirklich gefragt hätte, ob sie das Amt annehmen wolle. Da schmunzelte sie und sagte schlagfertig: „Ja, er hat gefragt. Sonst hätte ich auch nicht ja sagen können.“

Die gebürtige Düsseldorferin zog 2006 mit Direktmandat in Pankow ins Abgeordnetenhaus ein. Sie war in der vergangenen Legislaturperiode jugend- und familienpolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Sie setzte sich für den Kinderschutz ein, initiierte die Initiative, Kinderrechte künftig in der Berliner Landesverfassung festzuschreiben. Diese Verfassungsänderung nannte sie als „Zeichen für eine kinderfreundliche Gesellschaft, in der Kinder als Subjekte wahrgenommen werden.“ Und im Januar dieses Jahres verabschiedete die Berliner SPD auf ihrer Klausurtagung eine Resolution, wonach Familienfreundlichkeit ein Markenzeichen, ein wichtiger Standortfaktor für Berlin werden solle, wie Scheeres damals sagte.

Frühkindliche Bildung sieht sie als Schwerpunkt der Politik an. Sie will den weiteren Ausbau der Kitas und bei Bedarf auch neue Kitas bauen, wenn der Bedarf es erfordert. Sie befürwortet auch eine bezirksübergreifende Datenbank freier Kitaplätze, um den Eltern die Suche zu erleichtern.

Vieles dreht sich bei der zweifachen Mutter auch um die eigene Familie. Pepe, der siebenjährige Sohn, spielt Fußball beim Verein Borussia Pankow. Deshalb wird der Sohn von der gesamten Familie, allesamt übrigens überzeugte Hertha- Fans, oft zu Spielen begleitet. Sandra Scheeres kann sich aber schon mal eine Auszeit nehmen: Nach der letzten Sitzung des Abgeordnetenhauses vor der Sommerpause zogen spätabends einige Abgeordnete zum After Work Club ins „Felix“ am Brandenburger Tor. Scheeres war eine der Mitorganisatorinnen des Abends. Sie genoss diesen ersten Abend, an dem sie ausging und tanzte, seit sie vor zwei Jahren ihr zweites Kind zur Welt brachte.

Künftig wird sie wohl häufiger abends unterwegs sein müssen – um zu arbeiten: Von ihren Vorgängern im Amt, Klaus Böger und Jürgen Zöllner, ist bekannt, dass sie nahezu rund um die Uhr im Dienst waren. Die Führung des Bildungsressorts gilt in Berlin als das undankbarste Amt, das landesweit überhaupt vergeben werden kann: viel Arbeit, wenig Ehre. Vor allem der Schulbereich ist ein hartes Pflaster, denn hier wollen rund 800 000 Eltern und 30 000 Lehrer mitreden – die Schüler melden sich seltener zu Wort.

Lesen Sie auf Seite 2, welches zusätzliche Problem auf die neue Senatorin zukommt.

Die Aufgabe ist schwieriger geworden, seit Berlin Lehrer nicht mehr verbeamtet: Deshalb ist als zusätzliches Problem die drohende Abwanderung junger Pädagogen hinzugekommen. Für sie müssen nun andere Anreize als die Verbeamtung gefunden werden. Das muss mühselig mit den Gewerkschaften und dem Finanzsenator ausgehandelt werden. Es geht um viel Geld, aber auch um neue Arbeitszeitmodelle. Zudem muss der heikle Übergang an die Oberschulen neu diskutiert werden. Die CDU möchte, dass der Wohnort wieder eine größere Rolle spielt. Gleichzeitig möchte die SPD, dass die soziale Mischung besser wird. Dazu müssten die Aufnahmekriterien verändert werden. Zur Diskussion steht zusätzlich, ob es dabei bleibt, dass 30 Prozent der Schulplätze verlost werden.

Auch die Grundschulen erwarten viel von der neuen Senatorin. Im Koalitionsvertrag wurden ihnen zugesagt, dass die Beförderungsstellen bekommen sollen – durch Umschichtungen. Das kann lange dauern. Zudem schwelt die Forderung nach einer Altersermäßigung für alle Lehrer. Auch dieses kostspielige Problem erwartet Scheeres.

Zu allem Überfluss muss sie sich auch in einer extrem großen Behörde zurechtfinden, die als schwer zu führen gilt. „Wenn sie nicht aufpasst, werden die Hackfleisch aus ihr machen“, sagte ein Abgeordneter, der sich in der Behörde gut auskennt. Er erinnerte daran, dass sich die Jugendpolitikerin im Parlament nur selten hervorgetan habe. „Offenbar hat Klaus Wowereit keinen anderen gefunden“, mutmaßte ein Schulleiter, der nun um den Stellenwert von Bildung im neuen Kabinett fürchtet.

Es gab aber auch aufmunternde Stimmen. „Ich finde die Lösung gut“, sagte Monika Buttgereit vom SPD-Landesvorstand. „Klaus Wowereit habe „eine gute Wahl getroffen“, meinte Mark Rackles, der auf SPD-Seite die Koalitionsverhandlungen im Bildungsbereich geführt hatte. Scheeres sei „fachkompetent, authentisch und auch eine selbstbewusste Stimme für die Anliegen des Ostteils der Stadt, glaubt Rackles, der – wie Scheeres – zur Parteilinken gehört. Andere fügten hinzu: „Die Entscheidung war mutig, aber gut“. Vom rechten Flügel hörte man Kritischeres. Für Scheeres Eignung spreche lediglich, „dass sie „hartnäckig sein kann“, so die Einschätzung.

Ralf Treptow vom Verband der Oberstudiendirektoren wünschte der Sozialdemokratin „im Interesse der Berliner Bildung und der Gymnasien viel Energie und Durchsetzungskraft“. Auch von den Grünen gab es gute Wünsche „für diese große Herausforderung“. Jetzt komme es darauf an, dass der Regierende Bürgermeister seine neue Senatorin bei den Haushaltsverhandlungen unterstütze.

Sandra Scheeres selbst sagte dem Tagesspiegel, sie wolle erst ihre Vereidigung am Donnerstag abwarten, bevor sie sich zu ihrer neuen Aufgabe äußert.

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