Kurs der CDU: Regierung statt Opposition
Die CDU will heute ihren Kurs für die Koalitionsverhandlungen mit der SPD festlegen. Über Posten wird noch nicht entschieden, es sind aber mehrere Kandidaten im Gespräch.
Es traf sie unvorbereitet. Als am Mittwochnachmittag Parteichef Frank Henkel und die CDU-Spitze erfuhren, dass man nun wohl doch zusammen mit der SPD die künftige Landesregierung stellen wird, da waren sie ehrlich überrascht, wie man von allen Seiten hört. Nach dem ersten Sondierungsgespräch mit der SPD vor zwei Wochen und der folgenden Ankündigung Wowereits, lieber mit den Grünen koalieren zu wollen, hatten sich Henkel & Co. auf fünf Jahre Opposition eingestellt – obwohl das Sondierungsgespräch freundlich verlaufen war und man keine unüberbrückbaren Hürden sah, wie es übereinstimmend hieß.
Nun muss sich die CDU neu sortieren – und hinter den Kulissen wird seit Mittwochnachmittag daran gearbeitet, sich auf die kommenden Gespräche mit der SPD über eine rot-schwarze Koalition vorzubereiten. Dazu gehören auch erste Überlegungen, wer für die CDU im künftigen Senat sitzen könnte. Am heutigen Freitagvormittag trifft sich das CDU-Präsidium, um die neue Lage zu beraten und den Kurs festzulegen. Ihm gehören neben Parteichef Henkel Generalsekretär Bernd Krömer, die vier stellvertretenden Parteichefs, der Schatzmeister, der Landesgeschäftsführer sowie der parlamentarische Geschäftsführer im Abgeordnetenhaus an.
Vier Senatorenposten, davon wird derzeit ausgegangen, dürfte die Union für sich beanspruchen, ebenso viele blieben dann der SPD, die allerdings zusätzlich den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit stellt. Der könnte, so die Planung der Koalitionäre in spe, nach erfolgreichen Verhandlungen Ende November, spätestens Anfang Dezember vom Abgeordnetenhaus wiedergewählt werden und dann die neuen Senatoren ernennen. Auch wenn Zuschnitt und Verteilung der Ressorts traditionell erst am Ende der Koalitionsgespräche ausgehandelt werden, kursieren bereits einige Namen – vor allem die der fünf Politiker, die die CDU beim Sondierungsgespräch mit der SPD vor zwei Wochen vertraten.
FRANK HENKEL
Naheliegend ist, dass der Partei- und Fraktionschef der CDU auch weiterhin eine hervorgehobene Rolle spielen soll. Der 47-Jährige ist deswegen als möglicher Senator im Gespräch. Da er sich in der Vergangenheit mit innenpolitischen Themen profiliert hat, fällt sein Name, wenn es um das Innenressort geht. Dagegen spricht allerdings, dass Henkel nicht nur nach Ansicht der SPD früher etwas zu provokant auf markante Law-and-Order-Sprüche setzte, sondern dass auch in der eigenen Partei manche daran zweifeln, ob der Posten das Richtige für den geradlinigen Macher Henkel wäre. Zumal aus der CDU zu hören ist, dass ihm seine persönliche Profilierung im Zweifel weniger wichtig ist als eine funktionierende und die Probleme der Stadt konstruktiv angehende Landesregierung. Außerdem ist noch nicht klar. ob der bisherige Amtsinhaber Ehrhart Körting den Job nicht trotz seiner inzwischen 69 Lebensjahre doch weitermachen will. Wenn dem so wäre, würde die SPD das Ressort umso stärker für sich beanspruchen, und mit Körting könnte die CDU inhaltlich auch leben.
MONIKA GRÜTTERS
Sie gilt als liberale Stimme der Berliner Union und dürfte im künftigen Senat ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Seit 2005 sitzt die stellvertretende CDU-Vorsitzende im Bundestag, außerdem ist sie im Vorstand der Stiftung „Brandenburger Tor“ der Landesbank Berlin und hat mehrere Lehraufträge als Professorin im Kulturbereich. Die 49-Jährige, die beim Sondierungsgespräch mit der SPD dabei war, ist als Bildungs- und Wissenschafts- oder Kultursenatorin im Gespräch. Der bisherige Bildungs- und Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD) hatte vor der Wahl angekündigt, sich aus der Politik zurückzuziehen; die Kultur ist bislang beim Regierenden Bürgermeister angesiedelt. Das kann aber im Rahmen des zu erwartenden Neuzuschnitts der Ressorts geändert werden.
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THOMAS HEILMANN
Der Unternehmer und CDU-Vizevorsitzende ist als potenzieller Wirtschaftssenator im Gespräch, aber auch als Bildungssenator wäre er denkbar. Gefragt, ob er sich vorstellen kann, dafür die Tätigkeit bei seiner eigenen Unternehmensgruppe Heilmann & Co ruhen zu lassen, antwortet der 47-Jährige dem Tagesspiegel per E-Mail: „Vorstellen kann man sich viel, mein (Verhandlungs-)Ziel ist es nicht!“ Heilmann hat das CDU-Wahlprogramm erarbeitet und gilt als einer der intellektuellen Köpfe der Erneuerung der Partei, die sich nur langsam von den Folgen der Bankenaffäre 2001 erholt hat. Interesse an dem bislang von Harald Wolf (Linke) geleiteten Wirtschaftsressort werden allerdings auch dem SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzenden Michael Müller nachgesagt, vielleicht gekoppelt mit Wissenschaft oder Arbeit. Letzteres verantwortete bislang Carola Bluhm (Linke). Müller ist allerdings auch als Nachfolger von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer im Gespräch.
MICHAEL BRAUN
Der Rechtsanwalt, Kulturpolitiker und stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus hat zusammen mit Thomas Heilmann das Wahlprogramm für den 18. September erarbeitet. Und er leitet den einflussreichen CDU-Kreisverband Steglitz-Zehlendorf. Dass der 55-Jährige künftig eine herausgehobenere Stellung in der Landespolitik spielen soll, ist daher von vielen Seiten zu hören. Dass er Justizsenator werden könnte, wie manche meinen, gilt aber als unwahrscheinlich – auch, weil die SPD mit Braun so ihre Probleme hat. Manche Genossen sehen in dem Juristen, der seit 1995 im Abgeordnetenhaus sitzt, einen Vertreter der alten CDU, mit der sie 2001 im Streit auseinandergingen. Dazu trug früher auch Brauns provokativ-polarisierender Stil bei, wenngleich er sich in letzter Zeit moderater zeigte. Sollte Frank Henkel Senator werden, wird Braun auch als künftiger CDU-Fraktionschef gehandelt. Und für das Justizressort, das derzeit noch Gisela von der Aue (SPD) leitet, könnte dann seitens der CDU der Jurist Burkard Dregger infrage kommen. Es sei denn, die SPD will den Bereich nicht hergeben. Für das Finanzressort, geleitet von Ulrich Nußbaum, haben die Sozialdemokraten das bereits angekündigt.
MARIO CZAJA
Der gelernte Versicherungskaufmann, der seit 1999 im Abgeordnetenhaus sitzt und stellvertretender Fraktionsvorsitzender ist, hat sich vor allem als Gesundheitspolitiker einen Namen gemacht. Er ist daher als möglicher Gesundheitsssenator im Gespräch. Bisher leitet das Ressort die Linkspolitikerin Katrin Lompscher, zusammen mit dem Bereich Umweltpolitik. Czaja gilt mit seinen 36 Jahren als Nachwuchsstar der Berliner CDU, außerdem hat er in seinem Wahlkreis Kaulsdorf-Mahlsdorf mit dem für Ost-Berlin außergewöhnlichen Erststimmenergebnis von 41,5 Prozent gewonnen und wird daher in seiner Partei auch als herausragender Vertreter des Ostteils der Stadt angesehen.