Nach dem Scheitern von Rot-Grün in Berlin: Wie stehen die Chancen für Rot-Schwarz?
Eine Wunschehe ist Rot-Schwarz für die SPD nicht. Dafür war sie zu lange Juniorpartner der CDU. Dennoch sind die Hürden für ein solches Bündnis nicht unüberwindbar.
Vor knapp zehn Jahren gingen sie im Streit auseinander. Nun werden es SPD und CDU in Berlin wieder miteinander versuchen müssen. Das sehen vor allem viele Sozialdemokraten mit Bauchschmerzen. Lebendig ist noch die Erinnerung an die Zeit als Juniorpartner unter der CDU Eberhard Diepgens und Klaus- Rüdiger Landowskys. Die Koalition endete 2001 wegen der Bankenaffäre – die SPD ließ das ungeliebte Bündnis platzen.
Steht die CDU für eine Koalition bereit?
Ja – auch wenn sie sich im Moment demonstrativ zurückhaltend gibt. Das liegt auch daran, dass man genau beobachtet hat, wie Rot-Grün scheiterte. Deshalb will die CDU nicht vorschnell über die Presse Positionen verfestigen oder Ansprüche anmelden, bevor die SPD nicht offiziell zu Koalitionsgesprächen eingeladen hat. Eines jedoch machen viele in der CDU deutlich: Dass Wowereit erst mit den Grünen verhandelte und nicht mit der Union, die in der Wahl am 18. September auf dem zweiten Platz landete, hat den Preis für eine Koalition mit der CDU hochgetrieben. Man will deutlich selbstbewusster auftreten als die Grünen. Zugleich betont man in der Union, dass man nicht ideologisch, sondern pragmatisch auf die SPD zugehen will.
Passen CDU und SPD in Berlin überhaupt zusammen?
Als sich die Berliner Sozialdemokraten mit ihrem Verhandlungsführer Klaus Wowereit sowie die CDU-Delegation unter Leitung von Parteichef Frank Henkel vor zwei Wochen zum Sondierungsgespräch trafen, zeigten sich alle Beteiligten danach überraschend einig. „Ich habe den Eindruck, Optionen zu haben“, sagte Wowereit. „Ich sehe keine unüberbrückbaren Differenzen“, ergänzte Henkel. Gerade bei Infrastrukturprojekten wie dem von den Grünen abgelehnten Autobahnausbau oder auch einem künftigen Ausbau des neuen Großflughafens war man sich schnell einig, ist aus beiden Parteien zu hören. Auch bei dem vermeintlich strittigen Thema innere Sicherheit zeigte sich die CDU kompromissbereit und versprach, zum Beispiel am Deeskalationskonzept der Polizei für den 1. Mai und vergleichbare Veranstaltungen nicht zu rütteln. Die SPD will 200 zusätzliche Polizisten, die CDU 250 – aber wegen der 50 Stellen will die Union keinen Konflikt heraufbeschwören. Noch Redebedarf gibt es bei Schulsanierung, Mietenpolitik, S-Bahn und Charité-Sanierung, aber auch hier sehen beide Seiten keine fundamentalen Gegensätze. Sogar die von Wowereit gewünschte Kunsthalle würde die CDU offenbar akzeptieren.
Lesen Sie auf Seite zwei mehr über mögliche Konfliktthemen und ob sich die zentralen Akteure vertragen.
Welches sind mögliche Konfliktthemen?
Ein paar kleinere Konflikte müssen CDU und SPD noch austragen. Aber es gibt nach jetzigem Stand der Dinge kein Thema, das für eine mögliche Koalition von SPD und CDU so brisant werden könnte, wie es die umstrittene Verlängerung der Stadtautobahn A 100 für die rot-grünen Verhandlungen war. Umstritten ist zum Beispiel noch, ob mehr bezahlbare Wohnungen dadurch entstehen sollen, dass den öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften Anreize für Neubauten gegeben werden, wie es die SPD favorisiert – oder ob man auch Privatinvestoren stärker fördert, wie es die CDU plant.
Auch die Frage, wer Polizeipräsident werden soll, birgt noch Streitpotenzial. Während die SPD und ihr bisheriger Innensenator Ehrhart Körting den früheren Bundesgrenzschützer Udo Hansen favorisieren, will die CDU Polizeidirektor Klaus Keese. Neben der inneren Sicherheit haben sich CDU und SPD zumindest rhetorisch bislang vor allem beim Thema Integration unterschieden – das muss aber für eine gemeinsame Landespolitik kein wirkliches Hindernis sein. Vor allem deswegen, weil die Differenzen bei der Integration hauptsächlich die Bundespolitik betreffen. „Vieles ist mehr gefühlte Distanz“, sagt ein Christdemokrat. Sogar bei der Schulpolitik setzt man auf demonstrative Harmonie: Die CDU, so ist zu hören, will die Schulreform mit der Abschaffung der Hauptschulen nicht rückgängig machen. Stattdessen will man die Ausstattung der Schulen verbessern. Auch das von der CDU lange bekämpfte Integrationsgesetz für mehr Partizipation von Einwanderern muss kein Zankapfel sein. Die Union findet das Gesetz zwar falsch, aber es schade ja auch nicht. Die Sozialdemokraten sehen das bislang auffallend zahme Verhalten der CDU mit Skepsis: „Mal sehen, ob das immer noch so ist, wenn es hart auf hart kommt“, heißt es. Die auf Zusammenarbeit zielenden Signale seien erfreulich. „Aber die Frage ist, wie nachhaltig das ist.“
Vertragen sich die zentralen Akteure?
Man liebt sich nicht, aber was die Verlässlichkeit angeht, reden führende Sozialdemokraten und CDU-Politiker auffallend positiv übereinander. Während man bei den Grünen nie sicher gewesen sei, inwieweit Parteiführung und Parteibasis auf einer Linie seien, habe man bei der CDU keine Sorge, dass Vereinbarungen nicht auch von der Partei mitgetragen werden, heißt es in der SPD-Spitze. Mit der ersten Reihe der Berliner CDU hat die SPD im Gegensatz zu früheren Jahren keine großen Probleme mehr – auch wenn die Sozialdemokraten noch nicht ganz sicher sind, was sie von Parteichef Henkel wirklich halten sollen: Der einstige Hardliner hat sich zum umgänglichen und ehrlich wirkenden Vertreter der politischen Mitte gemausert. Aber manche Genossen erinnern sich noch gut, wie er sich einst als strammer Law-and-Order-Politiker auf Kosten der SPD zu profilieren versuchte. Die Parteivizechefs Monika Grütters und Thomas Heilmann stehen für die neue CDU, die mit der alten West-Berliner Klüngelpartei nicht mehr viel verbindet. Aber dahinter stehen Bezirks-Größen, die für viele Sozialdemokraten Teil der alten CDU sind – und denen man zumindest bislang nicht uneingeschränkt vertraut.