Koalitionsgespräche: Rot-Schwarz: Da geht was
Nach den gescheiterten Koalitionsverhandlungen mit den Grünen will die Berliner SPD nun Gespräche mit der CDU aufnehmen. Ob Rot-Grün jemals ernst gemeint war, bleibt ein Geheimnis.
Wir werden es wohl nie erfahren. Ob Klaus Wowereit tatsächlich ernsthaft vorhatte, mit den Grünen zu koalieren. Ob die gefühlte politische und mentale Nähe zu den Alternativen ihm wichtiger gewesen war als eine stabile Mehrheit. Ob ihm die CDU, weil angeblich immer noch Holz vom alten verfaulten Stamm, so widerwärtig gewesen ist, dass ein Regierungsbündnis „mit denen“ ihm als Höchststrafe vorgekommen wäre. All diese „wenns“ und „obs“ sind von gestern. Fakt bleibt, dass die beiden Verhandlungsführer, Klaus Wowereit und Volker Ratzmann, Vertreter jener berüchtigten Gattung der Alphatiere sind, die gerne in den Kategorien von Sieg und Unterwerfung denken und handeln. Und falls stimmt, was der Routinier Wolfgang Wieland zu Protokoll gibt, dass nach der Zustimmung zur Moselbrücke in Rheinland-Pfalz und zum Kraftwerk Moorburg in Hamburg, ein dritter grüner Umfaller, nun bei der A 100, wie ein politischer Genickbruch gewesen wäre – dann wäre aus dieser Koalition nichts als Chaos gekommen. Was jetzt zählt, ist: Kann es mit der CDU klappen?
Da sind die Vorurteile. Die Union sei immer noch nicht aus dem Schatten von Klaus-Rüdiger Landowsky und Eberhard Diepgen, aus dem trüben Kiez-Dunstkreis eines Ingo Schmitt, herausgekommen. Fakt ist, dass die CDU von Frank Henkel, Thomas Heilmann und Monika Grütters mit der unheilvollen Bankenaffäre nichts zu tun hat. Und Frank Steffels Problem war nicht etwa die Bankenaffäre, sondern dass Helmut Kohl ihn vor zehn Jahren für eine Spitzenkandidatur missbraucht hat, die nur scheitern konnte. Und wenn es um die vermeintlich anhaltende West-Berlin-Prägung der Christdemokraten geht: Auch Klaus Wowereit ist ein Produkt des alten Soziotops Westberlin in Reinkultur, so geschickt er sich seit Jahren als Geschöpf der Nachwende-Moderne vermarktet. Und hat da nicht gerade eben noch, allerdings krachend erfolglos, für die SPD deren ehemalige Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing kandidiert, die nach 1996 Bewag und Gasag verkaufte und die Wasserbetriebe teilprivatisierte?
Nein, die alten Klischees helfen nicht weiter. Vor allem aber haben sich die Vorzeichen geändert. Die neue „große“ Koalition repräsentiert gerade einmal 52,1 Prozent der Stimmen. Sie ist also alles andere als übermächtig und sieht sich einer linken Opposition gegenüber, die ihre Macht schnell entdecken wird. Entscheidend ist zudem: Der neue Senat wird von der SPD angeführt, nicht mehr von der CDU, wie die am Ende zu Recht als lahm und lähmend bezeichnete Vorgängerregierung der Jahre 1991 bis 2001. Es gibt also keinen Grund, allenfalls den bösen Willen, dieses Zweckbündnis von vorneherein unter dem Menetekel eines programmierten Scheiterns zu sehen.
Die A 100 ist eine wichtige Infrastrukturmaßnahme – man stelle sich die Stadt ohne die vorhandene Autobahn vor –, aber es gibt weit wichtigere Projekte. Arbeitsplätze, Bildungsinvestitionen, Wohnen zu bezahlbaren Mieten, ein funktionierender Nahverkehr, Ausbau der Wirtschaft, Sicherheit im öffentlichen Raum, Nachnutzung von Tegel – da ist Arbeit für weit mehr als eine Legislaturperiode. Dass die Liste so lang ist, hängt mit dem zusammen, was in den vergangenen zehn Jahren nur mit der linken Hand, gar nicht oder zu spät angepackt wurde, oder was man erst jetzt als brennendes Problem erkennen konnte. Zu guter Letzt: Zum Politikgestalten gehört auch, dass man sich zusammennimmt und nicht nur seine Zicken auslebt.
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