„Sieg Heil“ im Fußballstadion: Rechtsextreme Fans aus Cottbus sind europaweit vernetzt
Gleich drei Fangruppen des FC Energie Cottbus gelten als rechtsextrem. Neu ist ein Sammelbecken gewaltbereiter Neonazis, wie das Innenministerium mitteilt.
Der brandenburgische Verfassungsschutz hatte die Mischszene im brandenburgischen Cottbus aus Neonazis, Hooligans und Kampfsportlern schon als „toxisches Gebilde“ bezeichnet - im Zentrum stehen Anhänger des Viertligisten FC Energie. Nach dem Abstieg aus der Dritten Fußballliga startet der Club am Sonnabend mit einem Heimspiel im Stadion der Freundschaft in die neue Saison der Regionalliga Nordost gegen den Berliner VSG Altglienicke.
Nun legt das Innenministerium auf eine parlamentarische Anfrage der Landtagsabgeordneten Andreas Johlige (Linke) neue Details vor, wie sehr Neonazis den Fanblock dominieren und vor allem: Wie stark die Szene geworden ist. Demnach setzen sich drei Fangruppen des FC Energie Cottbus „vornehmlich aus Rechtsextremisten“ zusammen oder sind „rechtsextremistisch beeinflusst“. Dazu zählen laut Innenministerium die „Unbequeme Jugend“, eine Nachwuchstruppe der aufgelösten Gruppe „Inferno Cottbus“, der Zusammenschluss „Collettivo Bianco Rosso“ und die „WK 13 Boys“.
Mitglieder der drei Fangruppen sind den Angaben zufolge in den vergangenen Jahren auf mehreren einschlägigen rechtsextremistischen Veranstaltungen gesehen worden, darunter bei großen Rechtsrockfestivals etwa in Gera, im thüringischen Themar, im sächsischen Ostritz, in der Schweiz, bei Kampfsportwettkämpfen von Neonazis oder auch bei einer rechtsextremistischen Weihnachtsfeier in Cottbus.
Die Lausitzer Neonazi-Szene ist europaweit vernetzt
Ausdrücklich geht das Innenministerium auch auf die Verbindungen in die Kampfsportszene ein. So seien Personen aus dem Umfeld der 2017 aufgelösten Hooligangruppe „Inferno“ und aus der „Unbequemen Jugend“ ebenfalls „im rechtsextremistischen Kampfsport- und Türstehermilieu aktiv“. Explizit erwähnt das Ministerium dabei die „Kampfgemeinschaft Cottbus“. Diese zählt den Angaben zufolge etwa 115 Mitglieder, habe sich nach dem Aus von „Inferno“ in Cottbus im Landkreis Spree-Neiße zum „Sammelbecken für Rechtsextremisten mit hohem Gewaltpotenzial“ entwickelt. Es verfüge über ein beachtliches Personen- und Unterstützerpotenzial.
Wie groß dieses Sammelbecken inzwischen ist, zeigte eine Weihnachtsfeier am 7. Dezember 2018, an der auch Mitglieder der drei rechten Hooligangruppen teilnahmen. 300 Personen kamen zu der Feier in Cottbus. Die Neonazi-Szene in der Lausitz ist über den Kampfsport inzwischen europaweit vernetzt. Beim Kampf- und Kraftsport gehe es den Neonazis um die „Erhaltung der Wehrhaftigkeit“ und um den „Kampf gegen den politischen Gegner“, erklärt das Innenministerium.
Die Gruppe „Inferno“ hatte 2017 ihre Auflösung bekannt gegeben, um Ermittlungen wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung zu entgehen. PNN und Rbb hatten zuvor gemeinsam über Bestrebungen von „Inferno“ berichtet, sich die Cottbuser Fanszene mit Gewalt zu unterwerfen.
"Kampfgemeinschaft" wird Herrschaftsanspruch umsetzen
Dieses Ziel verfolgen die Nazihooligans mit ihrer „Kampfgemeinschaft“ nach Ansicht des Verfassungsschutzes weiter: Sie werde ihre Strukturen festigen „und konkurrierende Gruppen werden über Druck oder Gewalt zur Seite gedrängt“, erklärt das Ministerium. „Es ist zu vermuten, dass die Gruppierung versuchen wird, zukünftig ihren Herrschaftsanspruch, wie es zuvor Inferno Cottbus tat, im Stadion umzusetzen.“
Diese Vermutung kommt nicht von ungefähr. Erst im April war die Polizei in Cottbus und Umgebung mit einer Razzia gegen die Neonazi-Hooligans vorgegangen. Die Ermittler fanden Hakenkreuz-Dekorationen, Waffen, NS-Propaganda und Material der rechtsextremistischen „Identitäten Bewegung“. Ermittelt wird gegen 20 Beschuldigte wegen verschiedener Delikte wie Sachbeschädigung, Körperverletzung, Verstößen gegen das Waffengesetz, Bedrohungen und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.
Auch jetzt gehen die Ermittler wieder von einer kriminellen Vereinigung aus - Hooligans, Rechtsextremisten, Männern aus dem Sicherheitsgewerbe und der Kampfsportszene. Diesmal soll sie aber längst die Grenzen zur organisierten Kriminalität überschritten haben.
Verfassungsschützer befürchten Rivalitäten von Rockergruppen
Durch das Auftreten der „Kampfgemeinschaft“ befürchten die Sicherheitsbehörden auch Spannungen in der Cottbuser Unterwelt: „Aufgrund der Verstrickungen einiger Mitglieder in das Türsteher- und Securitygewerbe ist nicht ausgeschlossen, dass es zu Rivalitäten mit kriminellen Gruppierungen, beispielsweise aus dem Rockermilieu, kommt“, berichtet das Innenministerium.
Unter den rechten Hooligans gibt es ohnehin Bezüge zu Rockerclubs. Einzelpersonen aus den drei Fangruppen seien Mitglieder in Rockergruppierungen, erklärte das Innenministerium. Zwei Personen, die auch als „Gewalttäter Sport“ erfasst wurden, sind „Angehörige von polizeilich relevanten Rockergruppierungen“ in Brandenburg, in einem Fall in Potsdam und im anderen Fall bei einem Unterstützerclub der Hells Angels in Cottbus.
Der FC Energie Cottbus hat übrigens die meisten gewaltbereiten Fußballfans in Brandenburg. 130 Personen werden als „Gewalttäter Sport“ der „Kategorie B“ geführt - sie gelten als latent gewaltbereit, besonders unter Alkoholeinfluss. 30 Personen aus der Cottbuser Fanszene sind in der „Kategorie C“ erfasst - sind sind gewaltsuchende Hooligans. Beim Rivalen SV Babelsberg sind es 60 Personen in „Kategorie B“ und 7 in „Kategorie C“.
Angaben über die Zahl der Cottbuser Fans, die der rechten Szene zuzuordnen sind, macht das Innenministerium nicht. Dazu lägen keine Daten vor. Immerhin werden aber die Straftaten bei Fußballspielen in Brandenburg aufgelistet, allerdings ohne die Tatorte, Stadien und Partien zu nennen - oder von welchen Fans die Taten begangen wurden.
2019 schon sechs Hitlergrüße
In der Saison 2015/2016 ist in fünf registrierten Fällen der „Hitler-Gruß“ gezeigt oder „Sieg Heil“ gerufen worden. In der Saison 2016/2017 waren es sechs Hitlergrüße, ein offen gezeigtes rechtsextremistisches Tattoo und gewalttätiger Angriff auf einen Ausländer. In der 2017/2018 waren es ein „Hitler-Gruß“, zwei extremistische Tattoos und eine volksverhetzende antisemitische Parole.
Für die Saison 2018/2019 ist die Auswertung noch nicht abgeschlossen. Bislang sind neun Straftaten erfasst: Sechs Mal gab es einen „Hitler-Gruß“, in zwei Fällen wurde verfassungsfeindliche Kleidung und in einem Fall verfassungswidrige Symbole festgestellt.