Kriminelles Netzwerk beim FC Energie: Cottbuser Hooligan-Gruppe gibt Auflösung bekannt
Offenbar aus Furcht vor einem Verbot stellt "Inferno Cottbus" seine Aktivität ein. Zuvor hatten die Sicherheitsbehörden den Druck auf die rechtsextreme Organisation erhöht.
Nach dem durch Recherchen von PNN und rbb gemachten kriminellen Netzwerk in der Fanszene des FC Energie Cottbus hat die Hooligan-Gruppe Inferno Cottbus am Mittwochvormittag ihre Auflösung bekannt gegeben - offenbar aus Furcht vor Repressalien und einem Verbot. "Wir sind fertig mit dieser verschwörerischen Apparatur der Hetzerei", heißt es auf der Facebook-Seite der Gruppe zur Begründung. Fraglich ist zurzeit noch, ob die rechtsextremen Hooligans eine Ersatzorganisation gründen werden. Die Strafverfolgung jedenfalls dürfte durch die Auflösung der Gruppe erschwert sein.
Zuvor war am Dienstag bekannt geworden, dass eine fünfköpfige Ermittlergruppe mit dem kriminellen Netzwerk in Cottbus betraut ist. Auslöser war ein Fackelmarsch von 120 maskierten, schwarz gekleideten Neonazis, der nachts unbehelligt über den Altmarkt in Cottbus, den zentralen Platz der Stadt, ziehen konnte. Die Sicherheitsbehörden waren vorab nicht gewarnt, die Polizei konnte nichts ausrichten. Inzwischen geht es in dem Fall für die Ermittler des Staatsschutzes um viel mehr als den Aufzug. Es geht um ein kriminelles Netzwerk, das die „Potsdamer Neuesten Nachrichten“ und der rbb am Dienstag publik gemacht haben.
Den größten Teil machen dabei die beiden Fangruppen Inferno Cottbus und dessen Nachwuchstruppe Unbequeme Jugend aus. Eng verwoben sind sie mit einem Geflecht aus Neonazis, Kampfsportlern, Rockern und Hooligans. Inzwischen gehen die Behörden davon aus, dass das kriminelle Netzwerk etwa 100 Personen umfasst. Von einer „rechten Mafiastruktur“ ist die Rede, „die sich das Stadion als Bühne und Rekrutierungsfeld gekapert hat“, wie ein Szenekenner sagte.
Allein die beiden Fangruppen kommen auf knapp 90 Personen. Bei besonderen Anlässen bringen sie es mit Unterstützung der rechten Szene auf 150 Personen. Die beiden Gruppen verbreiten in Cottbus ein Klima der Angst, indem sie seit mehr als einem Jahr andere Energie-Fans bedrohen und mit Gewalt einschüchtern. „Cottbus ist überschaubar, eine Bedrohungslage in der Stadt ist deutlich zu spüren“, hatte ein Energie-Anhänger gesagt, der seit 15 Jahren in der Fanszene aktiv ist.
Inferno, ein schlagkräftige Truppe, einige Gründungsmitglieder von 1999 schafften den gesellschaftlichen Aufstieg, versucht nun die Fankurve auf Linie zu bringen. Andere Fangruppen hängen aus Angst vor Inferno und eindeutigen Ansagen der rechten Hooligans ihr Banner nicht mehr auf, Gesänge werden kaum noch angestimmt. Die Sicherheitsbehörden befürchten, dass es nicht nur um das Stadion geht, sondern auch um Einfluss in der Stadt.
Weil sich niemand traut, darüber zu sprechen, sind der Polizei aber bislang die Hände gebunden: Für eine effektive Strafverfolgung, klagt eine Sprecherin, fehlten bislang die Zeugen – die sich aus Angst vor weiteren, härteren Attacken nicht melden. Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Andreas Schuster, rief von Gewalt und Bedrohungen betroffene Energie-Fans dazu auf, bei der Polizei auszusagen, damit gegen die Rechtsradikalen konsequent vorgegangen werden könne. Vorfälle wie beim Spiel in Babelsberg Ende April mit Platzsturm, Hitlergrüßen und antisemitischen Parolen – „das hat mit Fußball nichts mehr zu tun“, sagte Schuster. „Solche Menschen gehören nicht mehr ins Stadion.“
Einfluss in der Lausitz ist groß
Auch wenn noch niemand aussagt: Gleichwohl, zu „vielen Sachverhalten laufen auch Ermittlungsverfahren“, sagte der Chef der Polizeidirektion Süd, Sven Bogacz. Worauf es hinauslaufen könnte, deutet am Dienstag ein Sprecher des Brandenburger Innenministeriums an: Der Verfassungsschutzbehörde lägen „hinreichend viele tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung vor“. Das ist die nötige Begründung, damit der Verfassungsschutz die Truppe ins Visier nehmen darf. Für ein Verbot von Gruppen wäre der Nachweis nötig, dass sie die „verfassungsmäßige Ordnung“ bekämpfen oder „den Strafgesetzen zuwiderlaufen“.
Der Ministeriumssprecher sagte, Polizei und Verfassungsschutz würden die „jüngsten Vorkommnisse“ zum Anlass nehmen, Inferno und das Umfeld „mit ganz besonderer Aufmerksamkeit zu beobachten“. Offenbar ist der Einfluss der Gruppe in der Lausitz groß. Interne Feiern oder Fußballturniere von Inferno Cottbus, die wiederholt „durch rechtsextremistische Symbolik und Musik geprägt“ gewesen seien, würden von „einer Vielzahl von unorganisierten Rechtsextremisten“ vorwiegend aus dem südlichen Brandenburg besucht, hieß es.
Erschreckend und inakzeptabel
Die Veröffentlichungen haben auch Reaktionen in der Politik hervorgerufen. „Ich erwarte, dass der Verein diese Strukturen mit aller Entschiedenheit bekämpft und alles daransetzt, sie zu zerschlagen“, sagte etwa die SPD-Landtagsabgeordnete Inka Gossmann-Reetz, Fraktionssprecherin zur Bekämpfung des Rechtsextremismus. „Der FC Energie Cottbus hat ein ernsthaftes Nazi-Problem in seiner Fan-Szene. Wer das beschönigt, ist auf dem rechten Auge blind.“ Die Situation in Cottbus sei erschreckend und inakzeptabel, sagte sie. „Es kann nicht sein, dass solche Gruppierungen für eine spürbare Bedrohungslage in der Stadt sorgen, wie es die Recherchen beschreiben“, erklärte auch die sportpolitische Sprecherin der Linke-Fraktion, Kathrin Dannenberg.
Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) kündigte derweil an, dass der Fall am morgigen Donnerstag Thema im Innenausschuss sein soll. Zunächst sei eine klare Distanzierung „zwischen dem Fußballverein, den tatsächlichen Fußballfans in Cottbus und diesen Chaoten“ nötig, sagte der Innenminister. „Und ich denke es muss eine Ächtung geben.“
Energie-Präsident Michael Wahlich sagte a m Dienstag, dass der Lausitzer Fußballverein „von kriminellen Elementen, die den Fußball als Plattform nutzen“ unterwandert werde. Dabei verwies er auf ein vor vier Jahren gegen Inferno verhängtes sogenanntes Auftrittsverbot, das Ende März auf die Unbequeme Jugend erweitert wurde: Ins Stadion kommen die Mitglieder beider Gruppen damit trotzdem, sie dürfen nur ihre Gruppensymbole nicht offen zeigen. Im November riefen sie im Stadion beim Spiel gegen Babelsberg aber antisemitische Parolen. Gegenüber den PNN forderten Energie-Fans nun eine aktivere Unterstützung durch den Verein gegen die braune Gruppe.
Auch Wahlich sieht noch viel Arbeit vor sich und kritisierte auch seine Vorgänger. Diese hätten offenbar nach dem nur durch Druck aus der Landespolitik und den Sicherheitsbehörden verhängten Auftrittsverbot die Sache offenbar schleifen lassen. Wahlich sagte dem rbb: „Wenn man eine Weile wegguckt, wenn nichts passiert, hat die andere Seite Gelegenheit sich neu zu formieren und zu strukturieren.“ Aber es sei gut, „dass da jetzt endlich drüber gesprochen wird“.