Stadtführung von Tresor bis Berghain: Per Rad zu den legendären Clubs von Berlin
Wo waren noch mal WMF und Walfisch? Über Berlins Clubszene gibt es viel zu erzählen. Eine neue Stadtführung zeigt die Legenden von heute und damals.
Manchmal ist selbst die Polizei dümmer, als die Polizei erlaubt. Als die Beamten in den frühen 1990er Jahren am Leipziger Platz standen, um einen dieser illegalen Clubs zu kontrollieren, von denen es in jener Zeit fast so viele gab wie Beats in einer Minute Techno, fanden sie auf dem wüsten Gelände nur große Container vor. So zogen die Polizisten wieder ab. Was sie nicht bemerkten: Der Boden eines der Container war aufgeschnitten worden, und durch die Öffnung ging es hinab in eine alte Toilettenanlage, in der das WMF Partys machte. Natürlich feierte hier nicht die Württembergische Metallfabrik, sondern der Club, der sich nach seinem Gründungsort im besetzten Gebäude des Besteckherstellers benannt hatte.
Vieles war möglich im Berlin der Wendezeit. Daran möchte die neue Stadtführung erinnern, zu der die Clubcommission, der Zusammenschluss von Berliner Partyveranstaltern und Eventmachern, am 5. September erstmals einlädt. Aber nicht nur ums „ach, weißt du noch“ soll es bei der rund dreistündigen Tour per Rad gehen. Vielmehr wollen die Veranstalter deutlich machen, welch hohen kulturellen Wert die Club- und Musikszene für Berlin hat. „Wir machen also keine Fantouren“, sagt Eberhard Elfert, einer der Initiatoren.
Doch keine Bange: Auch Musikfans müssen sich nicht langweilen. Schließlich geht’s zu allen – auch wenn es abgegriffen klingt – mythischen Orten der Clubszene, und jeder für sich genommen ist spannende Berliner Stadtgeschichte. Allein über den Ausgangspunkt der Tour Ecke Wilhelm-/Leipziger Straße ließe sich viel erzählen: Einst befand sich hier das Reichsluftfahrtministerium, später der Sitz der DDR-Regierung und der Nachwende-Treuhandanstalt.
Gleich um die Ecke öffneten nach dem Mauerfall der Tresor-Club (in den Kellerräumen des früheren Wertheim-Kaufhauses), das E-Werk (in einem alten Umspannwerk) und eben das WMF. Und heute? Tresor abgerissen und umgezogen, E-Werk durchsaniert, WMF ein Einrichtungsgeschäft. Verschwunden auch das „Ahornblatt“, der nächste Stopp auf der Tour. Wer erinnert sich noch an die Techno-Partys in dem gezackten Haus, einer Perle der DDR-Architektur? Waren die am Sonnabend oder Sonntag? Jedenfalls after hour.
Ein kleines Problem wird schon am Anfang der Tour deutlich: Wer die Nachwendezeit nicht miterlebt hat, wird kaum nachempfinden können, wie es sich angefühlt hat, die eine Nacht in irgendeinem Abbruchhaus zu tanzen und die nächste in irgendeinem muffigen Brauereikeller. Aber so ist es ja auch mit der Nacht des Mauerfalls: Glücklich, wer dabei war. Allen anderen bleibt nur, sich das erzählen zu lassen.
Das mit dem Erzählen klappt schon mal sehr gut bei der Clubtour. Eberhard Elfert schlägt immer wieder den Bogen von der Welt- zur Partygeschichte und zu Stadtentwicklung. So erinnert er daran, dass sich viele Orte, an denen zu elektronischer Musik getanzt wurden, im früheren Grenzgebiet befinden. Der Walfisch, heute besser bekannt als Sage oder Kitkat, startete in dem Gebäude, von dem aus die DDR- Grenztruppen einst den U-Bahnhof Heinrich-Heine-Straße betraten, den zu Mauerzeiten die Züge aus West–Berlin ohne Halt passierten. Der Planet, einer der frühesten Techno-Clubs, nutzte ein heruntergekommenes Fabrikgebäude an der Köpenicker Straße, das direkt am Grenzstreifen an der Spree steht. Jahre später ließen sich die Macher vom Kater Holzig für die Location feiern – mit der vermutlich auch jene etwas anfangen können, die in der Wendezeit noch in die Kita gingen. Sie können sich denn auch auf den Abstecher auf das Gelände freuen, das trotz Bebauung immer noch ein bisschen verwunschen wirkt und dazu einlädt, einfach mal die Beine an der Ufermauer der Spree baumeln zu lassen.
Für den Clubexperten Elfert sind Bar 25 und später Kater Holzig aber nicht nur Orte des Partyfrohsinns: Für ihn sind sie eine Art Zäsur in der Berliner Clubgeschichte. Zum einen entstand der Trend zum Freiluftfeiern und zum anderen wurde das Publikum internationaler. „Bis ums Jahr 2000 herum feierten wir Berliner praktisch unter uns. Doch dann wird Berlin attraktiv im Ausland.“ Das viel bemühte Image vom „arm, aber sexy“ habe nach seiner Meinung eine Rolle gespielt – und die Eröffnung von Billigfluglinien. Für ihn obendrein bemerkenswert: Während die Welt nach 9/11 und dem Dotcom-Crash aus den Krisen nicht herauskam, erlebte Berlins Partykultur einen Aufschwung.
Das Berghain darf nicht fehlen
Natürlich fehlt auch das Berghain nicht auf der Tour, aber weil früher ja alles besser war, gibt es dazu den Schlenker zum Ostgut. Der Berghain-Ahne eröffnete 1998 in einer Halle des früheren Ostgüterbahnhofs, im Jahr 2000 kam die Panoramabar hinzu. Heute fürs Berghain wohl undenkbar: Im Jahr nach der Premiere stiegen im Ostgut sogar Loveparade-Partys, hübsch dekoriert mit Plastikblümchen. Zum Jahreswechsel 2003 war dann aber schon wieder Schluss. Da muten aktuell elf Jahre Berghain wie eine Ewigkeit an.
Clubkultour, 5./19. September, 3./ 17. Oktober, 4 Uhr, Wilhelm-/Leipziger Straße, Fahrrad erforderlich, Kosten: 13 Euro, www.clubkultour.de