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© dpa

Filmaufnahmen: Hollywood an der Wilhelmstraße

Erstmals wurden Szenen des Stauffenberg-Films in aller Öffentlichkeit gedreht. Die Schaulustigen warteten auf Tom Cruise.

Wehrmachtsfahrzeuge und Flak-Geschütze am Potsdamer Platz, Soldaten in grüngrauen Uniformen mit Stahlhelm, Polizisten mit Tschakos, Gestapo-Leute in braunen Anzügen: Berliner und Touristen können seit gestern und noch heute beobachten, wie mitten in der Stadt die Leipziger- und die Wilhelmstraße am einstigen Reichsluftfahrtministerium ins Jahr 1944 versetzt worden sind. Mehr als 2,5 Milliarden Euro Umsatz wird die regionale Filmwirtschaft in diesem Jahr erzielen, Hollywood hat daran einen großen Anteil. Sichtbarstes und spektakulärstes Zeichen dafür sind gerade die aufwendigen Dreharbeiten für „Valkyrie“, den Film über den Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg.

Vor einer Woche noch wurden für einen anderen Film an der Deutschen Oper Szenen über die Unruhen beim Schah-Besuch 1967 gedreht, seit Sonnabend früh bis heute Abend ist – noch viel öffentlicher – der Bereich Potsdamer Platz, Leipziger- und Wilhelmstraße zum großen Filmareal geworden. Vorm einstigen Reichsluftfahrministerium – heute Bundesfinanzministerium – sind vier hohe Hakenkreuzfahnen gehisst, Reichsadler aufgestellt. Der Dreh, der gestern im Stundentakt immer wieder geprobt wurde: Zivilisten gehen auffallend langsam über die Kreuzung und am Ministerium vorbei, einige alte Autos kurven um die Ecke, auch ein Radfahrer. Dann rollt vom Potsdamer Platz ein Dutzend Wehrmachtsfahrzeuge an, rund hundert Soldaten springen ab, stoppen den Verkehr, riegeln das Ministerium ab, rollen Stacheldraht aus. Ein Polizeiauto kommt vorbei, zuletzt fährt ein Panzerspähwagen auf die Kreuzung, richtet die Kanone in die Wilhelmstraße Richtung Voßstraße – wo hinter einer Barriere gebannt das Publikum die Aktionen beobachtet.

Es sind gemischte Gefühle, mit denen Passanten die Filmaufnahmen sehen. An der Ecke Zimmer- und Niederkirchnerstraße, die früher Prinz-Albrecht-Straße hieß und Gestapo-Adresse war, freuen sich vor allem ausländische Touristen über die Kombination der Fotomotive: Hier die Originalmauer an der Topografie des Terrors, dort das graue Ministerium, die Hakenkreuze, Sandsäcke auf der Straße und Soldaten, die Furcht einflößend wirken. Vom „Tom-Cruise-Film“ sprechen viele Zuschauer und suchen ihn vergeblich. Einige glauben, den Star trotz der Ankündigung, er sei diesmal nicht dabei – in einem Mietwagen zu erkennen, der während der Drehpause vorm Ministerium hält. Der Ballon Hi-Flyer schwebt am Rand über der Szene, die Betreiber müssen allerdings stets damit rechnen, stundenweise den Betrieb einzustellen.

Die Anwohnerinnen Ilona Weißmann und Brigitte Neumann wundern sich, dass die abmontierten Straßenlaternen nicht durch Vierziger-Jahre-Mobiliar ersetzt, die Videokameras an der Hauswand des Ministeriums nicht verdeckt wurden, ebenso Ampelmasten. Sie staunen darüber, dass es noch so viele alte Fahrzeuge gibt, die hier in Tarnfarbe und „WH“-Kennzeichen herumrollen können. Und sie finden es bedrückend, so hautnah in die Nazi-Zeit zu blicken.

Nebelmaschinen verschleiern störende Hintergründe, etwa die Hochhäuser am Potsdamer Platz. Im Film ist der Nebel unsichtbar. Am Potsdamer Platz, wo sich die Wehrmacht aufstellt, berichten Stadtführer über Stauffenberg und den Widerstand gegen Hitler. „Wir kämpfen gegen Terroristen“, ruft im Panzerspähwagen Unterfeldwebel Henry Strasen Japanern zu. Mittags hat er acht Stunden Kampf hinter sich. „Ist nur ein Film“, beruhigt er Touristen, die erschreckt auf die Soldaten blicken. Auf der Uniform steht „Wachregiment Großdeutschland“. In Lübben ist er Tankwart, Flohmarktbesitzer und Stadtverordneter.

Christian van Lessen

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