Platz des 17. Juni in Berlin: Nun hat der Aufstand seinen Ort
Der Platz vor dem Bundesfinanzministerium hat jetzt einen Namen: Er erinnert in Zukunft an den Volksaufstand vom 17. Juni. Hier hatten die Arbeiter vor 60 Jahren demonstriert. Roland Jahn, der Bundesbeauftragte für die Stasiunterlagen, forderte, den Tag wieder zu einem Feiertag zu machen.
Gelegentlich macht Politik Menschen froh. „Ein guter Tag“, sagten jedenfalls viele, die am Sonntagmittag miterlebten, wie der Platz vor dem Bundesfinanzministerium einen Namen erhielt. Das Geviert zwischen Leipziger und Wilhelmstraße trägt seit etwa Viertel vor eins am Sonntag den Namen „Platz des Volksaufstands von 1953“. Angehörige der Opferverbände, Teilnehmer des Aufstands von damals, Politiker, Historiker waren sich einig: Eine gute Entscheidung für einen denkwürdigen Ort und einen bedeutsamen Tag.
Die Enthüllung des Namensschildes auf dem steinernen Viereck fügt sich zu den anderen Hinweisen auf dem Platz, die an die Verdichtung der deutschen Geschichte just an diesem Ort erinnern. Seit dem Jahr 2000 gibt es dort bereits ein Mahnmal zur Erinnerung an den 17. Juni.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte vor der Enthüllung gesagt, es sei „kein Zufall“ gewesen, dass just vor dem monumentalen Bau vor 60 Jahren Arbeiter und Gegner des SED-Regimes gegen Unfreiheit und Unterdrückung protestiert hatten. In dem Gebäude, das 1935/36 für den Reichsluftfahrtminister Hermann Göring gebaut worden war, hatten auch Verschwörer und Widerstandskämpfe der Roten Kapelle gearbeitet. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es zum Haus der Ministerien der DDR geworden. Die Erhöhung der Arbeitsnormen, gegen die sich der Protest im Juni 1953 zunächst gerichtet hatte, war schon am 16. Juni zurückgenommen worden.
Der Protest, so Schäuble, ging weiter: Frauen und Männer, die sich am 17. Juni 1953 wieder auf der Leipziger Straße versammelten, wollten sich nicht länger von der SED unterdrücken lassen. Der Volksaufstand von 1953 sei der Anfang vom Ende der DDR 36 Jahre später gewesen, er habe die Grundlage für die deutsche Einheit geschaffen, sagte Schäuble.
Dass es dennoch 60 Jahre gedauert hat, bis der richtige Ort den passenden Namen bekam, sei nicht mit „Geschichtsvergessenheit“ zu erklären, sagte danach der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit. Der Aufstand sei „nie vergessen“ worden – West-Berlin habe noch im Sommer 1953 mit der Umbenennung der Charlottenburger Chaussee in „Straße des 17. Juni“ reagiert – und in der Bundesrepublik wurde der Tag noch 1953 zum Gedenk- und Feiertag erklärt. Dass der Platz im „Herzen der wiedervereinigten Hauptstadt“ nach vielen Diskussionen seinen Namen bekomme, sei ein „später Triumph über die SED-Diktatur“.
Dann zog Klaus Gronau, Mitglied der „Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft“, das schwarze Tuch vom neuen Namensschild und rief dazu: „Es lebe die Freiheit – nie wieder Kommunismus!“
Nicht alle Gäste hatten, wie Gronau, Erinnerungen an den Aufstand aus eigenem Erleben. Ein alter Mann hatte seinen Worten nach von dem Aufstand in russischer Lagerhaft erfahren – er habe dort schon sechs Jahre verbracht, als Verurteilte aus der DDR dazukamen. Eberhard Diepgen wiederum, ehemaliger Regierender Bürgermeister, sagte, er habe als Junge von elf Jahren die russischen Panzer auf der anderen Seite der Sektorengrenze fahren sehen. Für Klaus Landowsky, ehemaliger CDU-Fraktionschef, war der 17. Juni 1953, von dem er, ebenfalls als Elfjähriger, in Bayern im Radio hörte, der „Erstanfang einer Erkenntnis“.
Der Ungarnaufstand 1956, da lebte er wieder in Berlin, habe ihn aufgewühlt, 1957 sei er dann in die Junge Union eingetreten, obwohl er aus einer SPD-Traditionsfamilie komme. Der 17. Juni sei ein Tag, der seiner „patriotischen Gesinnung“ entspreche, sagte der CDU-Politiker.
Roland Jahn, der Bundesbeauftragte für die Stasiunterlagen, möchte dem Tag deutschlandweit wieder mehr Bedeutung geben. Dieser Tag nämlich sei „ein guter, wichtiger Tag“ in der deutschen Geschichte – und für die Zukunft des Landes. Den Aufständischen in der DDR sei es um „Freiheit und Selbstbestimmung“ gegangen. Beides sei aber nicht selbstverständlich, auch wenn viele junge Leute heute meinten, dass dies so wäre.
Jahn fände es deshalb gut, wenn der 17. Juni wieder zum nationalen Feiertag würde. Dass man für Freiheit und Selbstbestimmung etwas tun müsse – das sei die „Botschaft für die nächste Generation“. Die lasse sich am 17. Juni viel besser transportieren als am 3. Oktober, der als Feiertag an den „Beitritt“ der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik erinnert.