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Nur nach Hause geh'n wir nicht. Eigentlich war ja schon seit Stunden Schluss, doch die letzten Partygäste wollten am 6. Januar sogar noch am Mittag Abschied feiern.
© Thomas Loy

Club in Berlin-Mitte schließt: Abschied vom Kater

Der "Kater Holzig" hat zum letzten Mal gefaucht. Sieben Tage lang feierten Fans den Abschied, seit Silvester wurde jede Nacht durchgemacht. Am Montag gab es dann einen krachenden Schlussakkord.

Sie gehen ein Stück, dann müssen sie wieder zurückschauen, die Beine fangen an zu wippen, der Film der vergangenen Nacht beginnt von vorn. Christian und Dete, Architekturstudenten, 29 Jahre alt, haben die letzten Stunden des Kater Holzig miterlebt. Jetzt sind sie ausgelaugt, zufrieden und auch traurig. „Schade, dass das alles wegkommt.“ Im Hintergrund schwebt ein Kranausleger über den Altbauten an der Spree in Mitte. Ein Menetekel, dass auch das Holzig-Gelände bald bebaut wird.

Der Kater war der Nachfolger der „Bar 25“ auf der anderen Flussseite. 2010 musste die legendäre Bar schließen, weil das Grundstück verkauft werden sollte. Inzwischen ist die Bar 25 ein Mythos der Berliner Partyszene, beschworen in Fotoausstellungen und Büchern. Kater Holzig könnte es auch mal soweit bringen. Die letzte Partynacht war jedenfalls „unbeschreiblich“ und /oder „supergeil“, sagen die erschöpften Gäste.

Hotpants oder Pelzimitat

Am Montagmorgen weckte ein großes Feuerwerk die Nachbarn. Ein krachender Schlussakkord unter die siebentägigen Feierlichkeiten zum Kehraus des Hüttendorfes samt Altbauetagen. Seit Silvester wird jede Nacht durchgemacht. Florian, der sich mit einer Bierflasche ans Lagerfeuer gesetzt hat, glaubt, drei von sieben Nächten mitgefeiert zu haben. Jetzt sei er schon wieder 20 Stunden auf den Beinen, obwohl ihn der Türsteher am Sonntag abgewiesen hatte. Statt nach Hause zu gehen, feierte er mit anderen Abgewiesenen im „Kiosk“, einer kleinen Bretterbude vor dem eigentlichen Eingang. Hier läuft ähnliche Musik wie im großen Club, jetzt vor allem entspannter Dancefloor.

„Die Beine werden langsam klapprig“, sagt Florian. Es ist Mittag, der Kater soll endgültig schließen. In kleinen Gruppen passieren Gäste den Ausgang, Männer in T–Shirts oder dünnen Blousons, Frauen in Netzstrumpfhosen, Hotpants oder kurzen Pelzimitatjacken. Überraschende modische Accessoires sind gefragt, weniger stilistisch korrekte Kompositionen. Es geht darum, sich „völlig frei“ zu kleiden und zu fühlen, soweit der Türsteher es zulässt. Die Wartezeit vor dem Einlass soll bis zu zwei Stunden betragen haben.

Im Frühjahr wollen die Kater-Holzig- Chefs einen neuen Club aufmachen, wieder auf der anderen Flussseite, eine Rückkehr auf das Gelände der Bar 25, das inzwischen den Holzig-Machern und ihren Genossen von der „Holzmarkt e.G.“ gehört.

Doch die alte Bar 25 wird nicht zu neuem Leben erwachen. Da sind sich die Holzig-Gäste sicher. Und auch der Kater sei nicht mehr reanimierbar. Der Genius Loci ist an Ort und Zeit gebunden. Charlotte und Neele, beide Anfang 20, erhoffen sich erstmal „gar nix“ von dem neuen Holzmarkt-Club, denn jede Hoffnung würde enttäuscht werden. Der Kater habe ihnen das Eintauchen in eine andere Welt geschenkt, fast jedes Wochenende wieder, er wurde „Teil unseres Lebens“, dafür sind sie ihm sehr dankbar. Neele, sehr müde und heiser, hat ihren Lockenkopf auf Charlottes Schoß gebettet. Sie wird vom Kater träumen, noch viele Nächte. Ein Türsteher schenkte ihr vor kurzem ein Lederband mit dem Kater-Logo, das hat sie sehr gerührt.

Whiskeybar im S-Bahnbogen

Juval Dieziger, der Betreiber von Kater Holzig und Katerschmaus, dem angeschlossenen Restaurant, hat die letzten Nächte mitgefeiert und ist nicht zu sprechen. Im 45-seitigen Holzmarkt-Konzept versprechen die Genossen, den Kater Holzig unter gleichem Namen wiedererstehen zu lassen.

Der über viele Jahre entwickelte Clubstil, „aus den unterschiedlichsten Versatzstücken detailverliebte, patchworkartige Architektur- und Design-Konzepte mit individuellem Flair zu erschaffen“, werde auch auf dem neuen Gelände fortgeführt. Ein Clubhaus mit „Spreebalkonen und Dachterrasse“ werde entstehen, nebst einer „Whiskeybar im denkmalgeschützten S-Bahnviadukt“.

Die Kater-Holzig-Familie aus rund 50 Gesellschaftern und Angestellten will ihre geliebte „Villa Kunterbunt“ in einen festen Neubau hinüberretten, unabhängig von den Zwängen der Zwischennutzungs-Ära. Die Konservierung der wilden Clubbing-Jahre, das ist ein neues Experiment mit ungewissem Ausgang.

Die Kater-Holzig-Fans werden dem neuen Kater gewiss eine Chance geben. Hauptsache, man trifft seine alten Clubbekannten wieder. Und Eröffnungspartys sind ähnlich spannend und einzigartig wie Closing-Events.

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