Berliner Fernsehturm feiert 50-jähriges Jubiläum: „Nu also, Genossen, hier kommt er hin“
Ohne ihn wäre die Hauptstadt undenkbar: Der Fernsehturm wird 50 Jahre alt. Die Würdigung eines standfesten Berliner Originals.
Er ist unübersehbar, woher man auch kommt. Er markiert die Mitte Berlins. Und ist längst zum Wahrzeichen geworden. Ohne ihn sind Berlin und seine City undenkbar: der Fernsehturm.
Am 3. Oktober 1969, zum 20. Jahrestag des Bestehens der DDR, eröffnete die Staatsführung der DDR das 365 Meter hohe Bauwerk und pries es zu Recht als ingenieurtechnische Hochleistung.
Zum 50. Jubiläum gibt es am Tag der Deutschen Einheit ein Volksfest rings um den Schaft, die Geschäftsführerin Christina Aue spricht von Geburtstagskuchen, Freigetränken und einer Tombola, in der es Eintrittskarten zu gewinnen gibt. Und als Hauptpreis eine Einladung für zwei Personen zur Silvestergala 2019.
Der Andrang zum Turm ist dadurch etwas gemildert worden, dass man sein Eintrittsticket online bestellen und buchen kann, „dadurch ist die tägliche Schlange am Eingang, die manchmal bis zum S-Bahn-Eingang reichte, kürzer geworden“, sagt Christina Aue und verspricht weitere bauliche Veränderungen innerhalb der Kugel und im Foyer, stets unter den wachsamen Augen des Denkmalschutzes – das höchste Bauwerk Deutschlands und mit ihm das höchste deutsche Restaurant („Sphere“) mitten in einer Stadt steht unter Denkmalschutz.
Die Speisen nicht: Die Soljanka ist auch heute noch so aktuell wie vor 50 Jahren. Die Kartoffelsuppe „Kaiser Wilhelm I.“ hat es allerdings früher nicht gegeben, und Currywurst mit Champagner oder „Bier und Boulette“ sind neue Kreationen des niederländischen Küchenchefs, der auch Rote-Bete-Hafertaler und Süßlupine-Nocken in seine Karte genommen hat.
Übrigens hat sich noch nie die silberne Kugel da oben in 207 Metern Höhe gedreht, man sitzt vielmehr auf einem Drehring und gleitet im mäßigen Tempo, sanft und beschaulich, über die Silhouette der Stadt und genießt – wie im Aussichtsgeschoss eine Etage tiefer – das 360-Grad-Panorama einer grünen Boomtown, die sich bis ins Endlose erstreckt, in der Altes und Neues zusammenfließen an beiden Ufern der Spree.
Bis Ende August haben 60,9 Millionen Gäste Berlin von janz weit oben betrachtet und, ja, bestaunt. Jeden Tag hieven die Fahrstühle 4500 erwartungsvoll gespannte Menschen nach oben und zurück.
Dabei war der Turm quasi ein Schwarzbau, es gab keinen Richtkranz und auch keine offizielle Grundsteinlegung. Als Anfang Mai 1965 die ersten Bagger rollten, fehlten entscheidende staatlich beglaubigte Dokumente (die aber später nachgeliefert wurden). Dafür beschrieben und bemalten die verantwortlichen Architekten, Ingenieure und Statiker eine große Menge Papier mit unzähligen Berechnungen, Skizzen und Zeichnungen: Hier geschah etwas vollkommen Neues.
Nur in Moskau hatte man einen höheren Fernsehturm gebaut. Die Planer wussten zwar, wie man Schornsteine in die Landschaft pflanzt, aber dies hier? Am Alex, mitten in der Stadt? So viele Meter wie es Tage im Jahr gab, 365, für jeden Tag einen? Und dann noch mit einer Kugel, die alle bis dato üblichen mastkorbähnlichen Gebilde in den Schatten stellte und sie alle an Glanz und Eleganz übertraf?
Und in der man seinen Kaffee oder eine Molle trinken und dabei der Stadt aus 207 Metern Höhe gemütlich aufs Haupt schauen konnte? Die Anforderungen waren hoch, jeder am Bau kannte den Satz von Goethe: „Fehler darf man machen, bauen darf man keine“.
„Fehler darf man machen, bauen darf man keine“
Das beginnt schon beim Standort. Ursprünglich sollte der Turm für die Ausstrahlung von Fernseh- und UKW-Programmen in den Müggelbergen gebaut werden, dann wurde dieser Standort verworfen, weil er mitten in einer Einflugschneise zum Zentralflughafen Schönefeld stehen sollte. Die Fernsehbilder zeigten später, wie Walter Ulbricht mit seinem Hofstaat das Modell der neuen Ost-City betrachtete, das Modell des Turms über den Alexanderplatz schob und direkt neben den S-Bahnhof stellte: „Nu also, Genossen, hier kommt er hin.“
Für das Bauwerk waren zahlreiche Gebäude westlich des S-Bahnhofs Alexanderplatz abgerissen worden, schon unter den alten Kellern ergaben die bis zu 80 Meter tiefen Bohrungen den oft geschmähten Brandenburger Kiessand, der sich hier jedoch als idealer Baugrund herausstellen sollte. „Der Kies ist so dicht gelagert, dass er nur in sehr geringem Maße zusammendrückbar war“, sagt ein Statiker.
Der Turm, rechnet er vor, ist mit seinen 26000 Tonnen ungefähr so schwer wie 216 Lokomotiven oder 866 Güterwaggons voller Kohle, allein die Last der Kugel ist so groß, als hätte man da oben 40 Loks aufgehängt.
Und das kann nicht umkippen? Gestern wirbelte ein erster Herbststurm die Blätter von den Bäumen, aber der Turm stand felsenfest im Märkischen Sand. Sein breiter Fuß gibt dem Turm die notwendige Standsicherheit. Am Fuß beginnt die Betonröhre, in der neben drei Aufzügen Leitungen und Kabel sowie eine Nottreppe mit 936 Stufen untergebracht werden mussten.
„Ulbrichts Protzkeule“
Und was passiert, wenn die Röhre doch mal umkippt?, fragten die Berliner und witzelten: Dann rennen wir durch de Röhre nach’m Westen. Überhaupt gab der Turm viel Stoff für Witziges her. Mal war er „Ulbrichts Protzkeule“, dann „Sankt Walter“, weil sich bei Sonnenschein an der Außenhaut der Kugel direkt über der Marienkirche ein Kreuz abzeichnete, bis heute.
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Oder, nichts für Ästheten: „Was wird eigentlich aus der Scheiße, die da oben anfällt? Die wird in die Antennen gepumpt und als Fernsehprogramm abgestrahlt“.
Aus den zwei Programmen von einst sind 19 analoge und 60 digitale Radio- sowie 37 digitale Fernsehsender geworden. Die Antenne ist um drei Meter auf 368 Meter gewachsen. Die Deutsche Funkturm als Besitzerin führt die Regie bei einer Lichtinszenierung vom 3. bis 6. Oktober: Bewegte Geschichte, wie ein Tattoo auf den Turm projiziert.