Streit um den Flughafen BER: Mehdorn: Flughafen Leipzig keine Option für Berlin
Der Flughafen Leipzig-Halle als Zweit-Airport Berlins? Mit dieser Idee hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt für Verwunderung gesorgt - und noch ein bisschen mehr. BER-Chef-Mehdorn widerspricht ihm vehement.
Da hat der Bundesverkehrsminister wohl die Rechnung ohne den amtierenden Flughafenchef gemacht: "Nein, Leipzig ist keine Option. Wer von und nach Berlin fliegen will, fliegt von und nach Berlin. Das ist heute so. Und das wird auch künftig so sein", lautet die Reaktion von Hartmut Mehdorn auf Alexander Dobrindts Vorschlag, den Flughafen Leipzig-Halle zu einer Alternative zum BER zu entwickeln. "Der ist viel zu weit weg. was wir brauchen, und das habe ich mehrfach betont, ist eine zielgerichtete Kapazitätserweiterung des BER nach der Eröffnung, die wir jetzt vorbereiten müssen. Das ist mittlerweile auch Konsens."
Dobrindt hatte am Wochenende in einem Interview erklärt, dass er langfristig Leipzig als Berliner Zweitairport für denkbar hält. „Der Flughafen Leipzig wäre mit der Bahn in 55 Minuten Fahrzeit aus der Berliner Stadtmitte zu erreichen“, sagte Dobrindt.
Es ist nicht der einzige Punkt, mit dem Dobrindt wenige Tage vor der Sondersitzung des Aufsichtsrats zur Bestellung eines Nachfolgers für Flughafenchef Hartmut Mehdorn beim Flughafen und den Miteigentümern für Irritationen sorgt. Wie der Tagesspiegel berichtete, hat Dobrindt plötzlich neue Namen für die Mehdorn-Nachfolge ins Spiel gebracht. Berlin und Brandenburg wollen einen Top-Manager, entweder den früheren Rolls-Royce-Mann Kartsen Mühlenfeld oder den früheren Bombardier-Manager Michael Clausecker.
Fest steht, dass es mit Dobrindt, wenige Tage vorher, immer noch keine Einigkeit gibt. Stattdessen gibt sein Agieren Berlin und Brandenburg Rätsel auf, ja lässt den Verdacht aufkommen, dass er eine zügige Mehdorn-Nachfolge torpediert. Dobrindt lässt nicht durchblicken, was er will. Nach Tagesspiegel-Informationen haben sich Bundesverkehrsministerium und Bundesfinanzministerium intern inzwischen aber festgelegt, dass es Clausecker nicht werden soll. Ihm werden die roten Zahlen bei Bombardier angelastet, wegen der er das Unternehmen verließ. Mit Mühlenfeld – der Bund hat sich mit der Personalie inzwischen dem Vernehmen nach vertraut gemacht – könnte der Bund leben, heißt es.
Umso mehr schreckte Dobrindt jetzt Berlin und Brandenburg auf, als er Anfang voriger Woche plötzlich neue eigene Vorschläge für potenzielle Mehdorn-Nachfolger übermittelte. Nach Tagesspiegel-Informationen brachte Dobrindt ausgerechnet Wilhelm Bender, 70 Jahre alt, den früheren Vorstandschef des Flughafens Frankfurt/Main Fraport ins Spiel. Bender allerdings hatte den BER-Chefposten bereits 2013 abgelehnt. Auf der Dobrindt-Liste stehen außerdem dem Vernehmen nach der Düsseldorfer Flughafenchef Thomas Schnalke und Karl-Rudolf Rupprecht, Vorstand für Operations beim Lufthansa-Unternehmen Cargo. Unklar ist, ob die beiden überhaupt zur Verfügung stünden, heißt es dazu. Keiner komme an Mühlenfeld und Clausecker heran.
Auffällig ist, dass Dobrindt bei der Personalie keinen Grund zur Eile sieht. „Es gibt da keinen übertriebenen Zeitdruck“, erklärte er am Wochenende der „Welt“. „Ob wir am 20. Februar einen Nachfolger bestimmen werden, ist offen.“ Und er irritierte obendrein noch damit, dass er langfristig Leipzig als Berliner Zweitairport für denkbar hält, was Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) vorschlägt. „Der Flughafen Leipzig wäre mit der Bahn in 55 Minuten Fahrzeit aus der Berliner Stadtmitte zu erreichen“, sagte Dobrindt. Ein Szenario, das in der Flughafengesellschaft nur Kopfschütteln auslöst.
Bis vor kurrzem lieft es gut zwischen Woidke, Müller und Dobrindt
Dabei hatten Woidke, Müller und Dobrindt bei der Nachfolge Mehdorns zunächst ganz gut zusammengearbeitet. Kurz vor Weihnachten hatten sich die drei verständigt, bis Mitte Januar jeweils Kandidaten zu präsentieren. Beim Treffen im Roten Rathaus lagen dann lediglich Vorschläge Woidkes vor, nämlich Mühlenfeld, Clausecker und der Kölner Flughafenchef Garvens, der aber für Berlin nicht akzeptabel ist, weil er 2006 den Posten ausschlug. Seitdem warteten Brandenburg und Berlin lange vergeblich auf Rückmeldungen Dobrindts.
Mittlerweile nährt dessen Agieren bei den anderen BER-Eignern die Vermutung, dass Dobrindt aus durchsichtigem Kalkül auf Zeit spielt. So wächst das Risiko, dass Mühlenfeld und Clausecker abspringen könnten – und man in der Not auf Dobrindts Verkehrsstaatssekretär Rainer Bomba (CDU) zurückgreifen müsste. Dem wird schon lange Interesse an dem Posten nachgesagt. Und Dobrindt würde Bomba auch gern loswerden, durch einen CSU-Parteifreund ersetzen, heißt es in Kreisen der Bundesregierung. „Es kann sein, dass er übrigbleibt.“ Bomba selbst war nach Mehdorns Ankündigung von den Arbeitnehmervertretern im BER-Aufsichtsrat als Nachfolger vorgeschlagen worden. Er ist aber für Berlin und Brandenburg dem Vernehmen nach „nicht diskutabel“, zumal er als mittlerweile dienstältester Aufsichtsrat bereits vor den mehrfach verschobenen BER-Eröffnungen im Gremium saß. Noch wird gepokert, noch ist alles möglich – auch eine Einigung mit Dobrindt in letzter Minute.
Alles über das BER-Desaster können Sie auch im E-Book des Tagesspiegels nachlesen: Die Akte BER: Vom Versuch, Europas schönsten Flughafen zu bauen.
Thorsten Metzner