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Sieht doch schon fast aus wie eine Technoparty: Als Großraumdisko mit Autobahnanschluss könnte der BER noch eine Zukunft haben, meint unser Autor.
© dpa

Vorstoß von Alexander Dobrindt zum BER: Berliner, fliegt von Leipzig!

Verkehrsminister Alexander Dobrindt schlägt vor, Leipzig/Halle zum Berliner Zweitflughafen zu machen, weil der BER zu klein sein wird. Schon vor zwei Jahren hatte der Tagesspiegel gefordert: "Berlin braucht keinen Airport, sondern eine schnelle Verbindung nach Leipzig."

Der BER wird schon bei seiner Eröffnung zu klein sein. So weit, so bekannt. In einem Interview mit der "Welt am Sonntag" gibt sich Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt jetzt aufgeschlossen für die Idee, "mögliche Synergien zwischen dem BER und Leipzig herzustellen". Schließlich wäre der Flughafen Leipzig "mit der Bahn in 55 Minuten Fahrzeit aus der Berliner Stadtmitte zu erreichen". Details könne man in Ruhe besprechen. Brisant ist der Vorschlag, neu ist er nicht: Vor zwei Jahren war Tagesspiegel-Autor Frank Jansen in einem Kommentar in der Samstagsbeilage "Mehr Berlin" noch radikaler. Er forderte, das mit dem BER einfach komplett sein zu lassen und nur eine bessere Verbindung nach Leipzig zu bauen - lesen Sie selbst:

Ich bin es leid. Nicht nur für heute, nein, für die nächsten Wochen und Monate und Jahre und eigentlich für immer. Ich will nichts mehr vom Flughafen in Berlin-Pleitefeld lesen und hören oder sonst wie damit belästigt werden. Ich fühle mich BER: Belogen. Entgeistert. Rachsüchtig. Und ich will jetzt gar nicht mehr von Berlin und Brandenburg aus fliegen. Nicht vom West-Berliner Museumsflughäfchen Tegel, nicht vom postsozialistischen Alt-Schönefeld, ich würde auch in 20 oder 30 Jahren den dann vielleicht fertiggemurksten Airport Berlin-Brandenburg eiskalt ignorieren.

Und da mein Gehalt als Tagesspiegel-Redakteur nicht ganz reicht, um good old Tempelhof zu kaufen und meinen ganz privaten Luftverkehr aufzuziehen, bevorzuge ich jetzt Flüge von einem Ort aus, der in jeder Hinsicht naheliegt: Leipzig. Pardon, „Leipzig/Halle“, so viel Zeit muss sein. Dieser Flughafen hat einen Vorteil mit ungeheurem Charme: Er steht. Man kann von ihm richtig fliegen. Sogar richtig weit. Und richtig weit weg ist er nun auch wieder nicht.

Vergesst den BER. Fliegen wird hier lange nichts. Und die ab und an recycelte Idee aus den 1990ern, den früheren sowjetischen Militärflugplatz Sperenberg zum Hauptstadt-Airport hochzurüsten, ist ebenfalls Quatsch. Sperenberg liegt bereits 50 Kilometer von der Berliner Mitte entfernt. Warum sollten Berlin, Brandenburg und der Bund da als Nächstes jahrzehntelang planen und bauen und weitere Milliarden in den märkischen Sand setzen, wenn knapp 100 Kilometer südlich in Leipzig ein Interkontinental-Flughafen blinkt? Na also.

Die Stärken von Leipzig/Halle sind offensichtlich. Der Airport ist an die Autobahnen Berlin - München und Dresden - Magdeburg - Hannover angebunden. Am Flughafenbahnhof halten ICEs und Intercity-Züge. Die Fahrzeit vom Hauptbahnhof Magdeburg nach Leipzig/Halle beträgt eine Stunde. Gäbe es eine IC- oder ICE-Direktverbindung zwischen dem Berliner Hauptbahnhof und dem Leipziger Flughafen, wären Passagiere vermutlich ähnlich schnell da. Das Gegenargument, auch der BER wäre mit Autobahn und Eisenbahn liiert, ist erst dann von Interesse, wenn der BER wie Leipzig/Halle funktioniert. Also irgendwann nach der Landung eines Menschen auf dem Mars.

Die Lösung: ein Transrapid nach Leipzig

Leipzig/Halle ist auch sexy, weil dort der Brandschutz funktioniert. Da raucht sich nichts mehr auf. Die Gepäckbänder schnurren, das Personal ist nicht weniger professionell als in Tegel und Alt-Schönefeld. Und Leipzig/Halle hat bislang pro Jahr nur zwei Millionen Passagiere abzufertigen, da ist noch viel, viel Luft nach oben. Außerdem ist den fix-findigen Sachsen zuzutrauen, rasch einen weiteren Terminal in die Landschaft zu setzen, sollte der Zustrom aus Berlin deutlich anschwellen.

Zu diesem Szenario passt eine Utopie, die viele als lächerlich abtun werden: Von Berlin saust ein Transrapid nach Leipzig/Halle. Bei einer Höchstgeschwindigkeit von 500 Kilometern in der Stunde würden Reisende in 20 Minuten von Berlin zum Flughafen schweben. In Zügen, die mehr als 1000 Passagiere befördern können. Außerdem hätte Deutschland endlich eine längere Referenzstrecke. Die Idee einer solchen Transrapid-Verbindung ist auch gar nicht neu. 2003 hat schon Manfred Stolpe, damals Bundesverkehrsminister, darüber nachgedacht. Hätten Berlin, Brandenburg und der Bund den Mut aufgebracht, Stolpe zu folgen, wäre der BER überflüssig geworden. Es kam dann anders.

Gut, der Transrapid ist wohl Zukunft von gestern, auch in Schanghai wird die Strecke nicht weiter ausgebaut. Auf der Route Berlin - Leipzig/Halle ist zudem eine direkte Anbindung billiger zu haben als der Bau einer Transrapid-Trasse. Aber der Verzicht auf Stolpes Vision und das Chaos am BER zeugen gleichermaßen von Piefigkeit: Kühne Pläne werden bänglich verworfen – und dann reicht es nicht einmal für das halbgare Projekt BER.

Oder hat es doch eine Zukunft? Willy Brandt hätte vielleicht gar nichts dagegen gehabt, eine Großraumdisko mit Gleis- und Autobahnanschluss nach ihm zu benennen. Immer noch besser, als seinen Namen für eine Ruine zu opfern.

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