Ausstellung im DDR-Museum: Liebe, Sex und Sozialismus
Eine kleine Ausstellung im DDR-Museum sucht den Zusammenhang von Intimität und staatlichem Liebesbedürfnis zu ergründen.
Das musste ja mal kommen! Liebe, Sex und Sozialismus in einen Topf packen, kräftig umrühren, köcheln lassen, bis es heiß wird, und dann das Ganze auf 26 Wandvitrinen im DDR-Museum verteilen. An diesem Dienstagabend wird die kleine Präsentation im Foyer des Museums eröffnet, sie läuft bis Mitte Juli. Der Eintritt in die kleine Welt eines untergegangenen Landes mit der „Geschichte zum Anfassen“ kostet fast zehn Euro, die Schlange am Ufer der Spree ist lang. Aber der sozialistische Sex ist billig: Eintritt frei.
„Die Sonderausstellung versucht, dem Zusammenhang zwischen den höchst privaten zwischenmenschlichen Beziehungen und dem Anspruch des Staates auf Liebe nachzuspüren“, sagen die Kuratoren Sören Marotz und Stefan Wolle. „Schließlich griffen die ideologischen, sozialen und ökonomischen Verhältnisse der DDR tief in den Bereich der Geschlechterbeziehungen, der Familienplanung und des Alltags ein. Zum anderen gab es eine ausufernde Liebesmetaphorik in der Propaganda der DDR. Die Partei verpflichtete alle Menschen der DDR zu Liebe, Hingabe und ewiger Treue.“ Theoretisch. Aber in der Praxis gehörte liebende Hingabe doch eher dem oder der Nächsten, den Kindern, Eltern, dem Brötchenbäcker, der Autowerkstatt, der schönen Kollegin und der Frau im Gemüseladen. Der DDR-Bürger sah in Liebe und Hingabe an wen auch immer eine große Freiheit, er machte hinter der Gardine, was er und sie wollten, und wenn er fremd ging, dann siegte eher der besondere Kitzel über ein schlechtes Gewissen. Freiheit, die ich meine! Das ging meistens gut, wenn das Objekt der Begierde nicht gerade die bessere Hälfte des Parteisekretärs war. Dann rappelte es in der Kiste, aber wie.
Ein weites Themenfeld
Das Ausstellungsthema ist wirklich schwer zu fassen. Gleich am Eingang knutschen sich Leonid Breshnew und Erich Honecker auf dem bekannten Bruderkuss-Foto: Schwul? Ewige Treue? Liebe? Show? Darauf kann sich jeder seinen Reim machen und den Inhalt der Vitrinen mit eigenen Erinnerungen ergänzen. Natürlich darf das „Magazin“ nicht fehlen mit seinem braun gebrannten weiblichen Akt, jeden Monat einmal, die Verkäuferin am Kiosk sagte nur: „Seite 68, junger Mann.“ Frauen protestierten: „Wir wollen endlich mal einen nackten Mann sehen.“ Der Wunsch wurde erfüllt.
Eigentlich war in der DDR nur die Regierung prüde. Das eine Aktfoto wurde dem Volk pro Monat zugeteilt wie Apfelsinen oder Bananen, im Schulbuch der 8. Klasse wird die Fortpflanzung in Wort und Bild erklärt. Siegfried Schnabls Aufklärungs-Bestseller „Mann und Frau intim“ lag auf vielen Nachttischen oder stand ganz vorn im Bücherschrank.
„FKK war eine jener kleinen Freiheiten für DDR-Bürger, denen die wirkliche Freiheit genommen war“, liest man und erinnert sich an die heißen Tage im Strandbad Müggelsee, wo die nackten Leute nach Bier und Bockwurst anstanden. Im Adamskostüm sind alle gleich. Der Professorenbauch sah nicht anders aus als der vom Gerüstbauer, man konnte es als „Kommunismus pur“ deuten (keine Klamotten, alle sind gleich, keiner ist gleicher) – oder eben auch als gelebte Freizügigkeit. Verbieten war verboten. Schon die Kinder wuchsen damit auf. (Übrigens drehte sich plötzlich der Wind nach der Wende: Neue Gäste, die das alles so gar nicht kannten, rümpften die Nase, und manch eilfertiger Bürgermeister machte aus seinem irdischen Paradies einen Hundestrand). Der FKK-Führer, erzählt uns sein Autor Lutz Rackow, erreichte eine Auflage von 650 000 Stück. Obwohl die Fotos so brav waren wie die ganze DDR sein sollte. Rackow pflegte bei Autogrammen in sein Buch gleich mal etwas Nachdenkliches zu schreiben: „Ohne Freiheit kein würdiges Leben!“ Und das bezog sich nicht nur auf die Badehose.
Mehr Liebe im Osten
Stefan Wolle verweist auf die Fülle der Aspekte, die diese kleine Ausstellung darbietet: Die junge Liebe wurde vom Staat allseits gefördert, es gab Kredite für Ehen und Einrichtungen, Babygeld – als positive Wirkung ging die Geburtenrate in den siebziger Jahren hoch, den roten Sex in seinem Lauf hielten weder Ochs noch Esel auf. Dann kam das Wirtschaftswunder mit Beate Uhses Sexy-Plunder – der DDR-Mensch rannte hin und sagte: „Nu ja, det meiste fand ooch ohne Beate bei mir statt.“
Nachdem uns Erich Mielke aus einer Vitrine zuruft, dass er „doch alle, alle Menschen liebt“, fragen wir Stefan Wolle, worin sich Liebe und Sex in Ost und West unterscheidet. „Ach, man hatte im Osten mehr Zeit für so was, mehr Ruhe, mehr Lust zum Fremdgehen. Man ist unbefangener, es war ja für alles gesorgt, die Kinder willkommen, die Arbeit sicher.“ Nun ist das alles im Museum.
DDR-Museum, Karl-Liebknecht-Str. 1 in Mitte, montags bis sonntags 10 bis 20 Uhr, sonnabends 10 bis 22 Uhr, www.ddr-museum.de, Eintritt ab 5,50 Euro