DDR-Museum in Berlin-Mitte: Ein Gemischtwarenladen für die Werktätigen
Vor zehn Jahren eröffnete das DDR Museum in Mitte. Es gibt viel zu sehen, manche empfinden es als buntes Sammelsurium. Genau das aber kommt nicht nur bei Touristen gut an.
Wo anfangen, wenn über einen Staat geschrieben wird, der seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr existiert und der nur noch im Museum zu besichtigen ist? Beginnen wir doch einfach mal ganz oben, beim Chef. Erich Honecker besucht die berühmte Porzellanmanufaktur in Meißen, alle sind aufgeregt, und verlegen antwortet der Direktor auf eine entsprechende Frage seines hohen Gastes, dass fünf Prozent der Produktion Ausschuss seien. Der Staatsratsvorsitzende ist besorgt: „Reichen die denn für unsere Bevölkerung?“
Im kleinen Witz steckt große Wahrheit: Immer erst der Export ins „k. A.“ (kapitalistische Ausland), dann eine Weile gar nichts und am Schluss die eigenen Werktätigen, denen seit vierzig Jahren eine glorreiche Zukunft versprochen und vorgegaukelt wird. Und das ist ja nur ein My all dessen, was die DDR zu bieten und hinterlassen hat.
Welche Schwerpunkte?
Vor zehn Jahren wurde das DDR Museum in der Karl-Liebknecht-Straße 1 gegenüber dem Dom am Ufer der Spree (wo einst das Palast-Hotel stand) eröffnet. Damals wie heute scheiden sich die Geister, wenn es um die Beurteilung des Konzeptes geht: Soll so viel wie möglich gezeigt werden? Welche Schwerpunkte sind zu setzen? Möchte man einzelne Themen größer behandeln, andere weglassen? Aber welche? Hier hat man sich für einen Gemischtwarenladen entschieden: Wer vieles bringt, wird jedem etwas bringen. Eine Darstellung von Einzelteilen der DDR ist besser als gar nichts, und so rauscht der DDR-Express durchs Museum, und wir gucken zu.
Spannend ist die Vielfalt der Präsentation. Man hebt einen Deckel hoch oder zieht ein Regal auf, und schon stehen sie da, die Repräsentanten namens Ata, Imi und Spee, an der Wand hängt Walter Womackas Bestseller-Bild „Am Strand“ von 1962, gleich daneben ein originales Wohnzimmer mit Schrankwand, Couch und TV mit „Derrick“ oder/und dem „Schwarzen Kanal“, wo Karl-Eduard von Schnitzler auf die Kapitalisten eindrischt, dass die Fetzen fliegen.
Ende August ist die Erweiterung zu sehen
„Geschichte zum Anfassen“ war von Anfang an die Stärke dieses Museums, das jährlich mehr als eine halbe Million Besucher begrüßen kann, vor zehn Jahren für fünf Euro Eintritt, später sechs und nun, nach einem Wechsel an der Spitze, für neun Euro fünfzig. Demnächst soll die Schau noch größer und interessanter werden, leider musste für eine Erweiterung die Domklause – das Restaurant mit Soljanka, Ragout fin und anderen kulinarischen Finessen – geopfert werden. Man tut noch sehr geheimnisvoll, aber zur Langen Nacht der Museen Ende August wird das Neue sichtbar: Das Farbpanorama von Ronald Paris („Lob des Kommunismus“) aus dem Konferenzsaal im einstigen Haus der Statistik am Alex hängt schon an der Wand.
Manch Ausländer, der schon einmal von der DDR gehört hat, findet das Sammelsurium toll, weil man zur Ergänzung der Exponate mit knappen, sachlichen Informationen zumeist zweisprachig gefüttert wird. Und auch lachen kann: Die Säulenheiligen Marx, Engels und Lenin kneifen auf ihren Porträts schon mal ein Auge zu oder lächeln still vor sich hin, als wollten sie sagen: „Okay, Genossen, war nur mal so ein Versuch.“
Der Wunsch, etwas von der DDR zu bewahren, ist groß
Und an einem Monitor kann sich jeder seinen ganz persönlichen neuen Menschen zusammenbasteln und mit dem wahren Vorbild vergleichen. Das allein ist schon das Eintrittsgeld wert, nicht nur FKK-Bildchen, Bücher wie Carola Sterns Ulbricht-Biografie im Giftschrank hinter Gittern, Verhörzelle, Abhörapparate und das mächtige Chorlied, das man nun seit 25 Jahren wieder singen darf – und da möchte es keiner mehr aufführen. Ist doch ein schöner Text, mit Deutschland, einig Vaterland!? Bitte mitsingen! Man darf. Übrigens auch auf einer „Erika“- Reiseschreibmaschine herumhämmern, getreu dem Slogan: „Jeder Buchstabe, den Sie hier tippen, ist schon im Museum. Schreiben Sie Geschichte!“
Spiritus Rector des ganzen Museums ist der Historiker und DDR-Kenner Stefan Wolle, den die 580 000 Besucher im vergangenen Jahr fast ein wenig verlegen machen. Diese Zahl habe mit dem Interesse an Deutschlands jüngster Geschichte zu tun, weniger mit Ostalgie. Und die DDR war, wie man sieht, ein Land voller Geschichten, die nicht über Nacht vergessen sind. Im Gegenteil. Der Wunsch, etwas davon zu bewahren, also im Museum zu berühren, sei groß.
Kleine Objekte gesucht
Täglich kommen neue Angebote: Im Depot in Spandau lagern mehrere hunderttausend Objekte, „so viel können wir gar nicht ausstellen. Ein Dutzend Reiseschreibmaschinen reicht.“ Gesucht werden Stücke mit einer Geschichte, ein altes Trikot vom 1. FC Union oder ein Pink-Floyd-Autogramm, Privatfotos, Reiseführer, Aktivistenorden, Mietverträge, Einberufungsbefehle, Aufsatzhefte ... nur keine großen Objekte.
„Für Schüler, die um das Jahr 2000 geboren wurden, ist dies hier eine fremde Welt, so weit weg wie Neandertal“, sagt Stefan Wolle, „den Engels hat letztens einer für den Nikolaus gehalten.“ Aber Geschichtswissen ist sehr ungleich verteilt: Am klügsten sind beileibe nicht die Brandenburger, sondern die jungen Bayern!