Kreisgebietsreform in Brandenburg: Landesregierung gerät unter Druck
Ein Gutachten zeigt: Die Volksinitiative gegen die geplante Kreisgebietsreform ist zulässig. Die Opposition fordert Rot-Rot auf, nun von "Tricksereien" abzusehen.
Die Ziele der Brandenburger Volksinitiative gegen die von der rot-roten Landesregierung geplante Kreisgebietsreform sind rechtlich zulässig. Zu diesem Ergebnis kommt der Parlamentarische Beratungsdienst des Landtags Brandenburg. Damit kann der Hauptausschuss des Landtags am Dienstag abschließend über die Zulässigkeit befinden, der Innenausschuss kann sich dann inhaltlich mit der Initiative auseinandersetzen.
Mit dem vorliegenden Gutachten ist der rot-roten Koalition aus SPD und Linken faktisch jede Chance genommen, rechtlich gegen das zu erwartende Volksbegehren vorzugehen: Im Landtag läuft es darauf hinaus, dass die Volksinitiative durch die rot-rote Mehrheit binnen der gesetzlichen Frist von vier Monaten abgelehnt wird. Bei dem dann wohl folgenden Volksbegehren könnte die Landesregierung eigentlich vom Landesverfassungsgericht prüfen lassen, ob die Ziele der Initiative überhaupt zulässig sind. Da das Ergebnis des Gutachtens so eindeutig ist, wäre es für die Landesregierung aber schwer zu vermitteln, warum sie vor das Landesverfassungsgericht zieht. Das Gutachten wurde auch mit den Stimmen der Koalition im Hauptausschuss beim Beratungsdienst in Auftrag gegeben.
Eine zweite Möglichkeit wäre, dass ein Drittel der Abgeordneten beim Landesverfassungsgericht gegen die Ziele des Volksbegehrens klagt. „Nach diesem Gutachten kann ich mir aber kaum vorstellen, dass jemand so verrückt ist“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Jan Redmann, am Montag. Für ein Volksbegehren sind binnen sechs Monaten 80.000 Unterschriften in Amtsstuben nötig. Es dürfte nun parallel zur Bundestagswahl sogar mit eigenen Wahlbüros abgehalten werden, weil mit dem Gutachten des Beratungsdienstes keine Interventionen von Rot-Rot mehr zu erwarten sind. Entspricht der Landtag bei einem erneuten Erfolg dem Ansinnen noch einmal nicht, ist ein Volksentscheid möglich. Dabei wären für einen Erfolg rund eine halbe Million Stimmen nötig.
Beratungsdienst: Volksinitiative greife "nicht unzulässig" ein
Der Beratungsdienst stellt in seinem 19-seitigen Gutachten jedenfalls fest, dass die Volksinitiative „nicht unzulässig in die Organkompetenzen des Landtages oder der Landesregierung“ eingreife. „Ihre politische Appellwirkung, die auch die Willensbildung des Landtages beeinflussen kann, ist von der Verfassung gewollt“, heißt es weiter. „Eine Verletzung des Haushaltsvorbehalts ist nicht ersichtlich.“ Die Volksinitiative sei daher nach dem Brandenburger Volksabstimmungsgesetz zulässig. CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben sagte, das Gutachten sei auf Wunsch des Hauptausschusses erstellt worden, weil SPD und Linke Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Forderungen geäußert hätten und ursprünglich die Staatskanzlei mit der Prüfung beauftragen wollten. „Die Zweifel an der Zulässigkeit der Volksinitiative waren an den Haaren herbeigezogen, das belegt das Gutachten mehr als eindeutig“, sagte Senftleben. Der „unsägliche Versuch“ von Rot-Rot, die mit 130.000 Unterschriften erfolgreiche Volksinitiative zu entwerten – die erfolgreichste in der Landesgeschichte – sei gescheitert.
CDU-Fraktionschef fordert Rot-Rot auf, "von weiteren Tricksereien abzusehen"
Der CDU-Fraktionschef forderte Rot-Rot auf, „von weiteren Tricksereien abzusehen“. Jeder weitere Versuch, mit juristischen Winkelzügen die Volksinitiative zu behindern, sende ein fatales Signal an die Bürger aus. „Es ist endgültig Zeit, dass sich die Koalitionsfraktionen inhaltlich mit dem Anliegen der Volksinitiative beschäftigen“, sagte Senftleben.
Von Seiten der Regierungskoalition äußerte sich Linke-Fraktionschef Ralf Christoffers. Er sagte: „Zunächst ist erwartungsgemäß festgestellt worden, dass es keine verfassungsrechtlichen Bedenken gibt.“ Das habe seine Auffassung bestätigt. Jetzt werde sich der Landtag mit der Initiative befassen.
SPD-Fraktionschef Mike Bischoff sagte, die Volksinitiative sei nach dem Gutachten zulässig, weil sie keine rechtliche Bindewirkung habe. „Sie ist demnach kein Gesetzentwurf, sondern entspricht einem politischen Appell.“ Diese juristische Einschätzung eröffne die Möglichkeit, mit den Initiatoren über die Reform der Verwaltungsstrukturen in Brandenburg zu diskutieren. Tatsächlich allerdings hätte ein Volksentscheid mit gleichem Wortlaut den Rang eines Entschließungsbeschlusses des Landtags selbst, wie der Parlamentarische Beratungsdienst feststellte. Und diese Beschlüsse sind für die Landesregierung zumindest politisch bindend. Ein erfolgreicher Volksentscheid hätte also enormes Gewicht.
Lange: "Werden mit den Abgeordneten das Gespräch suchen"
Der Chef der Volksinitiative, der frühere Prignitzer Landrat Hans Lange, sagte: „Wir werden jetzt mit den Abgeordneten das Gespräch suchen und unsere Forderungen erklären.“ Dank des Gutachtens sollte „endgültig Schluss sein mit dem Versuch, uns juristische Steine in den Weg zu tricksen“.
Die Volksinitiative fordert, dass 2019 nicht wie geplant eine Verwaltungsreform durchgeführt wird und stattdessen Kreisfusionen nur auf freiwilliger Basis erfolgen sollen. Zudem soll die Landesregierung die rechtlichen Voraussetzungen für eine bessere Zusammenarbeit zwischen den 14 Landkreisen und vier kreisfreien Städten schaffen. Rot-Rot will deren Gesamtzahl auf zehn begrenzen.
Der Landeswahlleiter Bruno Küpper hat nun auch abschließend festgestellt, dass die Volksinitiative formell erfolgreich war. 20.000 Unterschriften wären für die erste Stufe nötig gewesen, damit sich der Landtag mit der Volksinitiative befasst. Der Landeswahlleiter prüfte von den eingereichten knapp 130.000 Unterschriften genau 40 242. Gültig davon waren 33 716. Weil das Quorum damit erreicht war, musste nicht weiter geprüft werden.