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Wutbürger. Der Oranienstraße 35 in Kreuzburg droht die Räumung.
© Tsp

Gentrifizierung in Berlin: Kreuzberger demonstrieren vor Grunewald-Villa für ihren Späti

Zwangsräumung jederzeit möglich: Dem "Oranienspäti" droht nach 17 Jahren das Aus. Initiativen zogen deshalb vor das Büro des Vermieters.

„Ich bin körperlich total am Ende, es geht hier um meine Existenz“, sagt Zekiye Tunc. Die Frau steht vor einer Altbauvilla im Grunewald und reckt ein Schild mit der Aufschrift „Zwangsräumung verhindern“ in die Höhe. Mit ihr demonstrieren etwa 60 Freunde, Nachbarn und Aktivisten gegen die drohende Räumung des „Oranienspätis“ in der Oranienstraße 35 in Kreuzberg. Ihnen gegenüber haben sich fast doppelt so viele Polizisten schützend vor dem Haus der Immobiliengesellschaft postiert.

Wie dem Oranienspäti geht es unzähligen Geschäften in Berlin. So musste in Pankow kürzlich der Teeladen „Teeater“ nach 20 Jahren umziehen, nachdem die neue Hauseigentümerin den Vertrag gekündigt hatte. Einem Kinderladen in Friedenau wurde nach 38 Jahren der Vertrag nicht verlängert, ein Ausweichobjekt fand sich nur nach einer nachbarschaftlichen Kampagne. Auch das Ende der Bäckerei „Filou“ in Kreuzberg konnte im Frühjahr nur knapp durch die Unterstützung im Kiez verhindert werden.

"Wir wollen die Sozialstruktur erhalten"

Auf einen ähnlichen Erfolg hoffen nun auch die Betreiber des Oranienspätis. Seit sie 1974 nach Kreuzberg kam, betrieb die Familie Tunc insgesamt fünf verschiedene Geschäfte, alle im Umkreis weniger Häuser. Der Späti ist nun seit 17 Jahren eine lokale Institution im Kiez. Der Mietvertrag wurde bereits im vergangenen Jahr gekündigt, die Räumungsklage des Eigentümers gerichtlich bestätigt. Nun droht täglich die Zwangsvollstreckung.

Neben unzähligen Nachbarn unterstützt auch die Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe (SPD) die Proteste: „Wir wollen die Sozialstruktur erhalten, das, was unser Milieu prägt – und dazu gehören auch die lokalen Gewerbe“. Problematisch sei vor allem, dass es nach wie vor keinen Kündigungsschutz für Gewerbetreibende gebe. Kiziltepe engagiert sich auch in der Anwohnerinitiative Bizim Kiez, die gemeinsam mit der Familie Tunc und dem „Bündnis Zwangsräumung verhindern!“ 3150 Unterschriften für den Erhalt des Spätis gesammelt hat. Zu einer Übergabe der Unterschriftenliste kommt es an diesem Tag im Grunewald nicht, die Türen der Immobilienfirma bleiben geschlossen. „Es ärgert mich, dass sie nicht mal mit uns reden wollen“, klagt Zekiye Tunc.

Immobilienfirma: Zu viele Spätis in der Straße

Mit der ebenfalls von Kündigung bedrohten Schneiderei Kabacaoglu, die sich im selben Haus befindet, hat sich die Immobilienfirma nach eigener Aussage auf einen neuen Vertrag geeinigt: „Bei den Konditionen sind wir den Mietern entgegengekommen, wir treffen uns jetzt quasi in der Mitte“, sagte eine Sprecherin.

Über den Oranienspäti wolle sie jedoch nicht diskutieren: „Wir sind der Meinung, dass es schon zu viele Spätis in der Straße gibt.“ Man sei aber bereit, der Familie bei der Suche nach einer neuen Fläche zu helfen.

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