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Wasserschlacht-Flashmob am Brunnen im Lustgarten in Berlin-Mitte. Bei 35 Grad Celsius muss man sich zu helfen wissen.
© imago/Christian Mang

Sommer in Berlin: Ist! das! heiß!

„36 Grad, kein Ventilator. Das Leben kommt mir gar nicht hart vor“, sang einst Inga Humpe. Anderen Berlinern macht die Hitze ziemlich zu schaffen. Eine schwitzige Umschau.

In vollen Zügen

Schwitzen. Wer Bahn oder Bus fährt, erfährt kaum Linderung bei der Hitze. S- und U-Bahnen in Berlin sind nicht klimatisiert, bei der Straßenbahn schaffen nur die modernen Fahrzeuge etwas Kühlung, und in den Bussen mit Klimaanlage öffnen Fahrgäste häufig die Klappfenster, so dass die Wirkung der Anlage verpufft, was durch das stetige Öffnen der Türen an den Haltestellen verstärkt wird.

Ohnehin kann aus einem Bus keine Kältekammer werden. Klimageräte verringern die Temperatur nur um wenige Grad, was aber, wenn es funktioniert, schon Abkühlung verschaffen kann. Klimaanlagen im Regional- und Fernverkehr würden intensiv kontrolliert, teilte die Bahn mit.

Sollten sie trotzdem ausfallen, würden zusätzliche Wasservorräte gratis an die Fahrgäste verteilt. Bereits im normalen Betrieb müsse mit einem Ausfall von zwei bis drei Prozent der Klimaanlagen gerechnet werden. Zur Zeit gebe es aber keine auffällige Häufung.

Für die eigenen Mitarbeiter schenkt die BVG anders als in früheren Jahren keinen Tee mehr aus. Für Busfahrer hatte man mobile Stationen geschaffen. Inzwischen gebe es in den Betriebshöfen Wasserspender, sagte Sprecherin Petra Reetz. Busfahrer könnten auch Trinkflaschen für ihre Ablösung mitnehmen.

Die Bahn denkt auch hier an ihre Fahrgäste. Auf Stationen mit Servicemitarbeitern gebe es einen Wasservorrat, der bei besonderen Ereignissen an die Reisenden verteilt werde, sagte ein Sprecher.

Schleck, schleck

Es gibt wohl wenig, das bei der Hitze begehrter ist als eine kalte Kugel Eis – oder zwei. Vor der Eispatisserie Hokey Pokey in Prenzlauer Berg stehen die Berliner in diesen Tagen in einer noch längeren Schlange als sonst. Eigentlich hatte sich Inhaber Niko Robert auf ein entspanntes Jahr eingestellt, wie er sagt.

Stattdessen habe er zwei zusätzliche Mitarbeiter eingestellt, um seinen Kunden genügend Abkühlung zu bieten. „Die Sorten werden saurer und fruchtiger bei dem Wetter“, sagt der Betreiber. Im Hokey Pokey gibt es ausgefallene Sorten wie Bergamotte-Blutorange. Zitrone-Zimt sei im Moment der Verkaufsschlager, sagt Robert. Nach den heißen Wochenenden dieses Sommers sei das Lager der Eisdiele leergefegt und müsse aufgefüllt werden – die eine oder andere begehrte Sorte sei am Sonntagabend schon aus.

„Es läuft wie geschmiert“, sagt auch Olaf Höhn, der Geschäftsführer der Berliner Eismanufaktur Florida Eis über die bisherige Saison. Der Umsatz sei im Juni wesentlich besser ausgefallen als im verregneten Vorjahr.

Vor Engpässen in der Eisversorgung hat Höhn keine Angst. Seit 1985 ist er im Geschäft und hat seine Lehren daraus gezogen, dass es an seinem ersten Wochenende kein Vanilleeis mehr gab. Der Renner in den beiden Eisdielen in den Spandau Arcaden und in der Klosterstraße in Spandau sei aktuell die Sorte Waldmeister. Wenn es kühler wird, fragen die Kunden dann wieder mehr nach Milcheis, sagt er.

Filmgenuss unterm Sternenhimmel

Raus ins Kino! So rappelvoll wie in dieser Sommersaison waren Berlins Open-Air-Kinos schon lange nicht mehr. „Ein wahrer Boom“, freut sich Katja Schubert von der Yorck-Kinogruppe, die traditionell am Kulturforum zum Kinovergnügen unterm Sternenhimmel einlädt.

„Ein großes Glück“, sagt Nicole Kühner von den Betreibern der drei Freiluftkinos im Volkspark Friedrichshain, Volkspark Rehberge in Wedding sowie im Innenhof des Kreuzberger Künstlerhauses Bethanien.

Mit Schaudern denken die Veranstalter ans regennasse vergangene Jahr zurück, als viele Vorstellungen ausfielen. Aber jetzt – „am Wochenende waren wir ausverkauft“, heißt es bei der Yorck-Gruppe, und das, obwohl am Kulturforum gut 750 Besucher Platz haben.

Im Kreuzberger Bethanien gibt’s sogar Liegestühle zum Ausleihen, ein Luxus, für den man in warmen Sommernächten unbedingt früh anstehen sollte, sonst sind sie alle weg. Überhaupt, Bethanien gilt unter Open-Air-Fans als wunderbar romantischer Ort. Außerdem werden dort alle Filme im Originalton mit Untertiteln gezeigt.

Doch auch das Kino Rehberge, es war einst eine Freiluft-Operettenbühne, hat zahlreiche Liebhaber, schließlich liegt es mitten im Wald. Es wirkt irgendwie so schön verwunschen. „Ausverkauft!“ ist hier allerdings auch mal möglich, während man im Friedrichshain selbst am schönsten Sommerabend noch locker einen Platz findet. Bis zu 2000 Besucher passen dort auf die Ränge.

Was wird am Dienstag, dem 24. Juli in den genannten Open-Air-Kinos Kinos jeweils ab 21.30 Uhr gespielt? Am Kulturforum läuft „Die Unsichtbaren“, in Kreuzberg „The Big Lebowski“, in den Rehbergen „I, Tonya“ und im Volkspark Friedrichhain „Deadpool 2“. Die warme Sommernacht ist im Preis inbegriffen.

Die Sorgen auf dem Feld

„Wie ich die Hitze finde? Schrecklich!“, schimpft Landwirt Werner Mette. Er ist gerade mit dem Trecker unterwegs, fährt von der Mühle in Spandau zurück zu seinem Hof im Neuköllner Ortsteil Buckow, während er mit dem Tagesspiegel telefoniert.

Wegen der ständigen Trockenheit konnte er in der Mühle nur halb so viel Weizen abliefern wie in den vergangenen Jahren. „Egal ob Weizen, Roggen, Gerste oder Hafer, die Halme sind mickrig, die Ähren enthalten viel weniger Körner“, erklärt er.

Die Ernte reiche gerade noch, um sein Vieh zu füttern. Aber er muss auch viel Getreide verkaufen, nur so kann Mette seinen Hof am Buckower Damm finanziell absichern. Den Hof hat er vor gut dreißig Jahren von seinem Vater übernommen. Doch die Rechnung sieht derzeit „äußerst schlecht“ aus: „Vier Tonnen Getreide pro Hektar müssen wir erwirtschaften, um finanziell zu überleben“, sagt Mette.

„Fünf wären schön. Jetzt sind es nur zwei Tonnen pro Hektar.“ Der Buckower Landwirt wünscht sich also nichts mehr als Regen. Die aktuelle Ernte lässt sich zwar nicht mehr retten, aber er braucht auch im August dringend Feuchtigkeit. Warum? „Um die neue Aussaat fürs kommende Jahr vernünftig in die Erde zu bringen“.

Den Kartoffeln auf dem Landgut Domäne Dahlem kommt die Hitze genauso ungelegen. Sie hätten zwar durch den Regen vor zwei Wochen keimen können, dicke Kartoffeln werde es aber in diesem Jahr nicht geben, sagt Direktorin Marit Schützendübel.

Ganz anders sieht es bei den mediterranen Gemüsesorten aus: Kürbisse, Zucchini und Tomaten würden gut reifen. Auch die Beerenernte sei sehr reich ausgefallen. „Viele Mitarbeiter haben den Urlaub verschoben, weil so viel zu tun war“, sagt Schützendübel. Eines wird auf jeden Fall rekordträchtig: die Wasserrechnung.

Lüften, kühlen, trinken

Sicher, die meisten Berliner und fast alle Touristen freuen sich: Nun kommt er doch, der Sommer. Für Senioren, Kleinkinder und viele Erkrankte können die Temperaturen jedoch gefährlich werden. In Pflegeheimen wird in diesen Tagen deshalb oft gekühlt: entweder durch Klima-Anlagen, was nicht übertrieben werden sollte, oder durch geschicktes Lüften, wobei Zugluft zu meiden ist.

An sehr heißen Tagen empfiehlt es sich, die Fenster am besten am frühen Morgen und am späten Abend zu öffnen, das Schlafzimmer sollte auch tagsüber dunkel bleiben. Wer aufmerksam durch die Stadt fährt, sieht deshalb schon jetzt zur Hälfte heruntergelassene Rollläden vor den Fenstern von Heimen und Kliniken.

In vielen Pflegeeinrichtungen, aber auch Krankenhäusern und Seniorenwohnungen achten Angehörige, Helfer und Personal verstärkt darauf, dass Bewohner und Patienten ausreichend trinken. Die einst üblichen Empfehlungen à la „Am besten vier Liter am Tag!“ wurden inzwischen modifiziert – eher mehr als weniger Flüssigkeit sollte man dennoch zu sich nehmen.

Weil ältere, besonders gefährdete Senioren zu allem Überfluss auch noch zur Vergesslichkeit neigen, raten einige Ärzte: Zu jeder Stunde einen Becher Wasser trinken. Körperliche Anstrengungen sind zu vermeiden. Wenn Senioren durch die Sonne laufen wollen, am besten eine Kopfbedeckung tragen, die einen großflächigen Schatten wirft.

Wer sich wegen der Wärme beim Einschlafen quält, dem empfehlen Krankenkassen und Pflegekräfte vor dem Zubettgehen eine kühle, aber nicht zu kalte Dusche. Danach nicht abtrocknen, die Tropfen besser verdunsten lassen – das führt zum Abkühlen der Haut.

Klaus Kurpjuweit, Christoph Stollowsky, Hannes Heine

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