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Einfach mal fließen lassen. Berlin hat mehr als genug Wasser.
© p-a/dpa/Oliver Berg

Falsche Sparsamkeit: Berliner, verschwendet Wasser!

Die Toilette nur ganz kurz spülen, teure und effiziente Waschmaschinen kaufen, jeder Tropfen zählt. Klingt ökonomisch und ökologisch vernünftig – ist in Berlin aber einfach nur Quatsch.

Wie? Nur Energieeffizienzklasse A? Du Umweltschwein! Ob Bauknecht, Beko oder Bosch: Beim Kauf einer neuen Waschmaschine muss es für aufgeklärte Konsumenten heute „A+++“ sein. Diese Oberklasse erreicht ein Gerät unter anderem dank patentierter Systeme: die heißen „ActiveWater“ oder „waterPerfect“. Die Hersteller werben damit, dass Sensoren das Gewicht der Wäsche ermitteln und so die optimale Menge. „Jeder Tropfen zählt“, heißt es in einem Werbespot. Und: „Keine Wasserverschwendung und weniger Kosten.“

Das klingt total einleuchtend. Und ist doch, besonders in Berlin, der größte Quatsch – und nur ein Teil des Problems mit dem Wassersparen: Die Industrie und manche Fraktion der Öko-Fundamentalisten sind in diesem Punkt zu einer seltenen Allianz verklebt. Sie packen uns bei der urdeutschen Ehre: Sparsamkeit (oder wahlweise der „nachhaltige Umgang mit Ressourcen“). Das ist eine Tugend.

Der Kauf einer wassersparenden Waschmaschine amortisiert sich niemals

Ja, irgendwie schon. Aber erstens kann man Wasser nicht „sparen“, da man es auch nicht „verbrauchen“ kann: Es wird dem Kreislauf ja sofort wieder zugeführt. Es ist womöglich verschmutzt, aber nicht wie Gas oder Öl in klimaschädliche Moleküle zerlegt – oder so. Und zweitens: Die Menge Wasser, die wegen dieser billig hergestellten, aber teuer bezahlten „Sensoren“ nicht durch ein Gerät geschleust wird, ist so gering und so billig, dass sich der Kauf einer wassersparenden Waschmaschine nie, nie, niemals amortisiert.

Etwas mehr als vier Euro kosten in Berlin 1000 Liter Trinkwasser (1,81 für die Entnahme, 2,21 für das abgegossene Schmutzwasser plus ein variabler Grundpreis). Eine moderne Maschine braucht im Schnitt 50 Liter pro Waschgang. Das kostet also 20 Cent – plus Strom versteht sich. Man kann die Wasserkosten mit einer supertollen Maschine um wenige Cent drücken. Das rechtfertigt aber ökonomisch wirklich nicht den Mehrpreis von mehreren hundert Euro, die viele Verbraucher bereit sind, für die Anschaffung eines wassersparenden Gerätes auszugeben.

Und ökologisch auch nicht! Zumindest nicht in Berlin. Der Name der Stadt ist slawischen Ursprungs und bedeutet bekanntlich „Ort im Sumpf“. Unsere Stadt liegt geologisch im Warschau-Berliner Urstromtal. Mit anderen Worten: Es gab, gibt und wird hier auf absehbare Zeit mehr als genug Wasser geben. Und seit der Abwicklung vieler wasserintensiver Industriebetriebe in den 1990er Jahren steigt der Grundwasserspiegel. Die Berliner Wasserbetriebe bauen daher sukzessive Brunnen ab.

Nasse Keller, Schimmel, steigendes Grundwasser

Die Industrie und Handelskammer (IHK) hat errechnen lassen, dass 33 Quadratkilometer oder neun Prozent der bebauten Fläche Berlins akut von diesem Grundwasseranstieg bedroht sind: Es gibt nasse Keller, Schimmel, viele Anlagen der Haustechnik in Betrieben und Wohnhäusern würden so zerstört. Die IHK fordert Milliardeninvestitionen des Landes, um Berlins Boden zu entwässern. Wer heute zwischen Köpenick und Spandau ein Haus samt Keller bauen will, muss es meist in einer teuren Wanne errichten lassen.

Bei den landeseigenen Wasserbetrieben würde man sich auf Anfrage nicht dem pauschalen Aufruf „Verschwendet mehr Wasser!“ anschließen. Aber über sparsame Waschmaschinen und Spülstopp-Tasten an Klos, die nur noch zwei Liter abgeben, macht man sich dort trotzdem lustig. Und man räumt ein, dass es pro Jahr immerhin sieben Millionen Euro kostet, um Frischwasser und Rostschutzmittel durch Gullis und unterirdische Kanäle zu spülen, damit diese wegen des wenigen Abwassers im Sommer nicht stinken und vergammeln.

Ja, Politik-Analysten sagen, die Kriege der Welt werden in Zukunft nicht mehr um Öl geführt, sondern um Süßwasser. Wassermangel treibt Menschen in die Flucht. Und es gibt honorige und bundesweit aktive Initiativen wie „Viva con Agua“ aus Hamburg, die auch in Berlin teure Tafelwässerchen in Flaschen verkaufen, um Brunnenbau und damit Gesundheit und Hygiene in staubtrockenen Ländern zu finanzieren. Da sollte man mitmachen – und es zu Hause einfach öfter mal fließen lassen.

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