Einkaufszentrum am Leipziger Platz: In der „Mall of Berlin“ läuft nicht alles rund
Nach einem halben Jahr kehrt Ernüchterung in der „Mall of Berlin“ ein, die eines der größten Shoppingcenter Berlins ist. Einige Händler klagen über wenig Kundschaft. Dagegen sieht der Bauherr eine rekordverdächtige Entwicklung.
Als Bauherr Harald Huth am Leipziger Platz vor einem halben Jahr seine „Mall of Berlin“ mit der Rekordzahl von 270 Geschäften öffnete, war die Neugier der Berliner und Touristen groß: Das Shoppingcenter in der östlichen Stadtmitte, errichtet an der Stelle des einst berühmten Wertheim-Warenhauses, erlebte einen Ansturm. Inzwischen bietet sich oft ein anderes Bild.
So ging es vorigen Freitagnachmittag eher ruhig zu, obwohl diese Zeit normalerweise zu den umsatzträchtigsten im Einzelhandel gehört. Auch am Sonnabend, dem traditionell stärksten Einkaufstag, herrschte Gedränge nur im „Food Court“ mit den Selbstbedienungsrestaurants.
Einige Händler zeigen sich ernüchtert: „Der Hype ist vorbei“, findet nicht nur die Verkäuferin in einem Modeladen in der zweiten Etage. Berliner Kunden hätten wohl festgestellt, dass es die meisten Angebote auch in anderen der fast 70 Berliner Einkaufszentren gebe.
In der dreistöckigen Filiale des Herrenausstatters Wormland erzählt eine Mitarbeiterin, außer sonnabends sei das Kundeninteresse „schwach“. Ein Berliner Mittelständler, der unter anderem Geschenkartikel verkauft, sagt, sein Stammgeschäft in der Nähe laufe besser als der neue Laden in der Mall.
Manche Läden stehen leer
Mehr als ein Dutzend Geschäfte steht leer. So hat der Neuköllner Familienbetrieb „Feinkost Kropp“ seine Filiale aufgegeben. Zu den Gründen will sich die Firma nicht äußern, da sich ein Rechtsstreit anbahne. Es dürfte um den Ausstieg aus dem Mietvertrag gehen, der in der Regel zehn Jahre lang gilt.
Auch die Fischimbisskette „Nordsee“ zog Anfang März aus. „Konzept und Ausrichtung des Centers“ hätten sich anders entwickelt als erwartet, sagt Sprecherin Jutta Rubach. Mehr will auch sie nicht sagen, offenbar wegen Verhandlungen mit dem Centermanagement.
Die wenigsten Besucher sind im Untergeschoss zu sehen. Dort hatte die Einrichtungskette „Depot“ bereits damit begonnen, ihre Filiale zu räumen. Doch Anfang voriger Woche füllten sich die Regale plötzlich wieder. Laut Angestellten war es zu „einer Einigung mit dem Vermieter“ gekommen – das bedeutet vermutlich günstigere Mietkonditionen.
Mehr als zehn Millionen Besucher
Ist die große Zeit der „Mall“ also schon wieder vorbei? Huths Investorenfirma HGHI sieht es anders: „Noch nie hat in Deutschland ein Shopping-Quartier erfolgreicher eröffnet“, heißt es, seit der Eröffnung am 25. September „durften wir mehr als zehn Millionen Besucher in unserem Objekt begrüßen“. Im Vergleich zur Gesamtzahl von 270 Läden und Lokalen sei der Leerstand gering. Außerdem seien beispielsweise der Spielzeugladen „Imaginarium“ und die Modeboutique „Madonna“ deutschlandweit in die Insolvenz geraten – das habe „erst einmal grundsätzlich nichts mit dem Standort Leipziger Platz zu tun“.
Etwas anders stellt es der Ex-Betreiber des „Maulwurfshops“, René Schwarze aus Sachsen, dar. Auch seine Firma ist insolvent, es gibt aber noch den ursprünglichen Laden in Dresden und einen Onlineshop. In der Mall of Berlin sei außer sonnabends „sehr wenig los“ gewesen, sagt Schwarze. Das sei zumindest „mit ein Grund“ für die Probleme der Firma.
Das Centermanagement nennt nur noch wenige berechtigte Kritikpunkte. Man arbeite zum Beispiel noch an einer „besseren Sichtbarkeit“ der Mall vom Potsdamer Platz aus und an der Ausschilderung des Parkhauses.
Der Handelsverband findet die Entwicklung normal
„Es gibt immer eine Phase, in der die Mühen der Ebene beginnen“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg, Nils Busch-Petersen. Erfahrungsgemäß gerieten in neuen Centern etwa zehn Prozent der Läden in den ersten Monaten in Schwierigkeiten oder müssten schließen. Am Leipziger Platz spiele sich ein „normales Warmlaufen“ ab. Das Projekt, zu dem ein ganzes Stadtquartier mit Wohnungen, Büros und einem Hotel gehört, sei eine „große Investition in die Zukunft“. Er höre von Händlern in der Mall „überwiegend positive“ Meinungen, sagt der Verbandschef.
Tatsächlich zeigt sich beispielsweise das Modelabel „Look54“ sehr zufrieden. Es verkauft seine Bekleidung mit Berlin-Bezug vor allem an die vielen Touristen. Zum Erfolg trägt maßgeblich die Lage des Ladens gleich rechts hinter dem Haupteingang bei.
Einzelhandelsexperte rechnet mit Anlaufzeit
Zuletzt sei die Leipziger Straße aber „eben kein Einzelhandelsstandort“ mehr gewesen, sagt Branchenkenner Christoph Meyer. Er ist mit seiner Firma CM Best Retail Properties auf Einzelhandelsimmobilien spezialisiert und leitet ehrenamtlich den Stadtentwicklungausschuss der IHK Berlin. „Es braucht eine etwas längere Anlaufzeit“, sagt Meyer. Es gebe rundum wenig Anwohner, die das Center „als das ihre betrachten könnten“. Also komme es auf die Touristen an.
Die genannte Besucherzahl beeindruckt Meyer nicht so sehr: Zehn Millionen Gäste „sind ja nicht zehn Millionen Kunden“.
Noch gibt es Brandschutzmängel
In die Schlagzeilen war die Mall zunächst wegen der um knapp vier Monate verspäteten Eröffnung geraten. Danach gab es Aufregung um Brandschutzmängel und Ärger um Bauarbeiter, die von Subunternehmern nicht bezahlt wurden. An den Brandschutzanlagen werden laut HGHI „gerade Restarbeiten durchgeführt“. Leider funktioniere die Weiterleitung von Alarmen an die Feuerwehr noch immer nicht; in der Alarmzentrale seien weiterhin Brandschutzwachen tätig, um die Feuerwehr im Notfall anzurufen. Man stehe in „engster Abstimmung“ mit dem Anlagenhersteller Bosch und der Feuerwehr, damit alles bald funktioniere.
Wanderarbeiter verklagen Subunternehmer
Unterdessen verklagen rumänische Bauarbeiter ihre früheren Arbeitgeber auf Zahlung des Bau-Mindestlohns. Gegen eine Firma wurden soeben die Klageschriften beim Arbeitsgericht eingereicht. Gegen ein zweites Unternehmen will Rechtsanwalt Sebastian Kunz, der die Arbeiter vertritt, in den nächsten Tagen vorgehen. Den Rumänen seien fünf Euro Stundenlohn und ein Arbeitsvertrag versprochen worden, beides hätten sie jedoch nie erhalten, sagt er.
Wochenlang haben Betroffene mit dem Slogan „Mall of Shame“ vor dem Center protestiert. Die Gewerkschaft Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU) unterstützt sie. Die Baufirmen waren Subunternehmer des mittlerweile insolventen Generalunternehmers FCL. Sollte der Lohn bei ihnen nicht einholbar sein, will Anwalt Kunz den Generalunternehmer Andreas Fettchenhauer verklagen – oder notfalls sogar den Bauherren Harald Huth.
Cay Dobberke
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