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Mall of Berlin am Leipziger Platz: Jetzt Mall ehrlich

Hunderte kamen zur Eröffnung ins neue Zentrum am Leipziger Platz. Das Gebäude wirkt elegant, allerdings nervt die Musik. Ein erster Rundgang durch die "Mall of Berlin".

Knapp zehn Minuten nach der Eröffnung ging der erste Kunde schon wieder hinaus, fuhr die Rolltreppe hinunter mit einem Fernsehgerät unter dem Arm – der zielstrebigste von allen. Die meisten anderen Besucher der neuen „Mall of Berlin“ am Leipziger Platz gehörten eher zu den Schaulustigen, die ein paar ziellose, aber unterhaltsame und durchaus entspannte Stunden im Shopping-Tempel verbrachten.

Denn dort ging es zumindest am ersten Vormittag überraschend ruhig zu. Exakt um zehn Uhr hatte Mittes Baustadtrat Carsten Spallek die massive Schere gepackt, angereicht auf einem Samtkissen von drei professionell lächelnden, in roten, schulterfreien Abendkleidern bibbernden Grazien. Dann säbelte er los, schön langsam, damit die Fotografen auch was zu fotografieren hatten, und der Weg war frei. Doch die großzügig eingeteilten Sicherheitskräfte hatten nichts zu tun, die Menge wartete zunächst diszipliniert in der Distanz, und nach nicht einmal einer Minute waren schätzungsweise fünfhundert überwiegend recht junge Neugierige im Inneren verschwunden, wo es dann alsbald aussah wie in einem normalen, gut besuchten Einkaufszentrum, kein Gedränge, keine Wühltischatmosphäre, keine Schnäppchenjagd.

Denn umsonst gab es nichts, und die Sonderangebote waren entweder sparsam dosiert oder – wie bei Saturn – gleich mit dem Hinweis versehen, dass es sie auch in jedem anderen Markt der Kette gebe. Dennoch war es der Elektromarkt, der seiner Funktion als „Ankermieter“ gerecht wurde und anfangs die meisten Besucher anzog, während sich das Interesse an den edleren Bekleidungs- oder Kosmetikgeschäften zunächst auf die Schaufenster konzentrierte – der Berliner liebt das Vertraute.

Das Adlon der Berliner Einkaufspassagen

Und vertraut ist ihm die neue „Mall“ sicher noch nicht. Sie wirkt – zumindest unten und in der 23 Meter hohen Piazza – großzügig, elegant und durchaus stilvoll gestaltet, sozusagen das Adlon der Berliner Einkaufspassagen, Vorbildern in Singapur oder Dubai durchaus ebenbürtig, jedenfalls, was die Gestaltung angeht. Entsprechend drängt sich auch kein Geschäft mit greller Werbung nach vorn, Rabatte werden, sofern es sie überhaupt gibt, sehr dezent angekündigt. Und die beiden halb nackten Jungs mit Sixpack und Badehose, die neben einem gigantischen Blumentopf ausgerechnet für einen Jeansladen posierten, dürften eher untypisch sein für das hier angepeilte Geschmacksniveau. Nur die immer präsente Musikbeschallung nervt, und da und dort wird wohl auch penetrantes Parfüm in die Ladenluft gepustet.

Das Konzept der Mall ist klar. Im Vordergrund stehen die bekannten und in der Stadt schon lange präsenten Umsatzbringer wie H&M, Peek und Cloppenburg, Saturn, Zara und Sport-Scheck. Im Keller unter ihnen findet die Grundversorgung mit Aldi, Kaiser’s und dm statt, ergänzt um ein paar kleinteilige Einzelhändler sowie den Hertha-Fanshop.

Die Ecke zur Wilhelmstraße hin ist das, was Harald Huth, der Boss, den Premium-Bereich nennt; dort geht es mit Marken wie Boss, Patrizia Pepe, Armani Jeans und Karl Lagerfeld etwas weniger volkstümlich zu. Im ersten Geschoss dominieren die oberen Hälften der großen Geschäfte, ergänzt um Bekleidung mittleren Preisniveaus. Auffällig ist, dass die Schuhgeschäfte durchweg der Billigkategorie angehören, „Clarks“ und „Navyboot“ ausgenommen. Auch Bayern München hält hier Hof. Berlin-Premiere, eine der ganz wenigen, feiert der norddeutsche Bekleidungsspezialist Wormland mit einem großen, modisch cool hergerichteten Shop über zwei Etagen.

Der zweite Stock ist der „Foodcourt“, bietet also Imbisskost in allen erdenklichen Geschmacksrichtungen von McDonald’s über Nordsee bis Thai, durchweg billig und SB. Anspruchsvollere Küche fehlt völlig, genauso wie drunten sämtliche internationalen Imponier-Label – womit viel Luft nach oben bleibt zur Konkurrenz in KaDeWe und Quartier 206.

Am Mittag kam der Hunger. Lange Schlangen vor Falafel und Currywurst, Pizza und Wienerwald-Hähnchen, Leere in eleganten Markenshops. „Praktisch noch nichts verkauft“, sagt eine Mitarbeiterin, „aber das ist normal, die Leute müssen sich erst an uns gewöhnen.“ Dazu ist nun fast pausenlos Gelegenheit, sogar am kommenden Sonntag. Wer nicht am Berlin-Marathon teilnimmt, könnte es also durchaus mit einem Shopping-Marathon versuchen.

Bernd Matthies

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