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Am liebsten raus zu den Freunden, aber das geht nur noch eingeschränkt.
© privat

Wie Kinder die Corona-Krise erleben: „Ich habe Angst, dass die Ausgangssperre kommt“

Es ist langweilig, die Eltern sind oft schlecht gelaunt und es gibt neue Verbote. Aber die Corona-Krise hat auch positive Seiten. Ein Gespräch mit den Söhnen.

Papa ist im Homeoffice, Mama auch, Oma und Opa dürfen nicht besucht werden, die Schule ist zu, der Fußballverein auch. Plötzlich herrschen andere Regeln, die neu aufgestellt werden müssen. Es gibt Streit, Ängste – aber es gibt auch schöne Seiten. Ein Gespräch mit den Söhnen.

Heute ist der dritte Tag, an dem die Schule zu ist. Wie geht’s Euch damit?
Sohn 1 (15 Jahre): Geht so. Ist schon jetzt langweilig…
Sohn 2 (10 Jahre): Ja, oft langweilig. Wir können uns nicht einfach verabreden, nicht quatschen mit den Freunden, nur am Telefon…

Was nervt am meisten?
Sohn 1: Nicht rausgehen zu können, um sich auf dem Fußballplatz zu treffen.
Sohn 2: Ist ja nicht nur Fußball, wir können nicht einmal schwimmen gehen, weil alles zu ist, können kaum Freunde sehen. Meine Fußball-Kumpels auch nicht, und die sehe ich sonst sehr oft, weil wir viel trainieren und an den Wochenenden Turniere oder Spiele haben.

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Ihr seid ja trotzdem rausgegangen, was haben denn ich und Mama dazu gesagt?
Sohn 1: Ihr habt Euch eingemischt und gefragt, mit wie vielen Freunden ich mich treffe. Wir waren eigentlich viel mehr, wolltest du dann nicht…

Das hat dich geärgert?
Ja, schon. Erst. Aber wir wären tatsächlich viele gewesen, am Ende haben wir uns am Telefon besprochen, waren dann nur zu Dritt auf dem großen Fußballplatz, auf Abstand, haben auch keine Videos auf dem Handy zusammen geschaut. Nur gekickt. Einen haben wir sogar weggeschickt…
Sohn 2: Ich wollte mich über Facetime mit einem Freund verabreden, wir hatten ja Regeln besprochen, nur draußen, nur zu Zweit, keine Handys, auf Abstand. Dann habe ich am Telefon zweimal gehustet und der Vater von meinem Freund hat gesagt, das gehe jetzt doch nicht. Wegen meines Hustens. Das fand ich doof.

Auch Du bist aber rausgegangen
Mit einem anderen Freund. Der Fußball-Platz war gesperrt, aber ein Bauarbeiter hat uns einfach raufgelassen, wir haben Frisbee und Fußball gespielt.

Wie viele andere waren auf dem Gelände?
Ganz wenig. Zwei Mädchen haben irgendwo auf der Wiese gesessen, dann noch auf dem anderen Platz drei Jungs. Und dann bist du ja gekommen.

Und was ist ausgerechnet dann passiert?
Plötzlich war da die Polizei, drei Polizistinnen, obwohl eigentlich so gut wie niemand da war. Die haben gesagt, wir müssen runter, weil alle Sportplätze gesperrt sind.

Alles leer. Fast. Gelände von Hertha 03 Zehlendorf.
Alles leer. Fast. Gelände von Hertha 03 Zehlendorf.
© privat

Hat Dich das geärgert?
Na, Dich doch auch! Ich hab's ja kapiert, aber das Gelände ist wirklich riesig, und fast niemand war da, aber ganz in der Nähe, im Fischtal…

Einem Park…
…war alles voll, viele Jugendliche und Gruppen, die haben da gespielt, geraucht, getrunken und hatten Spaß. Wir durften nicht mal ein paar Bälle spielen. Dann sollen die doch auch die Parks schließen, das wäre dann gerecht.

Wie funktioniert das jetzt mit dem Unterricht?
Sohn 1: Geht gut. Wir haben eine Onlineplattform, wo die Lehrer mit uns kommunizieren können und Aufgaben hochladen. Das klappt im Moment.

Aber Du hast dich doch schon über Dinge aufgeregt?
Sohn 1: Ich hab einfach Angst davor, dass sich niemand von denen abspricht und alle Lehrer gleichzeitig Aufgaben hochladen. Ist jetzt auch schon viel.

Sprechen die sich denn sonst gut ab?
Sohn 1: Eben nicht. Die denken einfach nur an ihr Fach, es gibt viel zu wenig Absprachen zwischen denen. Wir schreiben zu normalen Zeiten dann vier Arbeiten in einer Woche und dann passiert wieder wochenlang nichts. Und deshalb denke ich, dass die jetzt denken, wir laden einfach mal schön viele Aufgaben hoch, die Schüler haben ja eh jetzt Zeit.
Sohn 2: Als bei uns noch Schule war, haben sich unsere Lehrer manchmal auch nicht abgesprochen, sondern wir hatten schon in einer Woche mal Arbeiten in Englisch, Mathe und Deutsch. Mit meinem Fußball-Training dreimal in der Woche plus Torwarttraining wird es dann ganz schön eng. Aber ich kann ja nicht nur vor den Heften sitzen.

Und jetzt?
Sohn 2: Jetzt mache ich die Aufgaben, die wir bekommen haben. Mit Mama. Manchmal streite ich mich mit ihr. Das nervt. Aber wir haben auch schon Sport eingebaut, die von Alba, der Basketball-Verein, die machen eine Stunde Sport für alle. Auf Youtube. Immer um 10 Uhr.

Was nervt Euch denn gerade an uns?
Sohn 2: Generell streitet ihr öfter, ihr seid ja nicht immer einer Meinung, was man jetzt macht oder nicht.
Sohn 1: Ihr seid schon öfter schlecht gelaunt und werdet schneller laut.
Sohn 2: Mama ist ja auch traurig und wütend, dass ihre Arbeit jetzt total ausfällt und sie weniger verdient. Das merke ich ja schon.

Gibt es auch was Positives?
Sohn 2: Bei den Schularbeiten können wir jetzt Euch immer fragen. Abends haben alle mehr Zeit.
Sohn 1: Wir reden viel mehr miteinander, klären die Sachen auch auf, wenn Du oder Mama mal laut werden, erklärt ihr's schneller. Wenn man Hilfe braucht, ist immer jemand da. Ich kann mir auch alles besser einteilen…

Ein normaler Trainingsabend - vor Corona bei Hertha 03 Zehlendorf.
Ein normaler Trainingsabend - vor Corona bei Hertha 03 Zehlendorf.
© privat

Was zum Beispiel?
Sohn 1: Wann ich Schule mache. Da bin ich bisschen mein eigener Chef. Obwohl: Wir haben ja auch alle zusammen einen Tagesplan für jeden gemacht.

Keine gute Idee?
Sohn 1: Das klang erst total viel, und ich war genervt. Aber jetzt merke ich, es hilft mir schon, denn sonst schiebe ich das alles auf oder nach hinten. Struktur war ja eh nie meine Stärke. Passt also schon jetzt.
Sohn 2: Ist doch cool, dass wir jetzt nicht immer um sieben Uhr aufstehen müssen, ich steht um acht Uhr auf oder halb acht, dann in Ruhe frühstücken, um 9 Uhr Schule. Ich kann jetzt einfach mal statt 45 Minuten zwei Stunden Schule machen oder eineinhalb, dann Pause, auch mal länger. Und nachmittags ist dann Zeit.

Was ängstigt Euch?
Sohn 1: Habe schon Angst, dass Opa das auf die leichte Schulter nimmt. Der ist immer so entspannt, jetzt ist das vielleicht nicht so toll. Er hat’s ja auch am Herzen.
Sohn 2: Naja, Oma hat sowieso schon überall Schmerzen. Und die geht ja trotzdem sonst raus, um zu spazieren oder so. Wenn sie jetzt im Haus bleibt, ist das doch nicht gut.
Sohn 1: Ich mache mir auch Gedanken, dass das alles extrem lange dauern kann. Mir fehlt total der Fußball, mir fehlt es, Sport draußen mit den Jungs aus der Mannschaft zu machen. Und auch die Freunde in der Schule fehlen mir. Am schlimmsten wäre, wenn das Virus einer von uns oder den Freunden bekäme. Dann wüsste ich nicht, wie ich damit klar komme.
Sohn 2: Ich habe Angst, dass die Ausgangssperre kommt und wir gar nicht mehr raus könne. Ich habe außerdem bei Kika gesehen, wie die Menschen, die das Virus vielleicht haben, in diesem Zelt hocken und die dann die Leute da reinholen und die dann da zusammen warten müssten. Oder wenn Opa oder Oma da hin müssten, das will ich nicht.

Ihr habt die Rede von Kanzlerin Merkel mit uns geguckt, wie fandet ihr das?
Sohn 1: Ich fand sie sympathisch. Das meiste wusste ich schon, aber sie hat nicht so aufgeregt geklungen, sondern hat es gut erklärt. Nicht so politikermäßig gestelzt. Ich hoffe mal nur, dass die die Rede auch auf Youtube, Instagram oder TikTok hochladen, sonst bekommen die meisten von meiner Generation das nicht mit.
Sohn 2: Manche Wörter hab ich nicht verstanden, es war auch ganz schön lang. Aber ich mochte es, weil die Angela Merkel das gut erklärt hat, warum wir jetzt zu Hause bleiben sollen.

Hat die Langeweile was Gutes?
Sohn 2: Man hat mehr Zeit für sich. Sonst ist alles zack und zack hintereinander. Aufstehen, Frühstück, Schule, Hausaufgaben, Training.
Sohn 1: Jetzt habe ich wieder Zeit zu lesen. Hab ich schon ewig nicht mehr gemacht. Wenn man in der normalen Taktung ist, dann guckt man abends fernsehen, dazu habe ich jetzt gar keine Lust, dann lese ich lieber. Und spiele Playstation. (Guckt auf sein Handy)

Gute Nachrichten?
Mein Athletiktrainer vom Fußball hat uns einen Trainingsplan geschickt…

Gut?
Ja.
Sohn 2: Wir hätten zu Ostern ein tolles Trainingslager gemacht mit unserem neuen Trainer für die kommende Saison, das wäre toll geworden, wir wollten zusammen frühstücken und schwimmen, hätten uns besser kennengelernt. Das fällt jetzt wohl aus.

Was macht ihr heute noch?
Sohn2: Ich putze jetzt mit Mama mein Fahrrad und jongliere nachher ein paar Bälle. Ich geh‘ auch zu meinem Lieblingsfriseur, die haben nämlich offen!
Sohn1: Hab nichts mehr zu tun. Essen. Schule. Vielleicht gehe ich in den Park…

Mit dem Trainingsplan?
Sohn 1: Hab doch heute schon Sport gemacht!

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