Coronakrise am BER: Flughafen Schönefeld soll geschlossen werden
Der Flughafenchef will SXF am März 2021 vorübergehend außer Betrieb nehmen, weil wegen Corona das BER-Terminal ausreicht. Auch der Südbahn droht die temporäre Schließung.
Erst TXL, nun bald SXF: Anwohner des neuen BER-Hauptstadtflughafens fordern die sofortige Stilllegung des alten Schönefelder Airports – also des jetzigen Terminals T5 – da in der Coronakrise kaum noch geflogen wird.
„Wenn die wirtschaftlichen Nöte so groß sind, dann ist jeder Tag zu viel, an dem der alte Schönefelder Airport offenbleibt“, sagte Christine Dorn, Vorsitzende des Bürgervereins Berlin-Brandenburg (BVBB), der größten Bürgerinitiative um den Airport, am Montag dem Tagesspiegel. „Es macht keinen Sinn, mit der Schließung noch vier Monate zu warten.“ Außerdem sei es nun umgehend möglich, beide BER-Landebahnen abwechselnd zu betreiben, um so Anwohnern nächtliche „Lärmpausen“ von sieben Stunden zu gönnen, wie es etwa im rot-rot-grünen Berliner Koalitionsvertrag versprochen worden sei.
Dorn reagierte damit auf aktuelle Pläne von Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup, wegen erneut mit der Pandemie dramatisch eingebrochener Passagierzahlen seit dem BER-Start den alten Schönefelder Airport zu schließen – allerdings nicht schnell, sondern erst ab März 2021 mit der Umstellung auf den Sommerflugplan. Und zunächst auch erst einmal vorrübergehend, für den Fall, dass der Luftverkehr doch stärker wieder anzieht.
Der „Morgenpost“ sagte Lütke Daldrup: „Angesichts der sehr schlechten verkehrlichen Entwicklung müssen wir darüber nachdenken, ob wir T5 in 2021 wirklich benötigen.“ Ein Nebeneffekt wäre zudem, dass Nahverkehrsanbindung einfacher wäre, weil sie mit S-Bahnen und Regios allein über den BER-Tiefbahnhof erfolgen würde. Aktuell ist es so, dass der Flughafenexpress nur am BER hält, aber nicht im alten Schönefelder Bahnhof.
Und dieses Sparvorhaben ist nicht das Letzte: Die Flughafengesellschaft denkt auch darüber nach, die wenigen Flüge alle über eine Start- und Landebahn abzuwickeln – und die neue Südbahn ebenfalls vorrübergehend stillzulegen. Beides wird Thema sein, wenn der von Chefaufseher Rainer Bretschneider geführte Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft Berlins, Brandenburgs und des Bundes (FBB) am Freitag erneut tagt.
Auch neuer Südbahn droht temporäre Schließung
Im Projektausschuss des Gremiums, der letzten Freitag zusammenkam, hatte Lütke Daldrup über die sich seit Wochen abzeichnende Schließungsabsicht für das T5 berichtet. Zwar sollte der Altflughafen wie Tegel schon 2012 außer Dienst gestellt werden. Doch mit dem Rekordwachstum parallel zu den Verzögerungen beim BER war Schönefeld-Alt unverzichtbar geworden.
Zuletzt sollte das T5 bis Ende der 20er Jahre, bis zur Fertigstellung eines nun erst einmal auf Eis gelegten dritten großen Terminals vis-a-vis des BER, in Betrieb bleiben. Doch mit der Krise ist alles anders.
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Mit der Stilllegung des früheren SXF-Terminals im März 2021 will die Flughafengesellschaft, deren Finanzlage trotz Corona-Hilfen von 300 Millionen Euro in diesem Jahr immer prekärer wird, einige Millionen Euro einsparen.
Zusatzterminal T2 wurde aus Kostengründen nicht in Betrieb genommen
Aus dem gleichen Grund ist bereits das nagelneue, einsatzbereite Zusatzterminal T2 neben dem Nordpier mit dem BER-Start nicht in Betrieb genommen worden, da das teurer wäre als Leerstand und Schlummer-Modus. Im November hatten die Passagierzahlen gleich nach BER-Inbetriebnahme fast die Tiefstwerte wie beim ersten totalen Lockdown im Frühjahr erreicht, nämlich nicht einmal zehn Prozent des Vorkrisenniveaus, teils sieben Prozent.
Zwar waren die Zahlen im Sommer gestiegen, da ging etwa jeder dritte Flieger. Doch diese Erholung war nur von kurzer Dauer. Werden in normalen Zeiten in Berlin an einem Tag etwa 80.000 Passagiere abgefertigt, sind es jetzt nur einige Tausend. Und die können problemlos allein im neuen BER-Fluggastterminal in Schönefeld ein- oder auschecken, das für 24 bis 27 Millionen Passagiere pro Jahr ausgelegt ist.
Im alten Schönefelder Flughafen, der in den letzten Jahren um einige billige Blechterminals erweitert worden war, wurden zuletzt 13 Millionen Passagiere pro Jahr abgefertigt. Gebaut worden war der frühere DDR-Zentralflughafen einst für eine Million Passagiere. Hauptnutzer des Terminals T5 ist aktuell der irische Billigflieger Ryanair.
Die temporäre Schließung von TXL war im Sommer gecancelt worden
Parallelen zum Frühsommer drängen sich auf. Damals hatte Lütke Daldrup wegen des Einbruchs im Luftverkehr den City-Airport Tegel vorübergehend schließen wollen, war aber von den Gesellschaftern zunächst gebremst worden. Monate vergingen. Als es dann umgesetzt werden sollte, die Genehmigung greifbar nahe war, startete der Luftverkehr trotz Coronakrise in die Urlaubssaison – das vorzeitige TXL-Aus wurde gecancelt.
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Auch bis zum Frühjahr 2021, dem nun angedachten temporären Schönefeld-Aus, kann noch viel passieren. Zudem ist durchaus umstritten, warum Lütke Daldrup nur vier Wochen nach BER-Start mit dem Vorstoß kommt. „Man hätte das schon mit dem Umzug zur BER-Inbetriebnahme machen können“, sagt etwa BVBB-Chefin Dorn. „Wie immer reagiert die Flughafengesellschaft zu spät.“ Die FBB wiederum legt Wert darauf, mit den Airlines seriös umzugehen, nichts zu überstürzen.
2021 braucht der BER nun 660 statt 552 Millionen Euro vom Steuerzahler
Für die Finanzkrise der an der Verschuldungsgrenze operierenden und tiefrote Zahlen schreibenden Flughafengesellschaft ist mit dem derzeitigen Minimalflugbetrieb keinerlei Entwarnung in Sicht, im Gegenteil. Schon vor einigen Wochen hatte Lütke Daldrup avisiert, dass das Unternehmen 2021 von den staatlichen Eignern voraussichtlich weitere 552 Millionen Euro Hilfe benötigen wird. Und zwar im sogenannten Management-Szenario, das noch von einem Anstieg des Luftverkehrs 2021 auf 50 Prozent des Vor-Corona-Niveaus ausgeht.
Angesichts der deutlich schlechteren Lage hat Lütke Daldrup jüngst sowohl den Eignern Berlin, Brandenburg und Bund als auch gegenüber dem Aufsichtsrat signalisiert, dass man sich 2021 vorsorglich auf nötige Überweisungen von 660 Millionen Euro an die FBB einstellen sollte, auf den „worst case“.
Zum Vergleich: 2019 hatte die FBB mit einem Rekord von 35,6 Millionen abgefertigten Passagieren einen Gesamtumsatz von 416 Millionen Euro gemacht. Ohne eine grundsätzliche Sanierung würde die FBB bis Ende der 20er Jahre Hilfe des Steuerzahlers für den BER benötigen. Es geht um Milliardenbeträge.