Wegen Anwohnerbeschwerden: Fest zur Walpurgisnacht im Mauerpark abgesagt
Die Konflikte der wachsenden Stadt: Das Fest, das die Walpurgisnacht in Berlin befriedet hat, fällt aus – weil Anwohner sich über den Lärm beklagt haben.
"Canceled / gestrichen", steht in roten Buchstaben auf dem Bild. Auf dem Schattenriss der Hauptstadt-Silhouette steigen noch zwei weiße Vögel vor finsterem Himmel auf und Seifenblasen über dem Fernsehturm. Es ist ein stiller Abschied, aber es ist auch ein bitterer: Nach 15 Jahren wird es die "Friedvolle Walpurgisnacht" im Mauerpark in Prenzlauer Berg nicht mehr geben. "In diesem Jahr wird das Fest aufgrund von Anwohnerbeschwerden ausfallen", teilte der Verein Freunde des Mauerparks am Freitag auf Facebook mit – und lud ein komplett schwarzes Profilbild hoch.
In die Trauer mischt sich allerdings auch deutliche Kritik. "Die Kooperation zwischen Bezirksamt, Polizei und Ehrenamtlichen wurde nach vielen Jahren guter Zusammenarbeit mit einem Schlag beendet", heißt es in der Stellungnahme der Organisatoren. "Bezirksamt und Polizei möchten das friedliche und unkommerzielle Fest nicht länger in der etablierten Form und dem bisherigem Zeitrahmen dulden."
Wie das Myfest in Kreuzberg am 1. Mai selbst ist auch die Friedvolle Walpurgisnacht am Vorabend bislang eine Berliner Erfolgsgeschichte gewesen. Beide Veranstaltungen leisteten in den vergangenen Jahren einen wesentlichen Beitrag dazu, dass die großen Krawalle bei den Maifeierlichkeiten in der Hauptstadt ausblieben.
Allerdings litten beide Veranstaltungen auch unter ihrem Erfolg: Bei gutem Wetter strömten Tausende Besucher zu den Festen, die zunehmend auch an ihre Grenzen stießen – vor allem das Myfest. Gaukler und Bass-Beats, Lagerfeuer, Lichtspiele und Friedensgebet machten die besondere Mischung im Mauerpark aus. Dort bleibe der Verlauf der Walpurgisnacht nun den "Launen des Schicksals" überlassen, schreibt das Mauerpark-Team.
Der Grund ist bezeichnend für die neuen Konflikte der wachsenden Stadt. "Aus Angst vor möglichen Anwohnerbeschwerden wurden durch die Polizei hohe Auflagen und starke Einschränkungen für das Fest angekündigt", erklären die Organisatoren. "Ein Fest ohne Musik" sei aber "kein tragender Ansatz" für eine kreative Feier. "Das Fest, das vor 15 Jahren zur Befriedung der Kieze von Anwohnern ins Leben gerufen wurde, wurde nun von der 'Anti-Lärm-Anwohner-Initiative' zu Fall gebracht."
Neues Kapitel im Streit um den Mauerpark
Um die Lärmkulisse im Touristenmagnet Mauerpark gibt es schon länger Streit – ganz unabhängig von der Walpurgisnacht. Zuletzt stand vor allem das wöchentliche Karaoke in der Kritik, das bei gutem Wetter an jedem Sonntagnachmittag Hunderte von Partyfreunden anzieht. Auch eine Lärmschutzwand stand für die Feierwiese schon zur Debatte. Die Bezirkspolitik sprach sich hingegen Ende März dafür aus, den Park, durch den sich einst die Berliner Mauer zog, im Flächennutzungsplan als Kulturstandort auszuweisen und das Karaoke drei Jahre im Voraus zu genehmigen.
Anfang April hatte der Vorsitzende der Mauerpark-Freunde noch Verständnis für die Beschwerden von Anwohnern gezeigt und sich als Vermittler angeboten. Zugleich forderte er, die Grünanlage als kreativen Freiraum zu erhalten. "Der Kontrast zwischen Todesstreifen und lebendigen Schmelztiegel macht diesen Ort zu einem lebenden Denkmal", sagte Alexander Puell in einem ausführlichen Tagesspiegel-Interview. "Wer nur den Müll sieht, blendet das positive Lebensgefühl aus, das viele Menschen mit dem Park verbinden."
„Sie möchten genau bestimmen, wer was im Park macht“
Puell hat einen Wandel in der Stadtgesellschaft ausgemacht. "Früher war in Berlin das Motto 'leben und leben lassen'", sagte er. "Auch wenn jemand mal genervt hat, wurde nicht gleich die Polizei gerufen." Die Zunahme der Anwohnerklagen deutet nach Auffassung des Vereinsvorsitzenden auf einen Verlust an Liberalität hin. "Die Spitze der Beschwerdeführer am Park hat augenscheinlich ein anderes Gesellschaftsverständnis. Sie möchten genau bestimmen, wer was im Park macht und was nicht."
Als "absurd" bezeichnete Puell, dass Immobilien um den Park herum so teuer wie nie zuvor seien. "Die Makler werben mit dem weltbekannten Mauerpark. Dann ziehen die Leute ein und stellen fest: Als Annonce klang das toll, aber jetzt haben wir den Salat", beklagte er im Interview. "Erst kommen die Künstler und schaffen das unverwechselbare Flair, am Ende sollen sie dann aber verdrängt werden."
Für die Organisatoren der Friedvollen Walpurgisnacht bedeutet das in diesem Jahr einen Rückzug aus dem Mauerpark. Sie würden "im privaten Rahmen an einem anderen Ort" feiern, kündigen sie an – "frei und selbstbestimmt".