Nahverkehr in Berlin: F wie Fährliebt: Wie geht's denn jetzt weiter mit den BVG-Fähren?
Nach dem Streit ums Ruderboot steht nun eine andere Fähre vorm Aus. Und im Südwesten fordern Bürger ein zweites Boot am Wannsee. Der Senat antwortet.
Es sind nur sechs Linien, und so manche Fahrt dauert auch nur schlappe zwei Minuten. Doch die BVG-Fähren sind die Lieblinge der Stadt – und werden deshalb so leidenschaftlich umtost, wenn sie an die Leine genommen werden sollen.
Älteste Fähre Berlins vor dem Aus
Der emotionale Zoff um das BVG-Ruderboot in Rahnsdorf (zwölf Ruderschläge pro Richtung) hat sich gelegt, das Unikum wurde gerettet, doch die Aussichten für die Elektro-Fähre F 11 in Treptow haben sich wieder eingetrübt. In einer Antwort auf die Anfrage des SPD-Abgeordneten Lars Düsterhöft wird der F11 eine Bedeutung für den Nahverkehr abgesprochen. Die Fahrgastzahlen seien mit denen einer „schwach ausgelasteten“ Buslinie vergleichbar, die Kosten dagegen mit einer Viertelmillion Euro im Jahr deutlich höher. Die Fähre verbindet seit 1896 Baumschulenweg mit Oberschöneweide, damit ist sie die älteste Fährverbindung der Stadt.
Neue Brücke wenige hundert Meter entfernt
Doch seit Dezember 2017 gibt es wenige Hundert Meter entfernt die neue Minna-Todenhagen-Brücke, über die eine neue Buslinie führt. Mit der Eröffnung der Brücke sollte der Fährbetrieb eingestellt werden, doch nach Hinweisen auf die bald fällige „Fährabschiedung“ im Leute-Newsletter für Treptow-Köpenick protestierte ein Bürgerbündnis und sammelte Unterschriften. Die Verkehrsverwaltung ließ sich auf einen Deal ein: Ein Jahr darf die Fähre weiterfahren, zugleich werden die Fahrgäste gezählt, um zu sehen, ob sich der Betrieb noch lohnt.
250 Menschen nutzen die Fähre werktags
Die Zählungen, die seit Anfang des Jahres laufen, haben BVG und Verkehrsverwaltung nicht überzeugt. Konkret nutzten im Mai an Werktagen durchschnittlich 253 Menschen die Fähre, an Sonntagen waren es 705. Im Winter lagen die Zahlen deutlich darunter. Um die Fähre trotzdem weiterzubetreiben, müsste ein anderer Grund gefunden werden als der bloße Transport von Fahrgästen von A nach B, argumentiert die Verwaltung. Für die Fans der Fähre ist der Grund schon gefunden: Fahrradtourismus. Die Fähre liegt auf der Route des Fernradwegs R 1 von Frankreich nach Russland.
Kühl argumentieren Verkehrsverwaltung und BVG auch am anderen Ende der Stadt, wo Berlins bekannteste Fähre übers Wasser schippert: die F 10. Die pendelt tapfer zwischen dem S-Bahnhof Wannsee und Kladow. Entfernung: vier Kilometer. Dauer: 20 Minuten. Morgens und abends nutzen Berufspendler aus dem Spandauer Vorort das Fährboot – Kladow hat 16.000 Einwohner. Tagsüber erobern Schulklassen und Tagestouristen aus der Innenstadt das Boot.
Die BVG-Fähre ist ein schwimmender Bus, kommt dafür aber aber selten
Als der urige BVG-Kahn mit dem Freiluftdeck vor ein paar Jahren gegen eine gesichtslose, vollverglaste Fähre eingetauscht wurde und fortan niemand mehr die Brise an Deck genießen konnte, war der Unmut groß – daran konnten auch die vielen Fahrradständer und Rollstuhlplätze wenig ändern. Die BVG zischte genervt zurück, dass die F 10 nun mal „kein Ausflugsdampfer, sondern ein schwimmender Bus“ sei. Allerdings kommt dieser schwimmende Bus ziemlich selten, nämlich alle 60 Minuten, und sonntags nur zur Ausflugszeit zwischen 9.30 Uhr und 19 Uhr. Spandaus Bürgermeister Helmut Kleebank (SPD) hat gerade erst im Rathaus berichtet: Laut BVG-Vorstand werde der Vertrag mit dem Dienstleister der Reederei „hinsichtlich einer möglichen Angebotserweiterung juristisch geprüft“. Die Finanzierung sei die anschließende Frage.
Doch der Senat tut sich etwas schwer mit den Fähren und hat im Frühjahr in Spandau für Heiterkeit gesorgt, als Verkehrsstaatssekretär Jens-Holger Kirchner (Grüne) auf eine Frage von Sebastian Czaja (FDP) sagte: „Dem Senat ist der Wunsch nach einer Verlängerung des Betriebs nicht bekannt.“ Dabei gibt es seit Jahren jene Bilder von endlosen Schlangen am BVG-Anleger in Kladow – und enttäuschten Leuten, die nicht mehr zurück in die Stadt kamen.
Der Senat hat nachzählen lassen auf dem BVG-Schiff
Kirchner allerdings hielt ganz cool Zahlen entgegen: Werktags nutzen rund 700 Fahrgäste das Schiff, sonntags schon mal 1600. Und auch jetzt sagt eine Sprecherin von Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne): „Der Aufwand für den Betrieb des Schiffes muss sich an den zu erwartenden Fahrgastzahlen messen lassen.“
Viele Anregungen von Tagesspiegel-Lesern
Als wir nun im Spandau-Newsletter allerdings die Tagesspiegel-Leser nach ihrer Meinung fragten, rappelte es tagelang in der Mailbox. Tenor: Sehnsucht nach einem 30-Minuten-Takt, zumindest mehr Booten am Morgen, längerem Einsatz am Abend. Lustigster Leservorschlag: „Wie wäre es mit einer ,Lumpensammlerfahrt‘ um 23 Uhr?“ Viele Ideen der Tagesspiegel-Leser finden Sie unter diesem Link.
CDU: "Die Fähre entlastet die Straßen"
Die Politik hat das Thema längst entdeckt, auch die CDU: „Die Fähre F 10 wird auch von arbeitender Bevölkerung genutzt. Viele kommen morgens über die Havel, abends aber nicht mehr zurück“, heißt es in einem Antrag des Spandauer CDU-Fraktionschefs Arndt Meißner. „Mehr Fährverkehr entlastet die Straßen.“ Und die sind in Spandaus Süden chronisch verstopft – und es wird noch enger, wenn 10 000 Menschen in den Potsdamer Norden ziehen und von dort nach Berlin wollen. In Wannsee besteht Anschluss an die S- und Regionalbahn.
Senat: Kosten für zweites Schiff zu hoch
„Eine dichtere Taktung der Fähre F 10 ist leider nicht möglich“, entgegnet jetzt die Sprecherin der Senatsverkehrsverwaltung. „Der Stundentakt ergibt sich aus der Fahrzeit und Anlegezeit von jeweils knapp 30 Minuten je Richtung. Das Schiff ist also im Dauereinsatz. Eine dichtere Taktung wäre nur durch den Einsatz eines zweiten Schiffes mit einem zweiten Team denkbar. Allerdings wird die Fähre lediglich an sehr warmen Sommertagen überdurchschnittlich viel genutzt. Ein zweites Schiff wäre daher nur für eine bestimmte, relativ kurze Zeit im Sommer sinnvoll. Anschaffung, Unterhalt und Personalkosten wären jedoch unverhältnismäßig hoch.“
In anderen Städten, mal als Beispiel Amsterdam, haben Fähren einen viel größeren Rückhalt in den Amtsstuben als in Berlin. Für die Ruderfähre Paule III in Rahnsdorf hatte sich seinerzeit der damalige Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) in die Riemen gelegt. Die Schwesterfähren F 10 und 11 suchen noch prominente Retter.