Berlin will Moria-Flüchtlingen helfen: Diese Experten trifft Innensenator Geisel in Athen
Innensenator Andreas Geisel ist für Gespräche nach Athen gereist. Denn Berlin will Moria-Flüchtlinge aufnehmen. Wie stehen die Chancen für eine eigene Lösung?
Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) will sich selbst ein Bild von der Lage der Flüchtlinge in Griechenland machen. Dass er nun wenige Tage nach dem Brand im Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos und mitten im politischen Streit um die Aufnahme von Lagerbewohnern am Montagnachmittag nach Athen reiste, ist reiner Zufall und kein kurzfristiger PR-Termin.
Der Termin war schon länger geplant. Geisel will persönlich die Möglichkeiten ausloten, wie das Land Berlin helfen und Flüchtlinge aufnehmen kann.
Ursprünglich wollte Geisel auch nach Lesbos fliegen. Aber wegen der Corona-Pandemie, wegen der nötigen Quarantäne nach der Reise und wegen der jüngsten Brände nahm die Innenverwaltung Abstand davon. Daher wird Geisel nun alle Gespräche in Athen führen. Los geht es am Dienstag mit einem Treffen mit dem griechischen Minister für Asyl und Migration, Notis Mytarakis.
Im Anschluss spricht Geisel mit dem Leiter der Griechenland-Mission des UN-Flüchtlingshilfswerks, Philipp Leclerc, mit dem deutschen Botschafter in Athen, Ernst Reichel, sowie dem Leiter der Internationalen Migrationsorganisation (IOM), Gianluca Rocco. Für Mittwoch sind ein Besuch eines Flüchtlingslagers im Umkreis von Athen sowie ein Treffen mit Vertretern der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ vorgesehen.
Geplant war die Reise seit Ende Juli, als Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) Berlins Ansinnen abgelehnt hatte, 300 Menschen aus dem Lager Moria aufnehmen. Mit seiner Reise will Geisel erneut deutlich machen, dass Berlin dabei helfen will, die Probleme in den griechischen Flüchtlingslagern zu lösen.
[Wenn Sie aktuelle Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Bereits im Dezember 2019 hatte Geisel gemeinsam mit Niedersachsen und Thüringen von Seehofer gefordert, schnell zu handeln. Als Reaktion auf die bisherige Blockadehaltung wollen Berlin und Thüringen im Bundesrat erreichen, dass der Bundesinnenminister nicht mehr sein Einvernehmen mit Aufnahmeprogrammen der Länder für die schnelle humanitäre Hilfe erklären muss und damit kein Vetorecht mehr hat. Nach dem Willen Berlins und Thüringens soll der Bund nur noch „ins Benehmen“ gesetzt werden.
Was Geisel mit seiner Reise aber tatsächlich leisten kann, bleibt fraglich. Zumindest könnte er mit den Informationen aus Griechenland, insbesondere vom UN-Flüchtlingshilfswerk und IOM, seine Pläne für ein Berliner Aufnahmeprogramm weiter unterfüttern.
[In unseren Leute-Newslettern berichten wir wöchentlich aus den zwölf Berliner Bezirken. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]
Je mehr Berlin selbst regeln kann, desto größer sind die Chancen, die Vorgaben des Bundes zu erfüllen. Die Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigen, dass es schon mal Jahre dauern kann, bis der Bund sich nicht mehr gegen ein Landesaufnahmeprogramm sperrt.
Brandenburg etwa nahm 72 Jesidinnen, ihre Kinder und Familien im Jahr 2019 auf. Die Jesiden wurden von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ verfolgt, verschleppt und versklavt. Brandenburg hatte drei Jahre benötigt, um alle Details mit dem Bund, mit den Behörden im Irak und den internationalen Organisationen zu regeln.