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Eine Familie aus dem abgebrannten Lager Moria
© AFP/Louisa Gouliamaki
Update

Nach dem Feuer in Moria: Deutschland will 1553 Geflüchtete aufnehmen – neues Feuer auf der Insel Samos

Die Koalition einigt sich darauf, mehr Schutzbedürftige nach Deutschland zu holen. Unklar ist aber, ob Griechenland alle Migranten von Lesbos ausreisen lässt.

Knapp eine Woche nach dem verheerenden Brand im griechischen Flüchtlingslager Moria hat die Bundesregierung sich darauf verständigt, mehr Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen. Weitere 1553 Menschen aus 408 Familien auf den griechischen Inseln sollen Schutz in Deutschland finden, vereinbarten CDU, CDU und SPD am Dienstag. Sie sollen zusätzlich zu den bisher geplanten bis zu 150 unbegleiteten Minderjährigen aufgenommen werden.

"Wir haben als Regierung eine Verständigung darüber herbeigeführt, was zu tun ist", sagte Vizekanzler Olaf Scholz. Kanzlerin Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer stellten die Einigung in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vor. Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus sagte, er hätte lieber eine Einigung im europäischen Rahmen gehabt.

Die Einigung der Koalitionspartner gelang entlang einer Verständigung, die zunächst Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) für die Union gefunden hatten. Damit hatte sich Seehofer bereiterklärt, über die bis zu 150 Kinder hinaus etwa 1500 Menschen aus Familien aufzunehmen, die anerkannt schutzbedürftig sind.

SPD-Chefin Saskia Esken hatte noch am Sonntag eine deutlich höhere vierstellige Zahl gefordert. Gemeinsam mit Scholz begrüßte sie die nun gefundene Einigung, da Deutschland damit ein eigenständiges Programm ausgerufen habe. Als dritter Schritt werde eine europäische Lösung angestrebt, bei der Deutschland weitere Flüchtlinge aufnehmen würde. Dies wurde in der Union umgehend infrage gestellt.

Die griechischen Behörden gehen davon aus, dass das seit Jahren heillos überfüllte Flüchtlingslager Moria vergangene Woche von Migranten angezündet worden war.

Zuvor war die Situation dort eskaliert, nachdem mehrere Asylbewerber positiv auf das Coronavirus getestet worden war. Nach dem Feuer im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos waren mehr als 12.000 Migranten obdachlos geworden. Laut dem staatlichen griechischen Rundfunksender ERT sind inzwischen fünf Personen festgenommen worden, die das Feuer im Camp gelegt haben sollen. Nach einem weiteren Mann werde gefahndet, heißt es.

Österreich lehnt deutschen Weg ab

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder warf Österreich unterdessen eine Verweigerungshaltung bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus Moria vor. Er sei enttäuscht von der Regierung in Wien, dass sie ihre starre Grundhaltung nicht zugunsten von "etwas mehr Herzlichkeit" aufgebe, sagte der CSU-Chef in München.

Österreich hatte zuvor verlauten lassen, dass es sich nicht an den deutschen Plänen beteiligen wird. „Wir werden dem deutschen Weg hier nicht folgen“, sagte Österreichs Regierungschef bei einem Kasernenbesuch in Niederösterreich laut "Bild"-Zeitung. „Ich gehe auch davon aus, dass sehr viele europäische Länder diesem Weg – Flüchtlinge in großer Zahl aus Griechenland aufnehmen – nicht folgen werden. Wir hier in Österreich haben in den letzten Jahren eine sehr, sehr hohe Zahl an Flüchtlingen aufgenommen.“

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Seehofer hatte am Freitag mitgeteilt, Deutschland werde von insgesamt 400 unbegleiteten Minderjährigen, die aus Griechenland in andere europäische Länder gebracht werden sollen, 100 bis 150 Jugendliche aufnehmen. Zudem betonte er, man wolle dann in einem zweiten Schritt mit Athen über die Aufnahme von Familien mit Kindern sprechen.

Ein Junge weint, nachdem die Polizei mit Tränengas gegen Flüchtlinge aus Lesbos vorgegangen war.
Ein Junge weint, nachdem die Polizei mit Tränengas gegen Flüchtlinge aus Lesbos vorgegangen war.
© ANGELOS TZORTZINIS / AFP

Das Bundesinnenministerium will eine Delegation nach Lesbos schicken, um zu schauen, wer am dringendsten Schutz benötigt. Ziel sei es, bei der Auswahl „objektive Kriterien“ anzuwenden, „damit keine unkontrollierbaren Folgewirkungen entstehen“, hieß es aus dem Ministerium.

Griechenland will Flüchtlinge auf der Insel festhalten

Die Bundesregierung wollte bis Mittwoch entscheiden, ob und wie mehr Flüchtlinge von Lesbos nach Deutschland kommen. Doch die aufgeheizte Debatte in Deutschland um die Aufnahme der Flüchtlinge könnte sich als überflüssig erweisen: Denn Griechenland will die Flüchtlinge von der Insel Lesbos auf keinen Fall ausreisen lassen.

Wie der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis am Montag noch einmal klar stellte: Die griechische Regierung lasse sich nicht erpressen. "Es besteht kein Zweifel, dass Moria von einigen hyperaktiven Flüchtlingen und Migranten verbrannt wurde, die die Regierung erpressen wollten, indem sie Moria niederbrannten und ihre sofortige Umsiedlung von der Insel forderten", zitiert ihn die "Tagesschau".

Aus diesem Grund müssten alle Flüchtlinge auf der Insel bleiben und in ein neues Lager ziehen.

Die griechische Regierung fürchtet Nachahmereffekte in anderen Flüchtlingslagern. Eine Handvoll Elendscamps gibt es derzeit auf den griechischen Inseln, in denen die Lage nicht besser ist als zuletzt in Moria.

Stattdessen schlägt die griechische Regierung vor, dass EU-Länder Flüchtlinge mit abgeschlossenem Asylverfahren aufnehme, die auf dem griechischen Festland lebten. Deutschland sei davon auch schon unterrichtet, so der griechische Premier. Außerdem sollte sich die EU beim Bau und dem Betrieb neuer Lager helfen.

Griechenlands größtes Flüchtlingslager war in der vergangenen Woche durch mehrere Brände fast vollständig zerstört worden. Rund 11.500 Menschen wurden obdachlos, darunter 4000 Kinder. Tausende ehemalige Lagerbewohner, darunter auch Schwangere und Familien mit kleinen Kindern, harren seitdem im Freien aus. Viele sind inzwischen völlig erschöpft, hungrig und durstig.

Am Dienstag brach auf der griechischen Insel Samos nahe des dortigen Flüchtlingslagers ein weiteres Feuer aus. „Es brennt am Rande des Registrierzentrums“, sagte der Bürgermeister der Ortschaft Vathy, Giorgos Stantzos, der Deutschen Presse-Agentur. „Noch brennen keine Zelte, aber ich bin besorgt.“ In sozialen Medien wurden entsprechende Bilder und Videos eines großen Brandherds veröffentlicht. Griechischen Medien zufolge ist das Feuer 200 bis 300 Meter oberhalb des Flüchtlingslagers ausgebrochen.

Griechische Politiker warnen seither vor der „Moria-Taktik“, wonach Feuer auch in anderen Flüchtlingslagern auf den Inseln Samos, Chios, Leros und Kos gelegt werden könnten - vor allem, wenn die Menschen von Lesbos nun aufs Festland oder nach Mittel- und Nordeuropa gebracht würden. Die Migranten auf Lesbos fordern angesichts des niedergebrannten Lagers, die Insel sofort verlassen zu dürfen. Allerdings steht bei den meisten der Abschluss des Asylantrags noch aus. Die griechische Regierung besteht darauf, dass die Migranten den normalen Asylprozess durchlaufen müssen. (Tsp, dpa, AFP)

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