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Das Tempelhofer Feld in Berlin.
© dpa/Bernd von Jutrczenka

FDP über Volksentscheid zum Tempelhofer Feld: „Die Randbebauung wäre ein Leuchtturmprojekt“

Die FDP plant einen neuen Tempelhof-Volksentscheid und will mindestens 12.000 Wohnungen bauen lassen. Die Landes- und Fraktionsvorsitzenden im Interview.

Über das Tempelhofer Feld wurde 2014 schon einmal abgestimmt. Damals sprach sich die Mehrheit der Berliner gegen die Bebauung aus. Angesichts der Wohnungsnot steht der Vorschlag wieder im Raum, am Rand der Freifläche neue Wohnungen zu bauen. Die FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus und ein gerade gegründeter Verein treiben nun einen neuen Volksentscheid voran.

Herr Meyer, Herr Czaja, Sie wollen mindestens 12.000 Wohnungen auf dem Tempelhofer Feld bauen lassen. Ist das Problem der Wohnungsnot damit gelöst?
Czaja: 12.000 Wohnungen wären ein großer Schritt in die richtige Richtung, können jedoch nur ein Teil der Lösung sein. Aber sie sind ein wichtiger Teil, denn die Randbebauung würde zu einem Leuchtturmprojekt werden, das zeigt, dass Berlin effizient und mit intelligenten Lösungen Wohnraum schaffen kann. Von Berlin aus soll ein Impuls eines neuen stadtplanerischen Denkens in die ganze Welt gesendet werden, statt Schlagzeilen über neue Sozialismus- und Verbotsfantasien.
Meyer: Der Wohnraummangel in Berlin ist ja leider hausgemacht und auf ein politisches Versagen des Berliner Senats und der Bezirke in den letzten 15 Jahren zurückzuführen. Wir wollen anhand des Beispiels Tempelhofer Feld zeigen, wie man mit politischem Willen und neuem Denken das Wohnungsproblem in Berlin in den nächsten zehn Jahren lösen kann, und zwar im Interesse der gesamten Stadt mit marktwirtschaftlichen Instrumenten und in sozialer Verantwortung.

Wo genau sollen die Wohnungen gebaut werden?
Czaja: Unser Gesetzentwurf sieht die Möglichkeit einer Bebauung des Randes der aktuellen Leerfläche vor (siehe Grafik). Die Fläche im Inneren – mit 200 Hektar also zwei Drittel des Feldes – wollen wir in jedem Fall unbebaut lassen und als Erholungsgebiet weiterentwickeln, das hohe ökologische Anforderungen erfüllt. Der Ausbau von Gemeinschaftsgärten oder eine Biotopentwicklung sind möglich. Alles ist besser als die derzeitige Brache.

Schließen Sie eine nachträgliche Verkleinerung der Leerfläche aus?
Meyer: Die Innenfläche in ihrer jetzigen Größe ist durch den Text unseres Gesetzentwurfs garantiert. Daran wollen wir auch nichts ändern.

Geht es nach Ihnen, sind die ersten Wohnungen 2025 bezugsfertig. Welche Hindernisse sehen Sie?
Czaja: Die Linkskoalition, der das Thema Bauen ein fremdes ist und die noch immer den erfolgreichen Tegel-Volksentscheid ignoriert. Die Linke und Teile der Grünen wollen in dieser Stadt einen politischen Systemwechsel. Das ist keine politische Plattitüde, das ist eine reale Gefahr. Das führt dazu, dass die Linke in Berlin aus politischem Kalkül heraus Wohnungsbau weiter bremst und sogar verhindert.

FDP-Landesvorsitzender Meyer: "Wer heute eine Wohnung in Berlin sucht, braucht eine unglaubliche Ausdauer."
FDP-Landesvorsitzender Meyer: "Wer heute eine Wohnung in Berlin sucht, braucht eine unglaubliche Ausdauer."
© promo

12.000 Wohnungen müssten verkehrlich angeschlossen werden. Wie?
Czaja: Die Anschlüsse sind da, sie müssten durchdacht ausgebaut werden. Eine zusätzliche S-Bahn-Station auf der Südstrecke wäre denkbar und auch die Nutzung vollkommen neuer Logistikkonzepte und Verkehrsmittel. Wir sind uns aber sicher, die besten Ideen dazu werden im Laufe des Planungsprozesses aus den Kiezen selbst kommen.

2014 hat sich eine Mehrheit der Berliner gegen die Randbebauung ausgesprochen. Haben die Gegner einer Bebauung ihre Meinung geändert?
Meyer: Die Zeiten und notwendigen Prioritäten haben sich geändert. Wer heute eine Wohnung in Berlin sucht, braucht eine unglaubliche Ausdauer, falls er überhaupt eine Wohnung findet. Und bei allem, was man uns Berlinerinnen und Berlinern so nachsagt, sind wir am Ende doch recht vernünftig.
Czaja: Die Stadt ist außerdem zusehends genervt davon, dass einfach nichts passiert. Die Probleme sind bekannt, es wird viel darüber gesprochen, aber das war es dann oft auch schon. Es wird nicht durchgegriffen, nicht einfach mal gemacht, nichts wird konsequent lösungsorientiert angegangen. Das wollen wir ändern und wir sind uns sicher, dass diese Einstellung eine Mehrheit finden wird.

Die Koalition ist in der Frage gespalten: Große Teile der SPD sind für die Randbebauung, Linke und Grüne dagegen. Ein Einfallstor für die Opposition?
Czaja: Mir sind die persönlichen Befindlichkeiten in dieser Koalition ziemlich egal. Es geht darum, Berlin eine Perspektive und Zukunft zu geben und klar ist, dass diese Linkskoalition mit ihrem Mietendeckel und Enteignungsfantasien unsere Stadt genau um diese beraubt. Wenn wir jetzt diejenigen sind, die für Unruhe sorgen, weil wir Probleme lösen, dann soll es so sein.

FDP-Faktionsvorsitzender Czaja: "Was nicht passieren darf, ist, dass das Parlament diesen Entscheid einfach wegwischt."
FDP-Faktionsvorsitzender Czaja: "Was nicht passieren darf, ist, dass das Parlament diesen Entscheid einfach wegwischt."
©  Jörg Carstensen

Nach dem Tegel-Volksentscheid kritisierten Sie die Nichtbeachtung des Bürgerwillens durch den Senat, nun wollen Sie selbst einen Volksentscheid rückgängig machen. Ein Widerspruch?
Meyer: Der Unterschied ist: Sie könnten jederzeit wieder über Tegel abstimmen lassen, das Ergebnis wäre wieder für die Offenhaltung. Diesen Bürgerwillen ignoriert Rot-Rot-Grün. Bei Tempelhof ist die Mehrheit in den Umfragen mittlerweile mit guten Gründen einer anderen Meinung als 2014. Das Abstimmungsgesetz ermöglicht es ja gerade, in einer neuen Legislaturperiode über einen alten Abstimmungsgegenstand neu abzustimmen. Wenn die Momentaufnahme des Bürgerwillens bei einem alten Volksentscheid auf immer und ewig sakrosankt wäre, würde dies zu ewigem Stillstand führen – eigentlich das Gegenteil einer aktiven und dem Bürger zugewandten Politik.
Czaja: Was nicht passieren darf, ist, dass das Parlament diesen Entscheid einfach wegwischt. Deswegen soll die Stadt selbst diese Entscheidung neu treffen können.

Warum versuchen Sie nicht, eine parlamentarische Mehrheit für die Änderung des Tempelhof-Gesetzes zu organisieren?
Czaja: Wir sind der Meinung, dass das Parlament das Ergebnis des Volksentscheids von 2014 nicht selbst wegwischen sollte, auch wenn ein Parlamentsgesetz und ein Volksentscheidsgesetz von Verfassungs wegen gleichrangig sind. Der Respekt vor unserem demokratischen Miteinander gebietet, dass wir es einem Volksentscheid überlassen, das frühere Ergebnis zu revidieren.

Zum Zeitplan: Wann soll die Initiative im Abgeordnetenhaus beraten werden, wann der Volksentscheid stattfinden?
Czaja: Mit Blick auf die Sammlung der Unterschriften und der zu berücksichtigenden Fristen gehen wir davon aus, dass wir uns Mitte 2020 im Abgeordnetenhaus damit beschäftigen werden.
Meyer: Die Linkskoalition hat es sich zur Regel gemacht, Wahl- und Abstimmungstermine nach Möglichkeit auf einen Termin zu legen – das Anliegen teilen wir.

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