Offensive gegen hohe Mieten: Jusos wollen Tempelhofer Feld bebauen
Die SPD-Jugendorganisation in Berlin fordert neue Maßnahmen gegen die Wohnungskrise. Es soll viel und möglichst schnell gebaut werden.
Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), der mit der Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) im Dauerstreit liegt, bekommt überraschend Unterstützung aus den eigenen Reihen. Denn „Bauen, bauen, bauen“ wird jetzt auch das Motto der Berliner Jungsozialisten, die am Wochenende auf ihrer Landesdelegiertenkonferenz „neue Wege gegen die Berliner Wohnungskrise“ beschließen wollen.
„Die Bautätigkeit in Berlin muss erhöht werden“, lautet der erste Satz des Antrags, der vom Juso-Landesvorstand erarbeitet wurde. „Wir brauchen Großprojekte, und zwar viele.“ Die Kommunalisierung von Wohnungen, der Mietenstopp und der Kampf gegen Zweckentfremdung seien auch wichtig, so die Jusos. Doch alle diese Maßnahmen blieben ohne ausreichend neuen Wohnraum ein „Tropfen auf heißem Beton“. Vorschläge zur Randbebauung des Tempelhofer Feldes oder für eine Bürgerstadt Buch seien dringend benötigte Impulse.
„Wir unterstützen die schnellstmögliche Umsetzung beider Ideen", heißt es im Antrag der Jungsozialisten. Es müsse endlich Schluss sein mit der Mentalität: Bauen ist schön, aber bitte nicht vor meiner Haustür. Für die koalitionsinterne Auseinandersetzung um eine soziale Wohnungs- und Mietenpolitik ist ein solcher Beschluss nicht ohne Belang. Immerhin haben die Jusos über 6000 Mitglieder. Fast jedes dritte Mitglied des SPD-Landesverbands gehört demnach zum Parteinachwuchs.
Bausenatorin Lompscher nimmt an der Juso-Konferenz teil
Der Antrag wird am Wochenende mit Sicherheit beschlossen und soll Ende Oktober auf einem SPD-Landesparteitag zur Abstimmung gestellt werden. Damit die Forderungen nicht ins Leere laufen, wurde Senatorin Lompscher zur Juso-Konferenz eingeladen. „Wir wollen mit ihr angesichts der drängenden Probleme kritisch-solidarisch über die Bau- und Mietenpolitik diskutieren“, sagte die Juso-Landeschefin Annika Klose dem Tagesspiegel. Den Jusos schwebt für ihre Bauoffensive eine öffentlich-rechtliche Partnerschaft vor, die sich am Beispiel Wiens orientiert.
Dort entsteht in den nächsten Jahren die Seestadt Aspern, die neuen Wohnraum und die soziale und verkehrliche Infrastruktur für 20.000 Menschen schaffen wird. Das Areal ist im Besitz einer Planungs- und Entwicklungsgesellschaft, die kommunalen und Bundeseinrichtungen gehört, einschließlich öffentlicher Banken. Teilgrundstücke werden für Private ausgeschrieben, die sich an die staatlichen Vorgaben für das Mammutprojekt halten müssen.
Dies könne, meinen die Jungsozialisten, „ein leuchtendes Beispiel sein“. Nach dem Wiener Vorbild solle eine „Immobilien Entwicklungs-Agentur“ gegründet werden, unter Beteiligung des Landes Berlin, der Investitionsbank (IBB) und der Kreditbank für Wiederaufbau (KfW), schlägt der SPD-Nachwuchs vor.
Auch die Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten (BImA) solle in die Pflicht genommen werden. Die Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK) könne ebenfalls ein Partner sein. So ließen sich die hohen finanziellen Lasten auf viele Schultern verteilen, heißt es im Antrag. Auch müssten die beteiligten Senatsverwaltungen personell besser ausgestaltet werden.
An der antikapitalistischen Grundhaltung der Jusos ändern diese pragmatischen Ideen nichts. Ihre Forderung nach Enteignung von Immobilienkonzernen wird auf dem nächsten SPD-Parteitag wieder aufgerufen. Und die jungen Genossen in Steglitz-Zehlendorf träumen sogar von einer sozialistischen Räterepublik. Ihr Antrag gilt allerdings als nicht mehrheitsfähig.