Flüchtlinge in Berlin: Chaos am Lageso kostet Millionen
Ein Prüfbericht nennt erstmals den finanziellen Schaden durch mangelhafte Auftragsvergabe des Lageso. Im Frühjahr soll der Bau neuer Containerdörfer beginnen.
Das Chaos bei der Auftragsvergabe und Rechnungslegung für Flüchtlingsheime im Lageso hat offenbar zu einem Millionenschaden für das Land geführt. Das berichtet die „FAZ“ unter Berufung auf einen Zwischenbericht der Senatsverwaltung für Soziales an den Hauptausschuss. Eine Sprecherin von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) bestätigte den Bericht, wollte sich zu den Inhalten aber nicht äußern. Es handele sich um eine „Ergänzung“ zum Gutachten der Wirtschaftsprüfer vom vergangenen Sommer. Um diese Ergänzung habe das Abgeordnetenhaus gebeten.
Schaden von 1,6 Millionen Euro
Dem Bericht zufolge ist ein Schaden von 1,6 Millionen Euro entstanden, Transaktionen über 2,1 Millionen Euro seien noch zu prüfen. Bisher hatte es geheißen, der finanzielle Schaden für das Land lasse sich nicht beziffern. Wirtschaftsprüfer hatten erhebliche Mängel bei den Vereinbarungen zwischen Lageso und privaten Baufirmen sowie gemeinnützigen Betreibern festgestellt. Ausschreibungen fehlten, die Aktenführung erwies sich als lückenhaft. Czaja hatte daraufhin Lageso-Chef Franz Allert die Zuständigkeit für die Flüchtlingsunterbringung entzogen. Später gab Allert sein Amt auf.
Das Lageso war im Sommer wegen der stark gestiegenen Flüchtlingszahlen unter Druck geraten, inzwischen kommen deutlich weniger Flüchtlinge in die Stadt. Täglich seien es etwa 150 bis 250, sagte Sascha Langenbach, Sprecher der Sozialverwaltung. Bis zum Sommer soll begonnen werden, die ersten Turnhallen wieder freizugeben und anschließend zu renovieren.
Auch Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) erklärte am Samstag, die Freigabe von Turnhallen habe höchste Priorität. Deshalb soll der Bau weiterer Containerdörfer und Modulbauten für Flüchtlinge (MUFs) forciert werden. Die Liste mit den 60 Standorten für MUFs und 30 für Containerdörfer war von einigen Bezirksbürgermeistern heftig kritisiert worden. Er rechne dennoch mit einem „breiten Konsensbereich“ zwischen Senat und Bezirken, sagte Kollatz-Ahnen. Die vertrauliche Liste sollte eigentlich am Dienstag in den Senat eingebracht werden, dem Vernehmen nach wird das strittige Thema aber von der Tagesordnung genommen.
Ausbau von Notunterkünften läuft weiter
Die Verwaltung arbeitet weiter an einem Ausbau der Kapazitäten in den Notunterkünften. Ende nächster Woche sei das Rathaus Friedenau bezugsfertig, dort sind 200 Plätze für alleinreisende Frauen, Lesben, Schwule und Transsexuelle vorgesehen. Die neue Eventhalle in der Paulsternstraße in Spandau wird als Notunterkunft mit 650 Plätzen vorbereitet, im ehemaligen Stasi-Komplex in Lichtenberg werde die Kapazität erhöht, ebenso im C&A-Kaufhaus in Neukölln.
Im ehemaligen Flughafen Tempelhof sollen spätestens im März die Hangars 5 und 6 mit zusammen 1500 Plätzen bezugsfertig sein. Insgesamt sind nach Angaben der Sozialverwaltung derzeit 44 581 Flüchtlinge in Not- und Gemeinschaftsunterkünften untergebracht, weitere 13 000 in Wohnungen.
Als Gemeinschaftsunterkünfte gelten beispielsweise die sechs Containerdörfer mit mehr als 2000 Bewohnern. Nach anfänglicher Kritik bewertet der Senat die gestapelten Container als geeignete Form der Unterbringung. Deshalb soll jetzt erheblich aufgestockt werden. Weitere Dörfer mit insgesamt 15 000 Plätzen sind in Planung. Rechnet man die Kosten der bisherigen Containerbauten hoch, wird die Erweiterung rund 260 Millionen Euro kosten.
Wohncontainer aus China und Türkei
Mit der Beschaffung der Wohncontainer ist die Berliner Immobilienmanagement (BIM) betraut. Berichte, nach denen der Markt leergefegt sei, weil Container auch als Studentenbuden beliebt sind, weist BIM-Sprecher Christian Breitkreutz zurück. „Viele Container kommen aus der Türkei und China.“ Die Verschiffung dauere vier bis sechs Wochen, im zweiten Quartal dieses Jahres könnten die ersten Container aufgestellt werden.
Während Container als temporäre Unterkünfte gedacht sind, gelten die Modulbauten für Flüchtlinge als Dauerlösung und Keimzelle für neue Wohnquartiere. Die teilweise bekannt gewordene MUF-Liste ist allerdings fehlerhaft. In Marzahn, sagte ein Sprecher des Bezirksamtes, sei der gelistete Standort am Brebacher Weg bereits bebaut. Der Standort Albert-Kuntz-Straße taucht auf der Liste gleich zweimal auf. Die Standorte sind unterschiedlich über die Stadt verteilt, allein in Spandau gibt es laut Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank (SPD) 16 Standorte für MUFs. Charlottenburg-Wilmersdorf soll nur zwei bekommen. Besonders in den Außenbezirken wird gebaut – hier gibt es noch große landeseigene Grundstücke.
Die Grünen kritisieren die Standortsuche des Senats als intransparent. Fraktionschefin Antje Kapek hält von Containern wenig, da sie sich – siehe Schulbereich – in Berlin immer als dauerhafte Lösung entpuppt hätten. Bei den MUFs befürchtet Kapek „jede Menge Ghettos“, weil keine Einrichtungen für die Integration mitgeplant würden.