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Debatte um Tempelhof-Gesetz. Auf einer Bürgerversammlung versuchten die Politiker ihre Pläne zu verteidigen.
© dpa

Debatte um Tempelhofer Feld: "Kein Ort, an dem Flüchtlinge längere Zeit leben sollten"

Der Senat will 7000 Flüchtlinge im ehemaligen Flughafen Tempelhof unterbringen. Darüber debattierten am Donnerstagabend rund 1400 Menschen - zum Teil recht hitzig.

Die Initiative 100 Prozent Tempelhof war auf diesen Donnerstagabend gut vorbereitet. Die meisten der 1400 Sitzplätze in der Haupthalle des Flughafens Tempelhof waren mit ihren Anhängern besetzt. Diese hatten Transparente und Pappen mitgebracht: „Demokratie oder Diktatur?“ – „Integration statt Ghettos“. Dennoch ließen die Feld-Aktivisten die Politiker auf dem Podium zunächst in Ruhe die Lage schildern. Befürchtungen, die Bürgerversammlung zu den Senatsplänen auf dem Tempelhofer Feld könnte im Tumult untergehen, erwiesen sich als unbegründet. Dabei war die Versammlung generalstabsmäßig vorbereitet worden: Sicherheitsleute kontrollierten am Eingang Rucksäcke, Trinkflaschen waren verboten.

Der Senat will maximal 7000 Flüchtlinge in den Hangars und auf asphaltierten Flächen am Rande des Vorfelds unterbringen. Auf dem Vorfeld selbst sollen Hallen und Freiflächen für Sport und Bildung eingerichtet werden. Die Staatssekretäre Dieter Glietsch (Flüchtlinge) und Dirk Gerstle (Soziales) schilderten nüchtern die Motive zur geplanten Unterbringung der Menschen: Weil im Herbst täglich bis zu 1000 Asylbewerber in die Stadt kamen, habe man sich nicht anders helfen können als die Hangars zu nutzen, sagte Glietsch. Arztpraxis und Quarantänestation seien bereits eingerichtet. Tempelhof sei dennoch „kein Ort, an dem Flüchtlinge längere Zeit leben sollten“, sagte Glietsch. Länger bedeutet für ihn: Monate.

„Zwei Quadratmeter pro Person, ohne Privatsphäre, ohne Perspektive.“

Dem hielt Georg Classen vom Berliner Flüchtlingsrat entgegen, die Hangar-Flüchtlinge seien bereits von Anfang an dabei, also seit Oktober. „Zwei Quadratmeter pro Person, ohne Privatsphäre, ohne Perspektive.“ Dann folgte ein Satz, der lauten Jubel und Beifall auslöste: „Tempelhof ist die größte, schlechteste und wahrscheinlich teuerste Flüchtlingsunterkunft in Berlin.“ Classen sagte, er befürchte weniger Aggression als „Depression“ in den Hangars.

Überraschende Kritik kam auch aus einer angesehenen Institution, der Akademie der Künste. Wilfried Wang, Leiter der Sektion Baukunst, trat ans Mikrofon und bezeichnete die Entwurfsskizzen für die auf dem Vorfeld geplanten Hallen als unprofessionell. Wäre ein Student im ersten Semester damit gekommen, hätte er ihn weggeschickt: „Sie aasen mit den Flächen“, die Hallen könne man näher an die Hangars rücken, erklärte der Architekt.

Das war Wasser auf die Mühlen der Feld-Aktivisten. Sie hatten die Pläne zur Änderung des Tempelhof-Gesetzes, das jede Bebauung auf der Freifläche verbietet, zunächst mit dem Argument pariert, auf dem eingezäunten Vorfeld, das zum Flughafengebäude gehört, sei ausreichend Platz für alles. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung antwortete stets, man wolle die Unterbringung der Flüchtlinge räumlich entzerren und auf dem Vorfeld nur

Einrichtungen für Freizeit und Bildung schaffen. Eine Schule sei ausdrücklich nicht mehr vorgesehen, erklärte Bildungsstaatssekretär Mark Rackles. Man rechne mit maximal 1200 schulpflichtigen Kindern in Tempelhof, die könnten in umliegenden Schulen untergebracht werden. Insgesamt würden in Berlin 12.000 Flüchtlingskinder schulisch betreut.

Umweltstaatssekretär Christian Gaebler betonte erneut, die Änderung des Tempelhof-Gesetzes bedeute nicht die Aufhebung des Bauverbots, sondern nur „eine befristete Ausnahme vom Behausungsverbot“. Das Bauverbot sei nur mit einer neuen Volksabstimmung zu kippen, „alles andere wäre politischer Selbstmord“.

Kapek: „reine Verzweiflungsstrategie“

Zeitweise wurde die Debatte hitzig und auch hämisch geführt. Etwa, als Rackles die Veranstaltung als ein Stück „gelebter Demokratie“ lobte. Antje Kapek, Grünen-Fraktionschefin, bezeichnete die Senatspläne als „reine Verzweiflungsstrategie“. 7000 Menschen „auf so engem Raum“ zusammenzubringen, sei eine einzige „Integrationsbremse“. Kapek wurde dafür bejubelt.

Neuköllns Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) führte zum Thema Integration die 600 Sprachkurse für Flüchtlinge in den Volkshochschulen ihres Bezirks an, betonte aber zugleich die Probleme bei der Beschaffung von Unterkünften. Das C&A-Kaufhaus in der Karl-Marx-Straße habe man zwar umwandeln können, aber nur im Einvernehmen mit dessen Eigentümer. Wo dies nicht der Fall sei, „können wir nicht reingehen und beschlagnahmen, was leer steht“. Da stehe das Grundgesetz vor, nach dem Eigentum unter Schutz stehe.

Thomas Loy, Ralf Schönball, Jana Demnitz

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