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Rechte Gesellen. Adolf Hitler in heller Jack mit Rudolf Heß und Erich Ludendorff bei einem Nazi-Aufmarsch am 11. Mai 1926 in Berlin.
© imago/ZUMA/Keystone

Adolf Hitler 1928 in Berlin: Braune Hemden, die Demokratie verabscheuen

Adolf Hitler hält erstmals eine vielbeachtete Rede in Berlin. 16.000 Menschen hören ihm im Sportpalast in Schöneberg zu. Ein fiktiver Bericht vom 17. November 1928.

Anlässlich des Serienstarts von "Babylon Berlin" am 13. Oktober haben wir ein Gedankenexperiment gewagt und Artikel aus der damaligen Sicht verfasst. Dabei fiel uns auf: Viele Themen - Wohnungsnot, Ärger um den Flughafen, wilde Partynächte - stehen damals wie heute für Berlin.

Zum ersten Mal nach der Aufhebung seines Redeverbots in Preußen ist Adolf Hitler am gestrigen Tage in Berlin aufgetreten. Dieses politische Ereignis hatte seine Schatten bereits vorausgeworfen. Gauführer Joseph Goebbels von den Nationalsozialisten forderte den Polizeipräsidenten Karl Zörgiebel (SPD) eindringlich auf, die „Braunhemden“ vor „tumultuarischen Szenen“ eines „wüsten Mobs“ zu schützen. Ansonsten werde diese Angelegenheit parlamentarische, zivil- und verwaltungsrechtliche Folgen haben.

Gegen halb sieben am Freitagabend ist der Saal im Sportpalast gut gefüllt, um acht Uhr müssen die Räumlichkeiten polizeilich gesperrt werden. Nach Angaben der Veranstalter sind gut 16.000 Menschen da. Zunächst spricht Goebbels, dann betritt Adolf Hitler den Saal. Er zeigt auf die Hakenkreuzfahnen: „Das sind unsere Siegeszeichen, denn wir sind Deutsche.“ Jubel, Musik, baumlange SA-Leute tragen Standarten und Fahnen.

Er spricht über Deutschland, „der Kuli der Welt“. Weil das Reich politisch unfrei sei, sei auch seine Wirtschaft „im Abgrunde der Verelendung“. Und Hitler macht klar, wo er sich sieht. Kein Volk könne bestehen, „es sei denn, es habe unter sich eine gewisse Anzahl Helden. Kein Staat kann bestehen, wenn seine Führer nicht heldisch gesinnt sind“. Einem Volke von 70 Millionen sei „nichts unmöglich, wenn es nur will“. Er wütet gegen die herrschenden Mächte, die das Volk seiner Ansicht nach niederhalten. „Die Vernegerung des Blutes, der Kultur und der Gesinnung wird ebenso planmäßig gefördert.“

Die NSDAP will sich von den anderen Parteien abgrenzen

Adolf Hitler verabscheut unsere Demokratie. Der Idealtyp der heute Herrschenden sei „der Bastard, der Mischling, der von allen Völkern die schlechten Seiten, die Laster, von keinem eine Tugend hat“. Die NSDAP nehme den Kampf auf gegen den „öden Demokratismus, das noch ödere unfruchtbare, beschämende Treiben des Parlamentarismus. Wir kennen nur die Autorität des Führers, des Auserwählten“. Und die NSDAP hebe sich weit über das eigentliche Niveau einer Partei. „Sie ist eine Weltanschauung“, schreit Hitler. „Unser fester, unbeugsamer Wille, das ist unsere Waffe. Unsere Waffe in dem Kampf, der einst die Ketten bricht.“ Eineinhalb Stunden spricht Hitler. Seine Rede wird vom Beifall der anwesenden Braunhemden unterbrochen.

Nach den Reichstagswahlen im Mai zog Goebbels als einer von zwölf Abgeordneten der NSDAP in den Reichstag ein. Vom 1. März 1927 bis 31. März dieses Jahres war die Hitler-Bewegung in Berlin verboten. Blutige Zusammenstöße der Nationalsozialisten mit dem Roten Frontkämpferbund in Lichterfelde und Attacken auf Passanten in der Gegend der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche hatten der Polizei die Veranlassung zum Verbot gegeben.

Goebbels ist der "Hitler in der Westentasche"

Mit ihren paar tausend Mitgliedern leisteten sich die Nationalsozialisten in der letzten Zeit ein wenig Soldatenspielerei in Berlin, Joseph Goebbels nennt man auch den „Hitler in der Westentasche“. Er organisiert regelmäßig „Hitler-Versammlungen“. Aktuell hat die NSDAP einen Propaganda-Feldzug eingeläutet, um „den Kampf um ein deutsches Berlin im größten Stil zu beginnen“.

Mit 10.000 Plätzen ist der 1910 errichtete Sportpalast in der Potsdamer Straße 72 der größte Saal in unserem Berlin. Schon zum „3. Märkertag“ am 30. September hatte Goebbels den Sportpalast gemietet. Ohne die Hilfe der SA-Mannschaften aus anderen Teilen des Reiches hätten es die Braunhemden nicht geschafft, ihn zu füllen. Die Kommunisten versuchten, die Nationalsozialisten am Betreten zu hindern, es gab Schlägereien. 22 verletzte Nationalsozialisten wurden in den Saal getragen und Goebbels rief: „Blut ist der beste Kitt.“ Man hört jetzt schon hie und da, dass Hitlers Bewegung den „Kampf um den Sportpalast“ ausgerufen hat.

Als sich die Versammlung gestern auflöst und die Nationalsozialisten hinaus auf die Potsdamer Straße eilen, stehen dort schon acht Schupo-Hundertschaften zu ihrem Schutze. Es ist dies ein großer Tag für Nationalsozialisten und eine große Schmach für jeden Demokraten in Deutschland. Aber noch ist die NSDAP ja nur eine Splitterpartei mit 2,6 Prozent.

Zum Weiterlesen: Wohnungsnot in Groß-Berlin und das wilde Nachtleben. Weitere Artikel zum Thema "Zwanziger Jahre in Berlin" finden Sie hier.

Sabine Beikler

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