Bilder aus Berliner Klubs: Gezeichnet von der Nacht
Ob Berghain oder Kit Kat Club – Felix Scheinberger illustriert, was nicht fotografiert werden darf. Nun ist sein Buch erschienen.
Zwischen Garderobe und Dark Room holt er sein Skizzenbuch aus der Tasche. Felix Scheinberger steht dann im Kit-Kat-Club oder sitzt im Berghain. In der einen Hand das Buch, in der anderen einen Stift. Schwarze feine Linie, so etwas. Er zeichnet, wo Fotografieren verboten ist. Erst zeichnet er nur für sich. Dann fragt eine Verlegerin, wollen wir ein Buch machen? Er zögert. Sagt ja. Nun liegt „Hedo Berlin“ in Buchhandlungen aus und führt den Blick an Orte, die sonst im Dunkeln bleiben.
Scheinberger, geboren 1969, spielt als Jugendlicher in Punkbands, bricht die Schule ab und fängt an, zu zeichnen. Für Heftchen, Plakate. Als er seinen Zivildienst abgeleistet hat, denkt er: Was jetzt? Er bewirbt sich in Hamburg, studiert dort Illustration.
Irgendwann im Jahr 2005 zieht er nach Berlin. In Hamburg, Mainz, Jerusalem bringt er anderen Zeichnen bei. Immer wieder zieht es ihn zurück nach Berlin. Nun lebt er in Berlin, arbeitet in Münster. Dienstags steigt er in den Zug, freitags kommt er wieder. In Münster lehrt er als Professor für Illustration. In Berlin geht er feiern. Ein-, vielleicht zweimal im Monat.
Sein Skizzenheft nimmt er dann mit. Warum im Club zeichnen? Da, wo Türsteher die Smartphonekameras der Gäste abkleben, fotografieren verboten ist, weil viele Gäste mehr nackt als angezogen sind? Scheinberger sagt, seine Zeichnungen seien weniger pornografisch, weniger voyeuristisch. Er sieht es anders. „Ich entwürdige die Menschen nicht.“
"Mami weiß das schon"
Die Menschen, das sind Valentina, Marion, Rutu, die nicht Rutu heißt, oder Olli. Sie feiern auf Schwulen-, Fetisch- oder Swinger-Partys. Scheinberger trifft sie im Kit Kat Club, den er „Kitty“ nennt, in der Wilden Renate, im Berghain oder im Insomnia. Viele von ihnen bemerken es, wenn er zeichnet. Sie fragen ihn, wofür? Scheinberger sagt dann, er sei professioneller Illustrator. Möglich, dass die Zeichnungen veröffentlicht werden. Ist das okay? Fast jeder sagt, ja. Einige sagen, „Mami weiß das schon“. Andere sagen, „meine Telefonnummer muss nicht unbedingt auftauchen“. Scheinberger ändert dann die Namen. Deswegen hat er neben eine Skizze „Rutu aus Tel Aviv“ geschrieben. Die Frau heißt nicht Rutu, wohnt nicht in Tel Aviv. Ein Stück Geheimnis lässt Scheinberger ihr.
Einige der Menschen, die er portraitiert, kennt Scheinberger. Etwa der Oberst, der natürlich anders heißt, und in der Technoband Sado Opera spielt. In Scheinbergers Skizzenbuch tanzt er durch den Friedrichshainer Salon zur Wilden Renate.
Er bestellt nur ein, zwei Gin Tonics
Scheinberger feiert und zeichnet also in Clubs, in denen die Besucher Ledertiermasken und kaum Kleidung tragen. Wo verstaut er sein Notizbuch? „Die Girls haben immer eine Tasche dabei“, sagt er. In seine Hosentasche schiebt er Buntstiftstummel, die sein Neffe nicht mehr braucht.
Hin und wieder hat er einen winzigen Aquarellkasten und einen Pinsel mit integriertem Wassertank dabei. Den holt er im Taxi raus, wenn seine Freunde und er sich nach Hause fahren lassen. Manchmal tunkt er den Pinsel auch mal in Drinks oder Kaffee. Die Menschen in seinem Büchlein stehen dann in einer braunen Wolke.
Scheinberger zeichnet auch die Bars und die Menschen, die draußen warten, wenn der Abend anfängt und die Furcht vor dem Türsteher groß ist. Und er zeichnet, wenn der Abend endet. Nur: „Wenn ich zu viel trinke, kann ich nicht zeichnen.“ Deshalb bestellt er nur ein, zwei Gin Tonics, bleibt klar.
Die Türsteher kennen ihn und seine Zeichnungen
„Ich frage mich dann, was sind interessante Menschen und nicht: was sind interessante Orte“, sagt Scheinberger. Er wolle nicht das Fotoverbot umgehen, um das Fotoverbot zu umgehen. Sondern einfach, um spannende Menschen zu portraitieren. Der Habitus, das Gesicht sei ein Spiegel des Innenlebens, sagt Scheinberger. Und den zeichnet er.
Wann er damit anfing? Daran erinnert sich Scheinberger nicht mehr, einige Bilder seien fast zehn Jahr alt. Wieder und wieder ging er in die Clubs, deren Türsteher ihn und seine Zeichnungen kennen. Einmal, als der Kit-Kat-Club Geburtstag feiert, drucken sie eines von Scheinbergers Bildern auf die Plakate.
Verleger wollten "weniger schwul, weniger Sex"
Und irgendwann fragt also die Verlegerin, „Willst du noch mal die Partysachen machen?“ Er hatte die Zeichnungen zuvor schon anderen Verlagen angeboten. Die wollten aber bestimmen, was ins Buch kommt. „Weniger schwul, weniger Sex.“ Er überlegte. Freunde rieten ihm, die Bilder unbedingt zu veröffentlichen. Sie sagten, aus den Klubs gebe es zu wenig Bilder und wenn, so zeigten die nicht, was in der Dunkelheit der Clubs passiert. Diese Verlegerin nun wollte ihn die Bilder für das Buch selbst auswählen lassen. Also sagte er zu.
Scheinberger weiß, heute zeichnen viele. Es ist hip geworden, ein Skizzenbuch durch die Stadt zu tragen, in der Bahn, im Bus oder im Club zu zeichnen. In fünf Jahren sei das vielleicht schon wieder vorbei. Er sagt: „Ich werde dann weiterzeichnen.“
„Hedo Berlin. Skizzen aus dem Berliner Nachtleben“, Jaja Verlag, 136 Seiten, 28 Euro. Felix Scheinberger stellt es am 24. November um 20 Uhr in der Büchergilde Buchhandlung in der Schöneberger Kleiststraße 19-21 vor.
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