Berlin-Charlottenburg: City Music muss raus aus dem Ku'damm-Karree
Der legendäre Plattenladen verlässt das Ku’damm-Karree. Die Touristen stöbern lieber woanders. Nun sucht die Chefin einen neuen Standort.
Am 16. April beteiligt sich „City Music“ im Ku'damm-Karree noch einmal am weltweiten „Record Store Day“, bei dem unabhängige Plattenläden ihre Kunden mit speziellen Angeboten und Veranstaltungen anlocken. Doch am Kurfürstendamm sind die Tage einer der ältesten und größten Musikhandlungen Berlins gezählt: Voraussichtlich Ende Juni wird City Music seine Verkaufsetage räumen, weil das Geschäft schlecht läuft. Betreiberin Brigitte Nicolaou gibt aber nicht auf und sucht einen Ersatzstandort.
Vor 32 Jahren hatten Nicolauo und ihr damaliger Ehemann den Laden als „Cover Music“ gegründet, zeitweilig gab es fünf Standorte. Im Hauptgeschäft im Schimmelpfeng-Haus am Breitscheidplatz arbeiteten bis zu neun Beschäftigte. 2007 musste man ausziehen, weil das Schimmelpfeng-Haus für das Hochhausprojekt „Upper West“ abgerissen wurde.
Als Zwischennutzer ins Karree gezogen
Da kam das Angebot, in Teile eines früheren Elektronikmarkts im Ku’damm-Karree umzuziehen, gerade recht. Brigitte Nicolaou sagt, sie habe die Räume zunächst sogar gratis nutzen dürfen. Die Mietdauer wurde befristet bis zur geplanten Neugestaltung des Karrees. Die im Auftrag des irischen Investors Ballymore tätige Hausverwaltung hielt es auch für denkbar, den Plattenladen später im umgebauten Neubau unterzubringen. „City Music war ja schon einmal hier“, hieß es.
Tatsächlich war die Marke ursprünglich eine Gründung der Wegert-Brüder, die einige Filialen in ihre Elektronikmärkte eingliederten. Dazu gehörte der „Tema“-Markt im Ku’damm-Karree, der später „Pro Markt“ und „Makro Markt“ hieß, aber 2005 schließen musste. Als die Rechte am Namen City Music frei wurden, griff Nicolaou zu und benannte „Cover Music“ um.
Es mangelt an Laufkundschaft
Leider habe sich der Wechsel ins Karree als „katastrophaler“ Fehler erwiesen, sagt sie nun. Die meisten Kunden seien Touristen. Aber am Ku’damm zwischen der Uhland- und der Knesebeckstraße lägen die Passantenzahlen viel niedriger als am Breitscheidplatz. Sie mache nur noch ein Zehntel des früheren Umsatzes, morgens und nach 17 Uhr stehe sie oft lange alleine im Laden.
Dies dürfte aber auch am Wandel in der Branche liegen. Das Geschäft mit CDs ist rückläufig, immer mehr Musikhörer bevorzugen Downloads und Streamingdienste im Internet. In wenigen Tagen will Nicolaou mit dem Abverkauf aller Compact Discs beginnen.
Die eigentliche Spezialität des Ladens sind die vielen Vinyl-Schallplatten, die man sonst nur noch in wenigen Geschäften bekommt. City Music verkauft auch Second-Hand-Platten. Hinzu kommt ein breites Sortiment an Merchandise-Artikeln wie T-Shirts und Mützen, Poster oder Kaffeetassen.
Plattenverkäufe steigen wieder
Schallplatten erleben ein Comeback, wenn auch auf vergleichsweise niedrigem Niveau. Nach Angaben des Bundesverbandes Deutsche Musikindustrie stieg der Umsatz mit Vinylscheiben in den Jahren 2005 bis 2015 von sieben auf mehr als 50 Millionen Euro. Nicolaou bestätigt diesen Trend: „Die Leute leben die Platte“, dies gelte „auch für die junge Generation“. Manche Kunden verbrächten Stunden mit dem Stöbern und Probehören. Das haptische Gefühl und die großen Cover seien nun mal etwas anderes als eine elektronische Datei.
Unterdessen hat das Ku’damm-Karree seit Ende 2014 neue Eigentümer: die Münchener Firma Cells Bauwelt und eine Briefkastenfirma in Panama.
Möglichst im Sommer wollen die Investoren mit Umbauten in dem Gebäudekomplex beginnen, im vorderen Teil am Ku’damm mit City Music soll es erst Mitte 2017 losgehen. Trotzdem verlangte eine Hausverwalterin im März den sofortigen Auszug. Der Streit drehte sich um Betriebskosten: Laut einer mündlichen Absprache sollte Nicolaou dafür seit Mitte 2015 monatlich 1000 Euro überweisen, was sie aber nur einmal tat.
Umzug an die Kant- oder Friedrichstraße?
„Wir haben den Laden lange genug gesponsert“, sagt der Geschäftsführer von Cells Bauwelt, Norman Schaaf. Seine Firma könne es sich „nicht leisten, dass Leute nicht mal die Nebenkosten zahlen“. Nicolaou betont hingegen, sie habe angeboten, alles nachzuzahlen, wenn sie nur endlich eine schriftliche Vereinbarung bekomme. Alles schien auf eine Räumungsklage hinauszulaufen. Jetzt trafen sich Schaaf und Nicolaou erstmals persönlich und einigten sich auf die Räumung Ende Juni. Allerdings will die Unternehmerin den Kompromiss noch von ihrem Anwalt prüfen lassen.
Nicolaou hat einen Makler beauftragt, um neue, wahrscheinlich kleinere Räume zu finden. Momentan seien Ladenflächen an der Charlottenburger Kantstraße oder an der Friedrichstraße in Mitte im Gespräch, sagt sie.
Cay Dobberke