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Eine frisch gepresste Schallplatte verlässt das Presswerk von Celebrate Records in Stollberg (Sachsen). Laut dem Bundesverband Musikindustrie wurden 2014 rund 1,8 Millionen Platten für 38 Millionen Euro verkauft, so viele wie seit 1992 nicht.
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Rückkehr des Vinyl: Die Schallplatte wird wieder beliebt

Lange galt die Schallplatte als Auslaufmodell. Doch ausgerechnet in einer Zeit, in der immer mehr digitalisiert wird, findet die analoge Platte aus Vinyl neue Freunde.

Die Schallplatte wird beim Weihnachtsfest in diesem Jahr womöglich wieder häufiger auf dem Gabentisch zu finden sein. Die schwarzen Scheiben von einst sind längst nicht mehr immer nur schwarz, sondern auch grün, rot, blau oder weiß und beliebt wie lange nicht - das hat der Bundesverband Musikindustrie in Berlin herausgefunden. Demnach gehen nicht nur die Verkaufszahlen steil nach oben. Laut einer Umfrage stünden neben CDs, Download-Gutscheinen und Streaming-Abos auch Schallplatten weit oben auf dem Wunschzettel, hieß es. Etwa jeder vierte Befragte fände eine Schallplatte als Weihnachtsgeschenk gut.

Fast alle Popmusiker, die eine CD produzieren, bringen parallel dazu Schallplatten heraus

„Schallplatten machen einfach einen edlen Eindruck“, findet Carsten Haupt von Celebrate Records, einem von noch etwa einer Handvoll Schallplatten-Hersteller in Deutschland. Allein das Platten-Cover sei oft ein Kunstwerk. In dem schlichten, flachen Bau des Unternehmens in einem Gewerbegebiet am Autobahnanschluss von Stollberg im Erzgebirge lassen mittlerweile die Größen der deutschen und internationalen Musikbranche Vinyl-Scheiben pressen. Plattencover von Silbermond, Revolverheld, Barbra Streisand, Justin Timberlake, Michael Jackson, Bob Dylan zieren wie in einer Galerie die Wand. „Mittlerweile bringen fast alle Künstler, die eine CD produzieren, parallel dazu eine Schallplatte heraus“, sagt Haupt.

Mehr als 2 Millionen Platten stellt allein Celebrate Records nach Angaben Haupts mit rund 40 Mitarbeitern jährlich her. Etwa 70 Prozent gingen in den Export. „Wir produzieren für die ganz Welt.“ Celebrate Records ist nicht der einzige Hersteller.

Mitarbeiterinnen von Celebrate Records verpacken Schallplatten im Presswerk im sächsischen Stollberg.
Mitarbeiterinnen von Celebrate Records verpacken Schallplatten im Presswerk im sächsischen Stollberg.
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Laut dem Bundesverband Musikindustrie ist die Schallplatte schon seit Jahren wieder auf dem Vormarsch. 2014 seien in Deutschland rund 1,8 Millionen Platten verkauft worden, so viele wie seit 1992 nicht. Der Umsatz haben bei 38 Millionen Euro gelegen. Seit Ende der 1970er Jahre seien die jährlichen Umsätze bis auf etwa 6 Millionen Euro im Jahr 2006 geschrumpft, hieß es. Doch seit 2007 gehe es wieder bergauf. Mit 3,1 Prozent sei der Marktanteil von Vinyl verglichen mit anderen Tonträgern wie etwa der CD (60,6 Prozent) zwar noch relativ bescheiden. Doch das Wachstum sei enorm. Allein in den ersten zehn Monaten dieses Jahres gingen nach Verbandsangaben rund 1,4 Millionen Platten über den Ladentisch - etwa 25 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres. Überall machen Plattenläden auf, auch die gute alte Tonkassette ist wieder im Vormarsch, analog ist wieder hip.

Deutschlands wohl größter Schallplattenhersteller, die optimal media GmbH in Röbel an der Müritz (Mecklenburg-Vorpommern) hat nach eigenen Angaben im vergangenen Geschäftsjahr rund 16 Millionen Platten gepresst und will die Kapazität bis zum Frühjahr auf 22 Millionen steigern. Der Record Store Day und die traditionellen internationalen Schallplattenbörsen erfreuen sich regen Zuspruchs.

Die Vinyl-Welle hat längst auch die jüngere Künstler-Generation erfasst

Die Rückkehr der Schallplatte lässt die Experten rätseln. „Was genau die Initialzündung für diesen Boom war - ausgerechnet in einer Zeit, in der alle Zeichen auf Digitalmusik stehen, von der CD über den Download bis zum Streaming - kann man nur vermuten“, sagt der Geschäftsführer des Bundesverbandes Musikindustrie, Florian Drücke. Vielleicht sei es die Sehnsucht nach Entschleunigung in einer Welt, die immer schneller und in immer mehr Lebensbereichen digitalisiert. Die Vinyl-Welle hat längst auch die jüngere Generation erfasst. Die Bautzener Band „Silbermond“ etwa hat ihr jüngstes Album „Leichtes Gepäck“ auch auf Vinyl herausgebracht. „Wir schätzen die Haptik und den warmen, satten Vinyl-Sound sehr“, erklären die jungen Künstler mit Frontfrau Stefanie Kloß. „Allein dadurch, dass man die Seiten umdrehen muss und die Nadel neu aufsetzen, setzt man sich auf eine andere Art mit der Musik auseinander. Es ist insgesamt ein wesentlich intensiveres Hören.“

„Der Klang von Schallplatten ist einzigartig weich - nicht zu vergleichen mit dem von MP3-Playern“, schwärmt Carsten Haupt von Celebrate Records. „Wenn man die Augen schließt, hat man das Gefühl, direkt vor dem Künstler zu sitzen.“ Ein geringes Rauschen und Knistern gehöre fast dazu. Er glaube jedoch, dass sich viele der Platten, die jetzt verkauft werden, nie auf einem Plattenteller drehen werden. „Es sind auch Fan-Artikel.“

Die fertige Schallplatte muss 24 Stunden abkühlen

An der Herstellung der Schallplatten hat sich in den vergangenen Jahren nicht mehr viel geändert, sie ist verglichen mit der CD aufwendig. Die Maschinen sind noch von früher. Bei etwa 180 Grad wird mit Hilfe von Matrizen die Tonspur ins Vinyl gepresst. Die fertige Platte wird beschnitten und muss 24 Stunden abkühlen. Dennoch sei der Sound jetzt noch besser als früher, glaubt Haupt. „Entscheidend ist die Rezeptur des Vinyl-Granulats. Und die ist geheim.“ Seit 2014 steckt Celebrate Records übrigens in der Insolvenz. Doch Haupt macht einen gelassenen Eindruck. Die Insolvenz habe interne Ursachen. Er hoffe, sie bald hinter sich zu lassen. dpa/Tsp

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