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Platten, so weit das Auge reicht. Malte Brants ist Ein- und Verkäufer bei City Music am Breitscheidplatz und sagt, er habe sein „Hobby zum Beruf gemacht“.
© Mike Wolff

Plattenhandel in Berlin: Rille rückwärts

Der Plattenladen City Music muss schließen – plant aber schon den Neubeginn. Denn Vinyl liegt wieder im Trend.

Die 650 Quadratmeter Fläche sind bis in den letzten Winkel gefüllt mit neuen und gebrauchten Schallplatten, CDs und DVDs, Postern und Merchandisingartikeln vom T-Shirt bis zur Kaffeetasse: „City Music“ am Kurfürstendamm ist eine Oase für Musikfans aus aller Welt. Schon seit 30 Jahren gibt es den vorübergehend auch als „Cover Music“ bekannten Laden im alten Schimmelpfeng-Haus am Breitscheidplatz. „Der 80er-Jahre-Charme kommt gut beim Publikum an, viele unserer Kunden sind Touristen“, sagt Malte Brants, der nicht nur Kunden am Tresen bedient, sondern unter anderem auch für alle CD-Einkäufe zuständig ist.

Früher gab es im Herzen der City-West eine Reihe von Plattenläden – zum Beispiel Bote & Bock, Fnac, Virgin, Wom oder „Die Schallplatte am Kurfürstendamm“. Jetzt handeln nur noch Saturn im Europa-Center und City Music mit Tonträgern. Diese Entwicklung sei „ein Trauerspiel“, findet Brants. Bis Anfang November muss nun auch City Music ausziehen. Denn das Schimmelpfeng-Haus soll dem geplanten 118-Meter-Hochhaus „Upper West“ weichen.

Doch Ladenbesitzerin Brigitte Nicolaou und ihr Team aus fünf Angestellten und zwei Minijobbern geben nicht auf. Bei der Suche nach einem Ersatzstandort ist man soeben fündig geworden: City Music zieht Mitte November oder Anfang Dezember um ins Ku’damm-Karree. Damit „werden wir sogar expandieren“, sagt Brants, die Fläche sei größer als bisher.

Noch ein Turm. An der Stelle des alten Schimmelpfeng-Hauses soll bald das Hochhaus „Upper West“ entstehen (Bildmitte). Deshalb müssen City Music und andere Läden ausziehen.
Noch ein Turm. An der Stelle des alten Schimmelpfeng-Hauses soll bald das Hochhaus „Upper West“ entstehen (Bildmitte). Deshalb müssen City Music und andere Läden ausziehen.
© Simulation: promo

Das Management des Ku’damm-Karrees bestätigt, die Vertragsunterzeichnung stehe kurz bevor. Zunächst gehe es um eine Zwischenlösung bis zur geplanten Umgestaltung der Passage zwischen der Uhland- und Knesebeckstraße, die sich seit Jahren verzögert. Die Vermieter halten es aber auch für gut möglich, den Laden später im Neubau unterzubringen. „City Music war schließlich schon einmal hier“, heißt es.

Tatsächlich hat das Musikgeschäft seine Wurzeln nicht nur am Breitscheidplatz. Gründer waren die Wegert-Brüder, die unter den Namen City Music mehrere Läden in Berlin eröffneten und weitere Filialen in ihre damaligen Elektronikmärkte eingliederten. Das Flaggschiff war der „Tema“-Markt im Ku’damm-Karree, der bis zur Schließung vor sieben Jahren auch als „Promarkt“ und „Makromarkt“ firmierte. Die Musikabteilung belegte die Flächen in der ersten Etage, auf die City Music jetzt wieder zieht – wenn auch unter neuer Führung. Für Malte Brants bedeutet der Umzug eine persönliche Rückkehr, denn der 38-Jährige hatte seine Karriere einst in der Filiale im Ku’damm-Karree begonnen.

Platten in der Passage. Wann der seit Jahren geplante Umbau des Ku'damm-Karrees beginnt, ist weiterhin unklar. Nun zieht dort (wieder) City Music ein.
Platten in der Passage. Wann der seit Jahren geplante Umbau des Ku'damm-Karrees beginnt, ist weiterhin unklar. Nun zieht dort (wieder) City Music ein.
© Doris Spiekermann-Klaas

In Zeiten von Musikdownloads aus dem Internet bleibt dem stationären Tonträgerhandel nur ein Nischendasein. Tabletcomputer und Smartphones haben keine CD-Laufwerke, und Plattenspieler galten lange nur noch als Werkzeug von Diskjockeys oder Liebhaberstücke von Freunden klassischer Musik, die Vinyl einen besseren Klang attestieren. Doch inzwischen habe ein „Retrotrend“ eingesetzt, heißt es vom Bundesverband Musikindustrie (BVMI).

Der Verband sieht „gute Chancen“, dass Schallplatten in diesem Jahr wieder die Marke von einer Million verkaufter Exemplare in Deutschland durchbrechen – zum ersten Mal seit 15 Jahren. Im ersten Halbjahr 2012 seien die Umsätze im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 40 Prozent gestiegen. Der Anteil an allen Musikverkäufen liegt allerdings trotzdem nur bei 1,3 Prozent – bei der CD sind es knapp 70 Prozent.

Musikhändler Brants gibt zu, dass City Music die am Breitscheidplatz üblichen hohen Mieten nicht hätte zahlen können; doch wegen der Abriss- und Neubaupläne habe der Vermieter günstige Konditionen gewährt. An den Vinylregalen beobachtet Brants auch junge Fans von Rock-, Metal- oder Popmusik. Den Käufern gehe es um das „haptische Erlebnis“, sagt er. Es sei etwas anderes, ein Produkt in den Händen zu halten, als nur eine elektronische Datei zu haben. Bei Schallplatten ermögliche das große Cover zudem das beste Artwork. Manchmal handele es sich um ganz andere Motive als bei den Veröffentlichungen auf CD oder im Netz. Außerdem gibt es bei Schallplatten oft eine Zugabe: Der Hülle liegt eine CD oder ein Downloadgutschein für eine mp3-Musikdatei bei – obwohl die Platte nicht mehr kostet als die digitalen Medien.

Musikgeschäfte machen auch mit Veranstaltungen auf sich aufmerksam: Vom 15. bis 20. Oktober findet die vierte bundesweite „Plattenladenwoche“ mit Konzerten und Autogrammstunden statt (Näheres unter www.plattenladenwoche.de). In Charlottenburg eröffnen zwei Gründer mit langer Branchenerfahrung zum Auftakt am Montag sogar einen neuen Laden in Ku’damm-Nähe. Bei „Oldschool“ in den Arkaden am Walter-Benjamin-Platz ist der Name Programm, versprochen wird ein „Schallplattenladen alter Schule“.

City Music verabschiedet sich derweil mit Gratiskonzerten vom jetzigen Standort. Am Dienstag singt Mick Flannery aus Irland, am Freitag der kommenden Woche gastiert die Mannheimer Band Bakkushan im Laden, und am 20. Oktober folgen die „Donots“ aus dem Raum Münster. Beginn ist jeweils um 17 Uhr.

- Weitere Adressen und Beschreibungen der Berliner Plattenläden unter:
www.tagesspiegel.de/plattenlaeden

Cay Dobberke

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