Sorge um Investitionen: Berlins Wirtschaftssenatorin Pop will Schuldenbremse lockern
Ab 2020 dürfen die Bundesländer keine neuen Schulden mehr aufnehmen. Die Grünen-Politikerin warnt, dass die Regelung Investitionen verhindern könnte.
Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop hat sich für eine Lockerung der Schuldenbremse ausgesprochen. „Ich halte sie für reformbedürftig, weil ihre heutige Konstruktion Investitionstätigkeit beschneidet oder verhindert“, sagte die Grünen-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. „Wir müssen eine Reform der Schuldenbremse hinbekommen, die garantiert, dass Deutschland und Berlin in einem veränderten konjunkturellen Umfeld investieren können.“
Im Zuge der Föderalismusreform war das Grundgesetz 2009 durch die Schuldenbremse ergänzt worden. Ab 2020 dürfen die Bundesländer keine neuen Schulden mehr aufnehmen, der Bund maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).
Seit geraumer Zeit ist eine bundesweite Debatte darüber im Gang, ob die Regelung nicht zu streng ist. Erst im November hatten Industrie und Gewerkschaften in einem gemeinsamen Appell Investitionen des Bundes in Höhe von 450 Milliarden Euro über einen Zeitraum von zehn Jahren gefordert.
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Pop verwies auf einen Vorschlag der Grünen, dem Staat Schulden für Investitionen etwa in Infrastruktur oder Klimaschutz zu erlauben, wenn seine Gesamtschuldenlast 60 Prozent des BIP nicht überschreitet.
Deutschland würde diese Vorgabe, die sich an europäische Regelungen anlehnt, erfüllen.
"Es geht nicht darum die Schuldenbremse abzuschaffen, sondern sie zu öffnen"
Die Frage sei, ob nicht auch ein Staat und seine Unternehmen „kaufmännisch vernünftig“ handeln könnten, so Pop. „Jeder Unternehmer muss seine Investitionen mindestens teilweise fremdfinanzieren. Wichtig ist, dass er auf diese Weise Überschüsse erzielt oder Verluste vermindert. Die Schulden von Morgen bauen wir heute in Form von kaputten Brücken, fehlenden Bahntrassen und schlechter Internetabdeckung auf.“ Pop weiter: „Es geht nicht darum, die Schuldenbremse abzuschaffen, sondern darum, sie etwas zu öffnen, vor allem für Investitionstätigkeit.“
Zwar sei Berlin mit dem Fonds Siwana, in dem sich aktuell 2,9 Milliarden Euro Investitionsmittel befinden, auch für schlechtere Zeiten gut aufgestellt. „Aber ja. Eine Reform der Schuldenbremse würde auch Berlin helfen, das dauerhaft absichern zu können, was an Investitionen nötig ist.“
Berlin hat noch einen Schuldenberg von 57 Milliarden Euro
Dank sprudelnder Steuereinnahmen, die Pop zufolge allein zwischen 2013 und 2018 von 11,9 Milliarden Euro auf 17 Milliarden Euro stiegen, kommt Berlin schon seit Jahren ohne neuen Schulden aus und konnte zuletzt vergleichsweise komfortabel wirtschaften. Aber langsam scheinen die goldenen Zeiten zu Ende zu gehen, die Konjunktur in Deutschland verschlechtert sich. Und Berlin hat auch noch einen Schuldenberg von rund 57 Milliarden Euro.
Vor diesem Hintergrund plädierte Pop dafür, langfristig am Grundsatz „Investieren und Konsolidieren“ festzuhalten. Konsumtive Ausgaben als „Wahlgeschenke“ seien oft schnell vergessen, kosteten aber dauerhaft viel Geld. „Investitionen hingegen schaffen Wert und Vermögen für die öffentliche Hand, einen Mehrwert für die Stadt. Wenn wir in Schulen, Straßen, Brücken, U- oder Straßenbahnen investieren, sichern wir die Steuereinnahmen von morgen.“
FDP nennt Vorschlag "finanzpolitischen Irrsinn"
Die Berliner FDP-Fraktion wertete eine Öffnung der Schuldenbremse für die Hauptstadt am Donnerstag als „finanzpolitischen Irrsinn“. Im Fonds Siwana lägen über drei Milliarden Euro für Investitionen in die wachsende Stadt bereit, sagte Sibylle Meister, Sprecherin für Haushalt und Finanzen. „Es ist Rot-Rot-Grün, die hindern, dass diese Mittel zügig abfließen“, urteilte sie. Diese Gelder müssten endlich für Neubau und dringend benötigte Sanierungsmaßnahmen bei Bildung, Polizei und Feuerwehr eingesetzt werden.
Die rot-rot-grüne Koalition in der Bundeshauptstadt hat derweil für Berlin eine „flexible Schuldenbremse“ verabschiedet. Ausnahmen sind möglich, wenn die konjunkturelle Entwicklung „von der Normallage abweicht“, oder im Fall von Naturkatastrophen und „außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Landes entziehen“. Möglich bleibt auch die Aufnahme sogenannter Kassenverstärkungskredite, die aber kurzfristig zurückgezahlt werden müssen. (Tsp, dpa)