Bildung im Wahlkampf: Berlins SPD hat von der Schule noch nicht genug
Nach 25 Jahren an der Spitze der Bildungsverwaltung gilt die SPD als schulpolitisch ausgelaugt. Ihre ambitionierte Abgeordnete Maja Lasić ficht das nicht an.
Wie auch immer die Abgeordnetenhauswahl im Herbst ausgeht: Kaum jemand in Berlin würde einen Cent darauf verwetten, dass die SPD abermals das Bildungsressort führen wird. Nach einem Rekord von 25 Jahren an der Spitze mit ernüchternder Bilanz gilt die Sozialdemokratie als schulpolitisch ausgelaugt. War’s das?
Wer an dieser Stelle laut „ja“ rufen würde, kennt wohl Maja Lasić nicht. Die bildungspolitische Sprecherin der SPD- Fraktion macht nämlich keinen ausgelaugten Eindruck. Im Gegenteil: Mit viel Elan ist sie gerade dabei, den schulischen Teil des Wahlprogramms zu schärfen, bevor der Entwurf im April verabschiedet werden soll. Denn Lasić ist der Meinung, dass ihre Partei bildungspolitisch noch lange nicht am Ende ist. Also, dann mal los.
„Ich weiß, es ist nicht einfach, aber ich will immer noch erzählen, was die Sozialdemokratie in dem Bereich zu bieten hat“, schickt die promovierte Biochemikerin gleich voraus. Für Lasić, die mit 14 Jahren während des Jugoslawienkrieges aus Bosnien kam, heißt das, wie sie sagt, in erster Linie: Chancengerechtigkeit herstellen, damit mehr Jugendliche so wie sie den Aufstieg schaffen.
Mit diesem Ziel ist sie auf der schulpolitischen Bühne allerdings nicht allein: FDP und CDU würden es nicht viel anders formulieren, ihre Mitbewerber von Linken und Grünen haben eine ähnliche Agenda. Darum muss die sozialdemokratische Abgeordnete aus Wedding erläutern, was die SPD anders machen würde.
Da wäre zum Beispiel die Sache mit dem Neutralitätsgesetz: Linke und Grüne wollen es kippen, was bedeuten würde, das muslimische Lehrerinnen künftig mit Kopftuch vor der Klasse stehen könnten. Die bisherigen Arbeitsgerichtsurteile weisen ohnehin in diese Richtung. Lasić ist sich dennoch mit ihrer Partei darin einig, dass das Gesetz gerettet werden soll.
"Der Staat hat das Recht, sich zur Neutralität zu bekennen"
„Niemand kann mich davon abhalten zu glauben, dass der Staat das Recht hat, sich zu seiner Neutralität zu bekennen“, sagt die 41-Jährige und ist damit auf einer Linie mit dem Innensenator. Wenn man vor den Arbeitsgerichten scheitere, müsse man eben einen anderen Weg beschreiten – etwa durch eine Präzisierung im Gesetz. Auch der Gang vor das Bundesverfassungsgericht werde erwogen.
Es müsse möglicherweise klarer gemacht werden, wann eine Gefährdung des Schulfriedens vorliege, damit nicht jeder einzelne Fall neu verhandelt werden müsse. Auf jeden Fall verlaufe hier ein „Graben“ zu den aktuellen Koalitionären.
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Weniger groß ist der Graben bei der Haltung zum Gymnasium. Ebenso wie Linke und Grüne will die SPD auf ein längeres gemeinsames Lernen hinaus, und die Existenz der Gymnasien wird von maßgeblichen Kräften in der SPD nur widerwillig hingenommen. Schon länger hadern die drei Koalitionäre mit dem Probejahr, das es den Gymnasien ermöglicht, schwächere Schülerinnen und Schüler an die Sekundarschulen abzugeben.
Das Probejahr steht zur Disposition
Stattdessen sollten sie, so die Folgerung, alle behalten, die sie aufgenommen haben. Die Gymnasien halten dem entgegen, dass sie wegen des freien Elternwahlrechts kaum Einfluss auf die Aufnahme haben. Das Probejahr sei daher ein wichtiges Regulativ. Lasić nennt als möglichen Kompromiss, sich an Brandenburg zu orientieren, wo es statt eines Probejahres einen zweitägigen Probeunterricht oder eine Eignungsprüfung gibt. Dieser Punkt ist im Wahlprogramms noch offen.
Weiter ist die SPD in anderen Punkten – etwa im Hinblick auf das Ziel der Leistungsverbesserung. Hier kann sie an die Empfehlungen der Expertenkommission des Kieler Forschers Olaf Köller anknüpfen, die vorgab, dass die Schulen sich konsequenter mit den Leistungsdaten ihrer Schüler auseinandersetzen müssen.
Die SPD folgt der Expertenkommission
Desaströse Ergebnisse bei den Vergleichsarbeiten sollen nicht mehr in der Schublade verschwinden. Lasić spricht von „Rechenschaftslegung“ und davon, dass zusätzliche Gelder – etwas aus dem Bonusprogramm – zwingend an die Schulentwicklung gekoppelt sein müssen. Dass es falsch ist, „immer nur Geld reinzupumpen“, ohne auf das Ergebnis zu sehen – auch mit dieser Einschätzung folgt die Abgeordnete der Köller-Kommission, und fügt selbstkritisch an: „Wir sind beim Controlling komplett gescheitert.“
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Schwammiger bleibt das Programm bei der Digitalisierung. Dazu heißt es, dass „unser landeseigener Dienstleister für Digitale Bildung Freiräume für die digitale Entwicklung der Schulen eröffnet“. Da das aber schon in der Vergangenheit nicht geklappt hat, macht diese Einlassung wenig Hoffnung. Soll also ein neuer Dienstleister her? „Das wäre eine Frage der nächsten Koalitionsvereinbarung“, sagt Lasić Vielleicht brauche man in Analogie zur „Taskforce Schulbau“ eine „Taskforce Digitalisierung“ mit einem starken Partner, wie es für den Schulbau die Howoge sei.
"ndH" - ein stigmatisierendes Kürzel für Migranten?
Wegkommen will die SPD von der umstrittenen Begrifflichkeit „Schüler nicht- deutscher Herkunftssprache“. Bisher war dieser so genannte „ndH-Indikator“, also der Anteil von Schülern mit Migrationsgeschichte, ausschlaggebend für die Zuweisung zusätzlicher Lehrkräfte für die Sprachförderung – und für viele Eltern auch wichtig bei der Schulwahl. Dieser Indikator sei nicht aussagekräftig, sondern „stigmatisierend“, meint die SPD: Sie will daher weg von der Nennung der ndH- Quote und stattdessen noch transparenter als bisher die Entwicklung der Leistungsdaten veröffentlichen: „Das wird Widerstände hervorrufen“, sagt Lasić.
Damit ist auch in anderen Punkten des Wahlprogramms zu rechnen – etwa bei der Einführung eines Lehramtsbachelor. Bisher sitzen Lehrer beispielsweise in denselben Mathematikseminaren wie künftige Informatiker. Die SPD will, dass die Pädagogen unter sich bleiben und ihre Fächer in der „School of Education“ studieren – ein Schritt zurück also in Richtung der früheren Pädagogischen Hochschule. Um dem großen Mangel an Interessenten für das Berufsschullehramt zu begegnen, soll es zudem einen dualen Modell-Studiengang in Zusammenarbeit mit Fachhochschulen geben – auch dies wäre eine völlig neue Weichenstellung.
Die Verbeamtung der Lehrkräfte bleibt das Ziel
Andere Punkte im Wahlprogramm sind erwartbar, darunter das Bekenntnis zur Verbeamtung der Lehrkräfte. Zudem will die SPD die Vertretungsreserve „in den schwierigsten Lagen“ auf bis zu 110 Prozent aufstocken. Bisher dümpelt sie bei nur drei Prozent, was an den Sparvorgaben der Vorjahre liegt – auch so ein SPD-Erbe, von dem Lasić sich nicht den Mut zum Neuanfang nehmen lässt. Wird sich die SPD also abermals um das Schulressort bemühen?
„Ressorts werden in Koalitionsverhandlungen verteilt, jetzt darüber zu sinnieren wäre verfrüht“, wehrt Lasić ab. Eines aber möchte sie klarstellen: „Wenn Mitbewerber glauben, den Wahlkampf mit dem Fingerzeig in Richtung 25 Jahre SPD-Bildungspolitik bestreiten zu können, wird dies nicht reichen.“ Die Sozialdemokratie sei bereit für den Wahlkampf.
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