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Streit um ein Stück Stoff. Bisher dürfen Lehrerinnen in Berlin keine Kopftuch tragen.
© Patrick Lux/ dpa

Neues Neutralitätsgesetz für Berlin: Justizsenator Behrendt will Kopftuch für Lehrerinnen erlauben

Berlins Grüner Justizsenator will das Neutralitätsgesetz reformieren und damit religiöse Kleidung an Schulen erlauben. Die Opposition ist empört.

Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) strebt noch in diesem Jahr eine Novellierung des Neutralitätsgesetzes an. Das Tragen religiöser Kleidung und Symbole an Schulen soll nach seinem Willen künftig erlaubt werden. Per Senatsbeschluss solle noch bis zur Abgeordnetenhauswahl im September ein Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht werden, sagte er der Nachrichtenagentur epd.

Der Justizsenator reagiert damit auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt. Es hatte im August 2020 entschieden, dass Berlin einer muslimischen Bewerberin für eine Lehrerinnenstelle nicht pauschal das Tragen eines Kopftuchs verbieten darf. Ihr war eine Quereinsteiger-Stelle verwehrt worden. Das im Berliner Neutralitätsgesetz enthaltene Verbot des Tragens religiöser Symbole im Unterricht stellt laut Gericht einen unzulässigen Eingriff in die Religionsfreiheit dar. Die Richter verwiesen auf Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes und forderten, den Gesetzespassus verfassungskonform auszulegen: Nur eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität könne ein Kopftuchverbot begründen.

In der rot-rot-grünen Koalition lehnt es vor allem die SPD ab, Lehrerinnen und Lehrern religiöse Kleidung zu erlauben. Bildungssenatorin Sandra Scheeres etwa erklärte, dass das Neutralitätsgesetz an sich nicht verfassungswidrig sei. Schulleitungen sorgten sich, dass ohne neutrales Auftreten der Lehrkräfte religiöse Konflikte in Schulen hineingetragen werden.

Die CDU spricht von „parteipolitischer Verschleierungsträumereien“

Behrendt hatte bereits im September einen Eklat ausgelöst, als Referendarinnen bei der Staatsanwaltschaft das Tragen des Kopftuchs in Prozessen erlaubt wurde, wenn ein Ausbilder dabei ist. Nun sprach er von Handlungsdruck an Schulen. Es gehe um einen verfassungsgemäßen Zustand. Sobald die Urteilsbegründung aus Erfurt vorliege, könne der Senat zeitnah einen Gesetzentwurf vorlegen. „Wir werden in der multireligiösen Gesellschaft hinzunehmen haben, dass Menschen eben religiös sind und auch religiöse Symbole tragen, wenn sie sich in ihrem beruflichen Umfeld bewegen“, sagte Behrendt.

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Die Bildungsexpertin der Linksfraktion, Regina Kittler, zeigte sich skeptisch, dass die Novelle vor der Wahl noch durch das Parlament kommt. In ihrer Fraktion gibt es unterschiedliche Meinungen, eine Entscheidung zum Umgang mit dem Kopftuchverbot werde nach Lektüre der Urteilsbegründung fallen. Kittler forderte, es müssten Vorkehrungen gegen Indoktrination von Schülern getroffen werden. „Wir haben da durchaus Ansätze“, sagte sie. Wenn in einer Grundschule, in der vor 15 Jahren noch kein Mädchen mit Kopftuch war, dies dort nun Alltag sei, und die Lehrerin ein Kopftuch trage, sorge das für einen bestimmten Umgang. „Lehrerinnen sind Vorbilder für die Kinder.“

CDU-Rechtsexperte Sven Rissmann warf Behrendt vor, „seinen Frontalangriff auf das bewährte staatliche Neutralitätsgebot“ fortzusetzen. Die SPD müsse ihn in die Schranken weisen. Der CDU-Bildungspolitiker Dirk Stettner attestierte Behrendt „parteipolitische Verschleierungsträumereien“. Paul Fresdorf (FDP) sagte: „Staatliche Neutralität ist keine Spielwiese für ideologische Schickimicki-Spielchen der Grünen, sondern eine Grundfeste unserer Demokratie.“

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