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Kinder und Jugendliche aus dem überfüllten und im September abgebrannten Lager Moria auf Lesbos während eines Protestmarschs gegen ihre Lebensbedingungen.
© Pangiotis Balaskas/imago
Update

Wegen abgelehnter Flüchtlingsaufnahme: Berliner Senat klagt jetzt gegen Seehofer

Im Sommer sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer zwei Ländern ab, die mehr Flüchtlinge aufnehmen wollen. Berlins Senat klagt jetzt dagegen. Thüringen zögert.

Thüringen hat sich der Klage Berlins gegen Bundesinnenminister Seehofer bisher nicht angeschlossen. "Die Meinungsbildung in der Landesregierung ist noch nicht abgeschlossen", sagte der Sprecher des Erfurter Justizministeriums, Oliver Will, dem Tagesspiegel. Berlin hatte am Dienstag entschieden, dass es gegen das Nein des Bundesinnenministeriums zu seinem Flüchtlingsaufnahmeprogramm klagen wird. Im Juli hatte Seehofers Haus dem Berliner Innensenator mitgeteilt, dass man die nötige Bundeszustimmung nicht erteilen werde. Wenig später ging ein entsprechender Brief nach Thüringen. Auch die Regierung des Freistaats und das Land Bremen wollen Hunderte Geflüchtete, vor allem von den griechischen Inseln, aufzunehmen. Dazu ist allerdings Grünes Licht des Bundes nötig. Vor allem in Thüringen hatte die SPD, Juniorpartnerin in der rot-rot-grünen Regierung Ramelow, die Aufnahmepläne des Grünen Justizministers immer wieder ausgebremst.

Senator Geisel: Klage ist geboten

"Nachdem Senator Geisel sich im August vergeblich an den Bundesinnenminister wandte und sich Mitte September selbst in Griechenland einen Eindruck von der Lage verschafft hat, ist nunmehr Klage geboten", hieß es in einer Erklärung der Senatskanzlei. Darin wird gleichzeitig betont, dass es ihr um mehr als dieses eine Programm zu tun ist. "Es geht um die grundsätzliche Klärung, unter welchen Voraussetzungen das BMI das Einvernehmen zu Landesaufnahmeprogrammen der Länder verweigern darf."

Horst Seehofer (CSU) hatte das Berliner Programm mit der Begründung abgelehnt, es gefährde die Bundeseinheitlichkeit der Flüchtlingsaufnahme. Er sprach auch von einem nationalen Alleingang, der europäische Lösungen erschwere. Nach dem Aufenthaltsgesetz brauchen die Länder grünes Licht aus Berlin für solche Aufnahmen.

Kurz nach seinem Nein für Berlin schickte Seehofer einen Absagebrief auch nach Thüringen, das ebenfalls mehr Geflüchtete aufnehmen wollte, als der bundeseinheitliche Schlüssel vorsieht. Frühere Länderprogramme segnete Seehofers Haus dagegen ab, etwa das für geflüchtete Jesidinnen in Baden-Württemberg.

In Thüringen ist der grüne Minister Dirk Adams zuständig, in Berlin, das nun klagt, Innensenator Andreas Geisel von der SPD.

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Die kleineren Berliner Koalitionspartnerinnen zeigten sich jedenfalls erfreut über den Senatsbeschluss. Bettina Jarasch, die Kandidatin der Grünen fürs Amt der Regierenden Bürgermeisterin zur nächsten Abgeordnetenhauswahl, sagte dem Tagesspiegel: "Es ist weder moralisch und politisch noch juristisch zu rechtfertigen, dass das Bundesinnenministerium einem Bundesland die humanitäre Hilfestellung für Menschen in Not verweigert."

Das Aufenthaltsgesetz gebe den Ländern viel mehr Spielraum dafür, als das Bundesinnenministerium ihnen zugestehen wolle, sagte Jarasch. So aber werde die Eigenstaatlichkeit der Bundesländer massiv eingeschränkt. "Das sollten die Bundesländer sich nicht gefallen lassen."

Linke: Ministerentscheidung führt Gesetz ad absurdum

Die Berliner Landesvorsitzende der Linkspartei, Katina Schubert, twitterte: "Gut so!" Sie hatte zuvor argumentiert, dass Seehofers Nein die vom Gesetz vorgesehene Möglichkeit, eigene Landesprogramme aufzulegen, ad absurdum führe.

Auch der Professor für Öffentliches Recht an der Berliner Freien Universität, Helmut Aust, und die Politikwissenschaftlerin und frühere Präsidentin der Viadrina-Universität in Frankfurt/Oder, Gesine Schwan, hatten im Tagesspiegel Seehofers Argumentieren mit der Bundeseinheitlichkeit für nicht stichhaltig erklärt. Schließlich sehe das Gesetz ausdrücklich eigene Programme der Länder vor.

"Seehofer will Kommunen den Wind aus den Segeln nehmen"

Das Bündnis "Seebrücke" begrüßte den Berliner Schritt und forderte die beiden anderen Länder mit Aufnahmeprogrammen - neben Thüringen ist das Bremen - auf, dem Beispiel zu folgen. Die Klage sei "konsequent und notwendig". Bereits jetzt wollten 200 Kommunen und drei Bundesländer Geflüchtete aufnehmen, und der Innenminister "verhindert das, weil das Leid an den Außengrenzen seiner Politik in die Karten spielt". Der bevorstehende Winter und die Pandemie verschlimmerten die Situation für schutzsuchende Menschen zudem enorm, erklärte Doreen Johann von Sea-Watch, einer weiteren Seenotrettungs-NGO.

Dass es beim Nein Seehofers unter anderem um die Städte geht, von denen inzwischen 200 erklärt haben, dass sie für weitere Flüchtlinge offen sind, vermutet auch Bettina Jarasch von den Grünen: Seehofer wolle dieser wachsenden Bewegung "den Wind aus den Segeln nehmen".

Das Städtebündnis, dem auch Berlin angehört und das von Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) koordiniert wird, hatte im Oktober einen weiteren Erfolg, als die Kanzlerin erstmals mehrere Vertreterinnen und Vertreter einlud und sich ihre Sicht der Lage anhörte. Als es sich im Sommer 2018 gründete, gehörten ihm erst etwa 30 Kommunen und Landkreise an, die sich selbst zu "sicheren Häfen" erklärten und betonten, sie hätten ausreichend Plätze, um mehr Menschen aufzunehmen und auf Dauer zu integrieren.

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