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Ende September: Minderjährige Migranten aus dem abgebrannten griechischen Lager Moria sind mit einem Airbus A320 in Hannover gelandet.
© imago images/localpic

Aufnahme von Flüchtlingen aus Lesbos: Rot-rot-grüne Länder drohen Seehofer mit Klage

Berlin, Bremen und Thüringen sehen sich vom Bundesinnenminister ausgebremst. SPD, Linke und Grüne appellieren an den CSU-Politiker.

Nach den verheerenden Bränden im Flüchtlingscamp Moria auf Lesbos erhöhen SPD, Linke und Grüne in den rot-rot-grün regierten Bundesländern Berlin, Bremen und Thüringen den Druck auf Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), deutlich mehr Migranten aus Griechenland aufzunehmen als bisher geplant. In einer gemeinsamen Stellungnahme fordern die drei Parteien eine Unterstützung für die Landesaufnahmeprogramme.

Sie drohen Seehofer, den Klageweg zu beschreiten, sollte er sein Einvernehmen auf Aufnahme in den drei Bundesländern weiter verweigern. „Neben der Bundesaufnahme dürfen aufnahmefähige Länder nicht länger ausgebremst werden“, heißt es in der gemeinsamen Stellungnahme. „Landesaufnahmeprogramme sind Zeichen gelebter Solidarität und Ausdruck der Eigenstaatlichkeit der Länder nach Artikel 30 des Grundgesetzes.“

Zu den Unterzeichnern der Stellungnahme gehören die Landesvorstände von Grünen, SPD und Linkspartei in Berlin und Bremen, in der Hansestadt außerdem die Bürgerschaftsfraktionen von Grünen und Linken.

In Thüringen wird der Appell dagegen maßgeblich zunächst nur von Linkspartei und Grünen getragen - sowohl deren Landesvorstände als auch deren Landtagsfraktionen haben unterzeichnet.

Von Seiten der thüringischen SPD stehen bisher nur der Name des Landtagsabgeordneten Thomas Hartung sowie die Jugendorganisation Jusos unter dem Papier. Hartung ist migrationspolitischer Sprecher seiner Fraktion. Er sagte dem Tagesspiegel, er gehe davon aus, dass die Fraktion das Papier noch unterzeichnen werde - sie sei lediglich in den vergangenen Tagen nicht zusammengekommen.

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In Thüringen hatte die SPD, Juniorpartner in der vom Linken-Politiker Bodo Ramelow geführten Regierungskoalition, in der Vergangenheit immer wieder Vorbehalte gegen ein Landesaufnahmeprogramm geäußert, weil dieses eine europäische Lösung gefährde. Im Mai hatte sie einen Hilfsplan gestoppt, den Thüringens Justizminister Dirk Adams (Grüne) erarbeitet hatte.

In der gemeinsamen Erklärung aus Berlin, Bremen und Thüringen heißt es jetzt, die Brände im Camp Moria, bei denen mehr als 12.000 Menschen obdachlos geworden seien, „sind das letzte Zeichen des Scheiterns der Flüchtlings- und Migrationspolitik an den europäischen Außengrenzen“. Völlig unzureichende hygienische Bedingungen und fehlende ärztliche Versorgung, Überbelegung und die schleppende Bearbeitung von Asylanträgen würden seit Jahren die Situation prägen.

Und weiter: „Der Schutz von vulnerablen Gruppen wie Kindern, Kranken oder Traumatisierten ist nicht gewährleistet.“ Die Parteien sehen die drei Bundesländer als „Bündnis der Solidarität“, sie nennen die sich immer weiter zuspitzende Situation unhaltbar sowohl für die Geflüchteten als auch für die europäische Wertegemeinschaft. Aufnahmekapazitäten in Deutschland für eine rasche und unbürokratische Familienzusammenführung seien vorhanden.

Streit um Landesaufnahmeprogramme

Seehofer hatte gegen Landesaufnahmeprogramme mehrfach rechtliche Bedenken geltend gemacht. Die rot-rot-grünen Vertreter aus den drei Bundesländern dagegen argumentieren, das Einvernehmen mit Seehofer habe nur dazu zu dienen, dem Bundesinnenministerium die Möglichkeit zur bundesweiten Koordinierung zu geben.

Die „willkürliche Verweigerung des Einvernehmens durch Seehofer“ sei ein „rechtsmissbräuchlicher Eingriff in die Eigenverantwortlichkeit der Länder“, heißt es weiter: „Seehofer muss seine Verweigerungs- und Verhinderungstaktik aufgeben.“

Die Flüchtlingshelfer von Seebrücke, Sea-Watch und Equal Rights Beyond Borders begrüßten am Donnerstag das gemeinsame Engagement von Berlin, Bremen und Thüringen. Einen Monat nach den Bränden von Moria sei die Lage in den Lagern aus dem Blickfeld der öffentlichen Aufmerksamkeit verschwunden, doch die Situation dort bleibe unerträglich, sagte Johannes Gaevert von der Seebrücke dem Tagesspiegel. „Die Bundesländer müssen ihren Weg, eigenständig Menschen aufzunehmen, weiter gehen und notfalls auch rechtlich durchsetzen.“

Der Bund nimmt auf - wenn auch nur zögerlich

Nach den Bränden im September Camp Moria war die Bundesregierung zumindest teilweise von ihrer bisher sehr starren Haltung abgekommen, was die Aufnahme in Deutschland betrifft. Erst am Mittwoch waren 91 Geflüchtete, davon 21 kranke Kinder mit ihren Kernfamilien, aus Griechenland kommend am Flughafen Hannover eingetroffen.

Wie das Bundesinnenministerium mitteilte, wurden damit insgesamt in diesem Jahr damit bereits 804 Personen, darunter 104 unbegleitete Minderjährige und 163 kranke Kinder, per Flugzeug von Griechenland nach Deutschland gebracht. Seehofer hatte nach Abstimmung innerhalb der Bundesregierung entschieden, 243 kranke Kinder einschließlich ihrer Kernfamilien aus Griechenland zu übernehmen.

Ursprünglich war der Flug auch für weitere 40 unbegleitete Minderjährige vorgesehen, deren Übernahme die Bundesregierung nach den Bränden im Camp Moria auf der Insel Lesbos zugesagt hatte. Nach Corona-Fällen in ihren Unterbringungseinrichtungen in Athen stehen diese allerdings für 15 Tage unter Quarantäne. Eine Einreise soll nun voraussichtlich Ende Oktober 2020 erfolgen.

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