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Jaja, schon gut. Dieses Bild aus dem Berliner Olympiastadion ist natürlich nicht während eines Hertha-Spiels entstanden. Doch stimmungsvoll ausverkauft ist das Rund auch da nur selten.
© pa/dpa

Hertha, Union & Co.: Berliner Fußball? Ohne mich!

Im Osten randalieren Zuschauer eines Derbys. Im Westen hängen Funktionäre im Mimimi-Modus fest. Seit Jahren verprellen Berlins Fußballvereine selbst gutwillige Neubürger.

Die Berliner Fußballvereine sollen Ziel dieser Wutrede sein, genauer gesagt: die andauernde Unmöglichkeit, sich auf ihre Seite zu schlagen. Wofür mir in London ein Kurztrip reichte (Crystal Palace! Yeah!), ist in dieser Stadt auch im 18. Jahr nach Ankunft trotz breit gestreuter Feldversuche noch immer nicht gelungen. Es ist also eigentlich eine Trauerrede.

Zur Offenlegung: Es geht hier um die Zweit- bis Drittsympathien. Der Erstverein kommt nicht von hier, seit immer schon, familiär bedingt, da lässt sich nicht dran rütteln. Aber da ist sonst schon noch ein bisschen Platz im weiten Herzen. Nur für wen?

Man weiß ja dieser Tage gar nicht, wo man anfangen soll in dieser Stadt, die im Juni 2015 das Finale der Champions League ausrichtet, immerhin ja weltweit wichtigster Vereinswettbewerb. Drei Monate vorher, also jetzt, am Ort des großen Geschehens: Anwaltsgebrüll, Tribünenstürme, Tristesse.

Die immer lauten und aufmüpfigen Sportsfreunde des 1. FC Union aus Köpenick schienen eine Zeitlang eine grundsolide Wahl als Verein Nummer zwei. Gutes Stadion, gute Stimmung, gute Werte, und das ist ja schon ziemlich viel. Billig wäre es nun, die Eskalationen rings um das Derby der Unioner Zweiten gegen die verhassten BFC’ler neulich als Grund für die Entfremdung anzuführen.

Nein, sorry. Ging viel früher los. Sagen wir: Irgendwann ist das Wir-gegen-alle, das Wagenburgige doch zu dominant geworden. Vielleicht endgültig an dem Tag vor bald vier Jahren, als ein Vereinsverantwortlicher vor einem Punktspiel mit wallender Mähne über den Rasen der Alten Försterei schritt und anlässlich der Diskussion um des Präsidenten Vergangenheit in einem Wachregiment des MfS ins Mikro rief: Wir müssen uns die DDR nicht von Leuten erklären lassen, die nicht dabei waren! Da steht man dann auf der Tribüne als gebürtiger Westler, der Berlin immer als Ganzes erlebt hat, und denkt sich: Na gut, dann bleibt doch unter euch.

Am Ende bleibt Tennis Borussia. Oder?

Was mit Hertha zur gleichen Zeit los war? Weiß ich ehrlich gesagt gar nicht mehr. Nicht ganz unwahrscheinlich, dass eine mäßig interessante Mannschaft in einem mäßig attraktiven Stadion mal wieder mäßig erfolgreich gegen den Abstieg spielte. Und wenn schon der sportliche Erfolg so fern ist, kitzelt es leider auch keine Zusatzsympathien hervor, wenn die Hauptverantwortlichen seit Jahren im Mimimi-Modus festhängen und wahlweise die Schiedsrichter, die Tagespresse, die gegnerischen Fans oder gleich den deutschen Fußball im Allgemeinen für den eigenen Niedergang verantwortlich machen, Gerichtsverfahren und launige Anwaltsschreiben inklusive. Kann man machen. Aber bitte ohne mich.

Und sonst so? Einen Drittligisten hat Berlin derzeit nicht, eins tiefer in der Regionalliga Nordost tummeln sich dann neben den Amateurteams von Hertha und Union noch der Berliner AK, Viktoria 89 und der BFC Dynamo. Der BAK spielt meist so vor 300 bis 400 Zuschauern und leistet sich seit dem Vorsommer als Technischen Direktor den Sportskameraden Robert Hoyzer, bekannt aus Funk und (Plasma-)Fernsehen. So viel dazu. Der zweifache Deutsche Meister Viktoria (’ne Weile her) ist seit dem Abgang der Berliner Amateurfußball-Legende Michael „Fußi“ Fuß (66 Tore in 34 Spielen für Türkiyemspor) leider so interessant wie dessen linke Schuheinlage. Und Dynamo? Ja, da gab’s tatsächlich auch mal einen Selbstversuch meinerseits, bei einem Pokalhalbfinale gegen – natürlich – Türkiyemspor. Sportforum, Stehplatz, Gegengerade. War nicht so angenehm.

Blieben noch Tasmania und Tennis Borussia. Letztere haben jetzt immerhin wieder Fußi im Programm. Also die 66-Tore-Legende. Aber auch im guten und vor allem alten Mommsenstadion, wo seit 2011 erdiger Sechstliga-Fußball geboten wird, halten sich Attraktivität und Relevanz arg in Grenzen. Was bleibt, ist die Erinnerung an die großspurigen, aber auch nie so wirklich glorreichen Göttinger-Gruppe-Zeiten gegen Ende des letzten Jahrtausends, als der Verein in Zweiter Liga und DFB-Pokal zwischenzeitlich für etwas Ähnliches wie Furore sorgte.

Apropos: Wie geht's eigentlich Winnie Schäfer? Hoffentlich besser als dem Berliner Fußball.

Dieser Text erschien zunächst als Rant in unserer gedruckten Samstagsbeilage Mehr Berlin.

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