1. FC Union II gegen BFC Dynamo: Tumulte bei Viertligaspiel in Berlin
Der Hass kennt kein Verfallsdatum: Beim Viertligaspiel zwischen dem 1. FC Union II und dem BFC Dynamo wollten Heimfans am Sonntag den Fanblock der Gäste stürmen. Die Partie musste 18 Minuten lang unterbrochen werden.
Oben auf der Tribüne weinen Kinder und klammern sich an ihre Eltern. Unten laufen Polizisten über den Rasen und versuchen mit Pfefferspray, die 40 Vermummten zurückzudrängen, die sich aus dem Fanblock des 1. FC Union gerade aufgemacht hatten rüber zum Gästeblock, zum Mob des BFC Dynamo. Gegen 15.05 Uhr tritt ein, was viele erwartet hatten vor dem Spiel zwischen der zweiten Mannschaft des 1. FC Union und dem BFC Dynamo am Sonntagnachmittag: Ausschreitungen, Spielunterbrechung, Chaos.
Nach 18 Minuten kehren die Spieler beider Mannschaften zwar wieder zurück aufs Feld und bringen die restlichen zehn Minuten ohne weitere Vorkommnisse hinter sich, aber der Imageschaden für den Berliner Fußball ist zu diesem Zeitpunkt schon längst da. Trotz all der Vorkehrungen, die im Vorfeld getroffen wurden. Union hatte Karten nur an Mitglieder und Dauerkartenbesitzer vergeben. „Am Ende sind da aber immer auch noch Menschen, die eine eigene Idee haben“, sagte Unions Sprecher Christian Arbeit über die Randalierer im Union-Block.
Union gegen Dynamo: das brisanteste Spiel des Berliner Fußballs
Zum Spielbeginn kursieren Gerüchte, dass Fans sich durch den Erwerb von Eintrittskarten problemlos Zugang zu beiden Lagern verschafft hätten. 8196 Zuschauer sind ins Stadion An der Alten Försterei gekommen, um das brisanteste Spiel zu verfolgen, das der Berliner Fußball zu bieten hat. Eine historisch gewachsene Rivalität. Union fühlte sich früher gegenüber dem von der Staatsmacht protegierten Serienmeister BFC Dynamo benachteiligt. Der Hass ist geblieben.
Beide Fanblöcke sind brechend voll. Schwarz ist die dominierende Farbe. Kapuzenpullis und Parka die dominierenden Kleidungsstücke. Vor dem Stadion stehen Polizeifahrzeuge, Beamte überwachen die Anreise der Gästefans. Eine Atmosphäre, die auf großen Fußball schließen lässt und doch nur ein kleines Spiel umrandet. Denn anders als vor vielen Jahren, als sich Union und BFC Dynamo in der DDR-Oberliga gegenüberstanden, ist es nur die U 23 des 1. FC Union, die gegen den BFC antritt. Regionalliga-Nordost. Vierte Liga. Die Kräfteverhältnisse im Berliner Osten haben sich längst gedreht. Union spielt seit sechs Jahren ununterbrochen in der Zweiten Liga und träumt von der Bundesliga. Der BFC ist im vergangenen Sommer von der fünften in die vierte Liga aufgestiegen.
BFC Dynamo musste zeitweilig runter bis in die Verbandsliga
Beide Vereine haben sich nach der Wende in unterschiedliche Richtungen entwickelt. Der BFC, in den 80er Jahren Serienmeister in der DDR, versank im Chaos und musste nach der Jahrtausendwende ein Insolvenzverfahren über sich ergehen lassen. Zeitweilig ging es runter bis in die Verbandsliga. Immer wieder lähmten Wechsel und Wirren auf der Führungsebene den Verein. Im Hintergrund wirkten kriminelle Kräfte, auf den Rängen sorgten Hooligans für Schlagzeilen, so wie beim DFB-Pokal-Spiel gegen den 1. FC Kaiserslautern vor vier Jahren.
Im Stadion An der Alten Försterei fallen BFC-Fans während des Spiels nicht negativ auf. Mit ihren Gesängen und Plakaten provozieren sie die Gegenseite, aber alles bleibt im Rahmen. Hin und wieder ein Böller, das war’s. Ihr Stolz speist sich aus den Erfolgen der Vergangenheit. Zehn Mal Meister in der DDR. Die Gegenwart: meist trist. Am Sonntag wird aus grau hellblau, der 1:0-Sieg beim alten Rivalen Union versetzt den Anhang in Überschwang. Das Tor erzielt Martin Zurawski Anfang der zweiten Halbzeit.
Der BFC-Chef Peter Meyer träumt vom Profifußball. Er will die erste Männermannschaft in eine Kapitalgesellschaft ausgliedern. Der Klub soll dauerhaft im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark spielen und nicht mehr im alten, heruntergekommenen Sportforum in Hohenschönhausen. Ein modernes Stadion wie der 1. FC Union besitzt der BFC noch nicht.
Nach dem Spiel verlagert sich das Chaos aus dem Stadion nach draußen
In der Gegenwart haben sich beide Vereine weit voneinander entfernt, aber die gemeinsame Vergangenheit bestimmt am Sonntag länger die Szenerie, als es den Verantwortlichen lieb sein kann. Nach dem Schlusspfiff gehen die Tumulte vor dem Stadion weiter, im Umkreis der Geschäftsstelle sollen Autos beschädigt worden sein. Polizeisirenen heulen in der Ferne, Beamte riegeln die Straßen ab, manche Besucher können das Gelände lange nicht verlassen. Das Chaos, das im Stadion begann, hat sich nach draußen verlagert. Alles erscheint auf einmal wie eine Zeitreise in die 80er Jahre, als Ausschreitungen bei Fußballspielen in der DDR keine Besonderheit waren. Erst recht, wenn der 1. FC Union und der BFC Dynamo aufeinander trafen. Dabei hatten sie bei beiden Vereinen gehofft und geglaubt, die Gespenster der Vergangenheit längst gebändigt zu haben.