Lehrermangel: Berlin plant 20 Prozent Zuschlag für Lehrer im Pensionsalter
Die Senatoren Kollatz-Ahnen und Scheeres wollen Pensionäre in den Schulen halten. Doch viele Pädagogen kommen dafür nicht in Frage.
Der Lehrermangel ist groß, da muss Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) nochmals tief in die Kasse greifen: Mit 20-prozentigen Zuschlägen sollen Lehrkräfte dazu ermuntert werden, bis zu drei Jahre jenseits der Pensionsgrenze weiterzuarbeiten. Dies ist das Ergebnis eines „Chefgesprächs“ zwischen dem Finanzsenator und Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) am Donnerstag, wie beide Verwaltungen auf Anfrage mitteilten. Wer weiterarbeitet, kann zudem mit einer erhöhten Pension rechnen.
Scheeres hatte sich seit einigen Monaten um Anreize für angehende Pensionäre bemüht, weil es nicht genügend Nachwuchskräfte gibt, um die Lücken zu schließen, die durch die Pensionierungswelle bei gleichzeitigem Schülerzuwachs entstehen. Andere Bundesländer haben bereits früher vergleichbare Regelungen getroffen, um den Lehrermangel und den Anteil der Quereinsteiger zudämmen.
40 Prozent Quereinsteiger erwartet
„Senatorin Scheeres geht davon aus, dass so auch erfahrene Kräfte länger an der Schule gehalten werden können“, lautet die Erwartung. Die Neuregelung, für die eine Gesetzesänderung notwendig ist, soll zum neuen Schuljahr in Kraft treten, zumal die erfahrenen Lehrer auch eine wichtige Rolle bei der Einarbeitung der Quereinsteiger spielen sollen: Es zeichnet sich ab, dass bei der nächsten Einstellungsrunde abermals rund 40 Prozent der neuen Kräfte Quereinsteiger sein werden, von denen viele noch nie vor einer Klasse standen. So zumindest war es bei den aktuellen Einstellungen zum zweiten Schulhalbjahr.
Allerdings kommt nur ein Teil der Pensionäre für das verlockende Angebot infrage: Zwei Drittel der Lehrer verlassen die Schule bereits vorfristig – oftmals wegen Krankheit. Die Finanzverwaltung teilte auf Anfrage mit, dass im Jahr 2015 – aktuellere Zahlen liegen nicht vor – insgesamt knapp 1240 Lehrkräfte in den Ruhestand gingen, davon ein Fünftel wegen „dauernder Dienstunfähigkeit“ und sieben Prozent wegen Erreichens der Antragsaltersgrenze für Schwerbehinderte zum 60. Lebensjahr. Ein gutes Drittel beantragte, bereits mit 63. Lebensjahr in den Ruhestand gehen zu können.
Pensionäre wechseln mitunter auf freie Schulen
Somit arbeiteten nur 453 von 1240 Lehrern (36,6 Prozent) bis zur regulären Pensionsgrenze. Unter ihnen allerdings sind etliche, die gern noch weiter unterrichten würden. Darauf deutet jedenfalls die Tatsache, dass etliche Pensionäre an freie Schulen wechseln: Das ist für sie finanziell attraktiver, weil es dann keine Zuverdienstgrenze gibt. Diese Zuverdienstgrenze hatte bisher dazu geführt, dass es sich für Pensionäre kaum lohnte, weiter vor der Klasse zu stehen. Zudem gibt es Fälle, in denen die Anträge auf das Hinausschieben der Pension von der Bildungsverwaltung zurückgewiesen wurde. Auch diese Lehrer wechselten dann mitunter zu freien Schulen.
„Bei uns arbeiten zurzeit fünf Pensionäre“, berichtet etwa der Geschäftsführer der Privaten Kantschule, Andreas Wegener. Einer von ihnen ist Benno Linne, der vor zehn Jahren das Beschwerdemanagement in der Bildungsverwaltung mit aufgebaut hatte und 2014 dabei war, als die erste große Telefonaktion für potentielle Quereinsteiger in der Verwaltung organisiert werden musste.
Als Oberschulrat zurück in der Klasse
Vor zwei Jahren erreichte der ehemalige Oberschulrat das Pensionsalter, und heute unterrichtet er Mathematik an der Kantschule, was ihm „so viel Spaß macht“, wie Linne berichtet. Aktuell ist er in einer neunten Klasse im Einsatz, in einer zehnten und ín der gymnasialen Oberstufe, wo er den diesjährigen Abiturienten gerade Analytische Geometrie und Wahrscheinlichkeitsrechnung beibringt.
Was Scheeres und Kollatz-Ahnen gerade vorgelegt hätten, sei ein „unglaublich interessantes Angebot“, sagt Linne. Er kann sich vorstellen, dass nicht wenige Lehrer bereit sein werden, unter diesen Bedingungen an ihren Schulen zu bleiben.
Am 10. März ist wieder Berlintag
Parallel muss Scheeres aber weiter nach jüngerem Nachwuchs suchen: Gerade läuft die Kampagne für den nächsten Berlintag am 10. März im Flughafen Tempelhof. Motto: „Bring mir was bei“. Auch Erzieher sind willkommen.
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