Berliner Flughafenchef: BER-Aufsichtsrat vertagt Entscheidung über Mühlenfeld
Die Zukunft des Berliner Flughafenchefs ist weiterhin offen. Eine mehrstündige Krisensitzung des Kontrollgremiums endete in der Nacht zu Donnerstag ohne Ergebnis. Montag geht es weiter.
Beim unvollendeten Berliner Airport ist kein Ende der Turbulenzen in Sicht, obwohl mittlerweile selbst eine BER-Eröffnung 2018 auf der Kippe steht: Im Quadriga Forum am Werderschen Markt rang der Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft am Mittwochabend in einer Sondersitzung mehr als fünf Stunden um die Zukunft des BER-Geschäftsführers Karsten Mühlenfeld. Kurz nach Mitternacht kam dann die Mitteilung: Die Beratungen seien "nach ergebnisoffener Diskussion unterbrochen" worden und sollten am kommenden Montag, dem 6. März, fortgesetzt werden. Die schweren Auseinandersetzungen gehen also weiter.
Während der Sitzung des vom Berliner Regierenden Michael Müller (SPD) geführten Kontrollgremiums gab es Hinweise darauf, dass Mühlenfeld abgelöst wird. Als kommissarischer BER-Chef sollte, so hieß es, Berlins Flughafenkoordinator Engelbert Lütke Daldrup den Posten zunächst übernehmen. Auch eine Gesellschafterversammlung der Anteilseigner der Flughafengesellschaft – Berlin, Brandenburg und Bund – noch in der Nacht war angedacht. Das könnte auf einen weitergehenden Umbau der Unternehmensführung hindeuten. Während der Aufsichtsrat die Geschäftsführer bestellt, zählt zu den Aufgaben der Gesellschafterversammlung, ihre Zahl festzulegen. Dazu kam es dann jedoch nicht mehr.
Die Brandenburger Vertreter im Aufsichtsrat versuchten dem Vernehmen nach, den Wechsel zu verhindern. Doch die Mehrheiten aus den Aufsichtsräten Berlins, des Bundes und der Arbeitnehmer im zwanzigköpfigen Gremium stehen allem Anschein nach.
Mühlenfeld hatte in der vergangenen Woche seinen Technikchef Jörg Marks entlassen und durch den früheren Bahnmanager Christoph Bretschneider ersetzt. Das erzürnte vor allem die Gesellschafter Bund und Berlin, zumal Mühlenfeld in einem Tagesspiegel-Interview erklärt hatte, die Suche nach einem Marks-Nachfolger sei der Berliner Landesregierung längst bekannt gewesen - was die Senatskanzlei entschieden dementierte. Müller, aber auch der Bund und die Arbeitnehmer werfen Mühlenfeld eigenmächtiges Handeln vor, weil er den Wechsel gegen das Votum des Aufsichtsrates vornahm. Wird Mühlenfeld entlassen, hätte er nach der Laufzeit seines Vertrages Anspruch auf rund 1,5 Millionen Euro. Wird ihm der Vorwurf von Pflichtverletzungen gemacht, ist ein Prozess wahrscheinlich.
Zukunft von Co-Geschäftsführerin Fölster auch ungewiss
Eigentlich war für 21 Uhr eine Pressekonferenz angesetzt. Aber die Beratungen zogen sich. Zuerst tagte am späten Nachmittag der Präsidialausschuss des Aufsichtsrats eine Stunde. Danach besprachen die Anteilseigner separat die Gefechtslage, ehe der komplette Aufsichtsrat ab 19 Uhr zusammentrat. Mühlenfeld wurde erst gegen halb neun in die Krisensitzung gebeten, nachdem er ursprünglich für 20 Uhr in der Runde erwartet worden war. Auch die für Finanzen zuständige Co-Geschäftsführerin Heike Fölster stieß hinzu. Was aus ihr wird, ist unklar. Fölster hatten den Rausschmiss von Marks mitentschieden und auch gegenüber dem Präsidialausschuss vertreten.
Wie es hieß, soll Marks auf die Baustelle zurückgeholt werden, was nach Tagesspiegel-Informationen unter Mühlenfeld sowieso unvorstellbar gewesen wäre. Im Tagesspiegel-Interview hatte er den Schnitt damit begründet, dass ohne einen Neuanfang die BER-Eröffnung nicht beschleunigt, bis Frühjahr nicht ein vom Aufsichtsrat geforderter valider Eröffnungstermin nennen genannt werden könne. Schließlich seien in den letzten Monaten unter Marks alle Termine gerissen worden.
Das war eher untertrieben. Seit Herbst 2015 hatte der Flughafen alle entscheidenden Meilensteine im damals noch auf einen BER-Start bis Ende 2017 fixierten Terminplan aus dem Jahr 2014 verfehlt. In den Baugenehmigungsverfahren waren regelmäßig Anträge verspätet und unvollständig eingereicht worden. Brandenburg sieht die Rolle von Marks kritisch.
Das Land, dies war vorher klar, trägt eine Ablösung Mühlenfelds nicht mit, auch wegen der unkalkulierbaren Folgen für den BER. Dies dürfte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) auch Müller in einem Telefonat vermittelt haben, das es vor der Sitzung zwischen beiden Regierungschefs gab.
Zweidrittelmehrheit für Ablösung Mühlenfelds nötig
Der brandenburgische Flughafenkoordinator und Vize-Aufsichtsratschef Rainer Bretschneider mahnte die Beteiligten, einen kühlen Kopf zu bewahren. "Heute entscheiden wir über die Sache", betonte er vor Beginn des Krisentreffens. Die Berliner Aufsichtsräte Lütke Daldrup, Justizsenator Dirk Behrendt und Kultursenator Klaus Lederer schwiegen zu der Frage, ob Mühlenfeld noch das Vertrauen des Senats genieße.
Für eine Ablösung Mühlenfelds ist eine Zweidrittelmehrheit in dem 20-köpfigen Gremium notwendig. Diese ist durchaus möglich, da er sich nur auf die vier Vertreter aus Brandenburg sicher stützen kann. Berlin (vier), Bund (zwei) und Arbeitnehmerseite (zehn) bringen es zusammen auf 16 Stimmen, wobei Lütke Daldrup als möglicher Nachfolger dem Votum fernbleiben dürfte. Als möglicher Nachfolger wurde zuletzt vor allem der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Rainer Bomba (CDU), gehandelt. Er vertritt den Bund seit 2010 im Aufsichtsrat und ist gelernter Ingenieur und Diplom-Kaufmann. Auch Berlins Flughafenkoordinator Lütke Daldrup war bereits vor der Sitzung im Gespräch.
Fluggesellschaften plädieren für den BER-Chef
Rückendeckung für Mühlenfeld gab es am Mittwoch von der Vereinigung der Aufsichtsräte Deutschlands. „Was da abläuft, ist verkehrte Welt“, sagte Vorstandschef Peter Dehnen. Er warf dem vom Müller geführten Aufsichtsrat vor, in der Reaktion auf die Entlassung des Technikchefs selbst die Befugnisse zu überschreiten. „Ein Aufsichtsrat soll die Geschäftsführung überwachen, er darf sich nicht in das operative Geschäft einmischen“, sagte Dehnen. Wenn eine Geschäftsführung sich von einem Mitarbeiter trenne, sei das eine operative Entscheidung. „Es ist nicht nachvollziehbar, wenn einem Geschäftsführer gekündigt würde, weil er seinen Job macht, weil er das tut, was das Projekt erfordert.“ Das Kernübel sei die Konstruktion der Flughafengesellschaft.
Die Fluggesellschaften warnten ebenfalls vor einem Rauswurf Mühlenfelds. "Auch wenn zwischenzeitlich klar ist, dass eine Inbetriebnahme des BER in 2017 nicht mehr erfolgen kann, so wäre es aus unserer Sicht sehr fraglich, ob ein erneuter Wechsel in der Geschäftsführung einer baldigen Fertigstellung und Inbetriebnahme des BER zuträglich wäre", heißt es in einem Brief des Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften (BDF), Ralf Teckentrup, an Aufsichtsratschef Müller. (mit dpa)
Unser BER-Experte Thorsten Metzner am Abend von der BER-Sitzung:
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