Sondersitzung des BER-Aufsichtsrats: „Es wird blutig“
Am Berliner Flughafen BER wird heute die Macht sortiert. Geschäftsführer Karsten Mühlenfeld muss um seinen Job bangen. Kommt gar Technikchef Jörg Marks zurück?
Bei der Sondersitzung des Flughafen-Aufsichtsrats am Mittwochabend im Quadrigaforum am Werderschen Markt könnte es einige Überraschungen geben – die größte wäre es aber, wenn Geschäftsführer Karsten Mühlenfeld weitermachen dürfte. Ein Mitglied des Gremiums kündigte gestern an: „Es wird blutig.“
Nach Lage der Dinge kann der Industriemanager Mühlenfeld, der von Rolls Royce kam und vor genau zwei Jahren als Nachfolger von Hartmut Mehdorn Chef der Flughafengesellschaft wurde, nur auf vier von 20 Stimmen zählen: die aus Brandenburg. Der Bund (drei Stimmen) hatte ihn schon damals nicht mitgewählt und will ihn jetzt loswerden, Berlin (vier Stimmen) ist ebenfalls geschlossen gegen Mühlenfeld, und auch unter den Arbeitnehmervertretern (zehn Stimmen) finden sich keine Unterstützer. Damit wäre die zur Kündigung Mühlenfelds notwendige Zweidrittelmehrheit sicher.
Keine "unterstützende Lösung" von Mühlenfeld
Allerdings wird die Personalie Mühlenfeld nur eine unter mehreren sein, weswegen zwischen den Gesellschaftern am Dienstag in Telefonkonferenzen verschiedene Varianten diskutiert und abgewogen wurden – es geht um ein „Personalpaket“. Besonders brisant: Im Gespräch ist die Rückkehr des gerade von Mühlenfeld freigestellten Technikchefs Jörg Marks. Von Berliner Seite aus gibt es Kontakt zu ihm, um diese Möglichkeit auszuloten. Die Senatskanzlei ist jedenfalls in Sorge, dass der BER zu viel Know-how verliert, zumal der erste Auftritt des Marks-Nachfolgers Christoph Bretschneider auf der Baustelle angeblich eher Verunsicherung ausgelöst hat.
Die Trümmerfrauen hätten den BER schon zu Ende gebaut und eröffnet. Muss man wirklich die Männer wieder in den Krieg schicken?
schreibt NutzerIn Havelzander
Die Umstände der Freistellung von Marks und des Engagements von Bretschneider sind der Anlass, aber nicht der einzige Grund für das Bemühen, sich von Mühlenfeld zu trennen. Vorgeworfen wird ihm unter anderem eine „unterirdische Kommunikation“. So habe er bei der Aufsichtsratssitzung am 7. Februar das Angebot, Marks einen Berater zur Seite zu stellen, nicht angenommen, obwohl er Ende des vergangenen Jahres hatte durchblicken lassen, nach einer „unterstützenden Lösung“ zu suchen. Von einer Ablösung des Technikchefs sei keine Rede gewesen. Am Ende habe der Aufsichtsrat Mühlenfeld, der Finanzgeschäftsführerin Heike Fölster und auch Marks das Vertrauen ausgesprochen.
Marks und Mühlenfeld ohne Vertrauen
Erst am Montag vergangener Woche informierte dann Mühlenfeld gegen 18.45 die drei Aufsichtsratsmitglieder Engelbert Lütke Daldrup (Berlin), Rainer Bomba (Bund) und Rainer Bretschneider (Brandenburg), dass er am kommenden Morgen gegen 9 Uhr öffentlich die Freistellung von Marks und das Engagement eines „Interimsmanagers“ bekannt geben wolle. Er begründete dies damit, dass die Verzögerungen einen Neuanfang nötig machten. Erst am späten Abend informierte Mühlenfeld dann auch den Aufsichtsratsvorsitzenden Michael Müller; er habe kein Vertrauen mehr in Marks, sagte er zur Begründung. Spätestens von da an hatte Müller auch kein Vertrauen mehr in den Geschäftsführer.
Mühlenfeld verzichtete zunächst auf seine Pressemitteilung, traf sich am Dienstag zu einem Gespräch mit Müller im Roten Rathaus und informierte am Mittwoch gemeinsam mit Fölster den Präsidialausschuss erstmals über die Personalie Christoph Bretschneider, ohne dessen konkrete Aufgaben zu benennen. Über Bedenken aller Seiten setzte Mühlenfeld sich hinweg, am Donnerstag verkündete er die Freistellung von Marks.
450.000 Euro im Jahr
Vor allem der Bund fühlte sich brüskiert und beantragte eine Sondersitzung mit der klaren Absicht, Konsequenzen zu ziehen. Auch andere sprechen von einem Affront des Geschäftsführers, den dieser mit seiner Darstellung der Abläufe in einem Interview mit dem Tagesspiegel noch eskaliert habe.
Eine wichtige Frage bei der heutigen Sondersitzung wird sein, ob Mühlenfelds Handeln gedeckt ist von seinen Geschäftsführerkompetenzen. Für die Freistellung von Marks brauchte er die Zustimmung nicht, für die Vereinbarung mit Bretschneider möglicherweise schon, was an der Höhe der Vergütung liegt: Bei einem Tagessatz von 1700 Euro könnte der Berater auf 450.000 Euro pro Jahr kommen. Allerdings gilt der Vertrag, den Mühlenfeld in der Rechtsabteilung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände hatte prüfen lassen, immer nur für einen Monat und kann dann verlängert werden.
Muss auch Fölster gehen?
Für den Aufsichtsrat ist bisher nicht ersichtlich, welche Rolle Bretschneider genau einnehmen soll. Auch ist das Gremium zunehmend genervt von den Verstimmungen innerhalb der Geschäftführung, die nur mühsam einen erzwungenen Burgfrieden hält. Einig seien sich Mühlenfeld und Fölster nur in der Ablehnung von Marks gewesen.
Das wiederum wirft die Frage auf, ob nicht auch die Zeit von Fölster vorbei ist. Während Mühlenfeld vorgeworfen wird, die unterschiedlichen Anforderungen in einem öffentlichen und einem privaten Unternehmen bis heute nicht zu verstehen sowie massiv und mit Direktiven in die Baustelle und deren Terminplanung eingegriffen zu haben, heißt es über Fölster, sie habe personelle und finanzielle Anforderungen von Marks verschleppt und zum Teil sogar ignoriert. Die umstrittene Entscheidung zur Freistellung des Technikchefs verantwortet sie mit. Ihr Vertrag endet allerdings ohnehin in diesem Jahr, während der von Mühlenfeld noch drei Jahre läuft. Müsste er wegen einer Freistellung voll ausgezahlt werden, wären 1,5 Millionen Euro fällig, bei einer gütlichen Einigung eine Million. Die Gesellschafter prüfen deshalb genau, ob Mühlenfeld kündigungsrelevantes Verhalten zum Schaden des Unternehmens nachgewiesen werden kann.
Führungsebene müsse besser zusammenarbeiten
Gearbeitet wird also an einem „Gesamtkunstwerk“ für die Führungsebene, die nach Auffassung der Gesellschafter besser zusammenarbeiten müsse. Darin könnte auch Marks bei einem Abgang von Mühlenfeld wieder eine bedeutende Rolle spielen. Die Geschäftsführung, und sei es auch nur die eines Teilbereichs, wird ihm aber nicht wirklich zugetraut. Marks gilt als wenig durchsetzungsstark gegenüber den wichtigen Firmen, weshalb er bei einer Rückkehr „in Manndeckung“ genommen werden müsse, wie es heißt. Seine wichtigste Aufgabe wäre es, in dieser turbulenten Zeit die Bau-Teams zusammenzuhalten und den Kontakt der Geschäftsleitung zu den unteren Ebenen nicht abreißen zu lassen. Es soll unbedingt vermieden werden, wieder bei Null anfangen zu müssen.
Es geht um die beste Entscheidung für die Fertigstellung des BER
Interessant ist auch der Blick auf eine weitere anstehende Personalie: Die Arbeitnehmer haben, seit die Zahl von 2000 Beschäftigten überschritten wurde, das Anrecht auf einen eigenständigen Arbeitsdirektor. Dieser könnte ebenfalls zum Geschäftsführer berufen werden. Als Wunschkandidat der Arbeitnehmer wird hier Manfred von Bobke-Camen genannt, ein gewerkschaftsnaher Jurist, der bereits einmal Personalchef der Flughafengesellschaft war. Er könnte zu einem „Gesamtpaket“ gehören.
Bleiben der oder die beiden weiteren Geschäftsführungsposten. Eine Besetzung von außen sei „keine Vorzugslösung“. So bleiben also die bisherigen Aufsichtsratsmitglieder Bomba und Lütke Daldrup im Gespräch. Auf Parteimitgliedschaften und die öffentliche Reaktion wegen hoher Abfindungen oder die Besetzung gut dotierter Posten mit Politikern könne keine Rücksicht genommen werden, heißt es im Aufsichtsrat, es gehe einzig und allein darum, die in der jetzigen Situation beste Entscheidung für die Fertigstellung des BER zu treffen.