Denunziation von Lehrern in Berlin: AfD-Portal "Neutrale Schule" ist online
Das Portal der AfD gegen kritische Lehrer ist gestartet. Auch aus den eigenen Reihen gibt es daran Kritik. Studierende und Lehrer zeigen sich selbst an.
In Berlin hat alles geklappt: Am Montagmittag ging das Portal "Neutrale Schule" der AfD online. Die Beschwerdeplattform, auf der Schüler und Eltern an die Berliner AfD-Fraktion über Fälle von „ideologisch einseitiger“ Beeinflussung durch Lehrer berichten sollen, ist ohne technische Probleme gestartet. In Brandenburg hatte sich der Start verzögert, das entsprechende Portal soll am Dienstag freigeschaltet werden.
Einen Tag nach Bekanntwerden der Selbstanzeigen von Lehrkräften gegenüber der AfD haben sich Lehramtsstudierende mit der Aktion der Pädagogen solidarisiert. Sie haben „gestanden“, dass sie die gleichen „Verstöße“ planen, sobald sie Lehrer sind. Eine Lehramtsstudentin der Freien Universität kündigte an, sich mithilfe von Fachschaften und FU-Gruppen um eine Verteilung eines offenen Briefes zu kümmern, der sich an die Selbstanzeigen der Lehrer anlehnt.
Die Aktion wird von der Initiative „Bildet Berlin!“ unterstützt, die auch die gesammelten Unterschriften an die AfD übergeben will.
„Schnüffelei“, die an „Stasi-Methoden“ erinnere
Verbände, Fraktionen und Gewerkschaften nahmen den bevorstehenden Start zum Anlass, um auf die mögliche Wirkung einer derartigen „Schnüffelei“ hinzuweisen, die an „Stasi-Methoden“ erinnere. „Die AfD will damit offensichtlich Schüler instrumentalisieren und zum Denunzieren aufrufen, so wie es in Diktaturen üblich ist“, warnten Bildungspolitiker von Rot-Rot-Grün. Der Humanistische Verband warnte vor einer „Rasterfahndung im Klassenzimmer“.
Aber auch in der AfD sind nicht alle Funktionäre von der Richtigkeit des Schrittes überzeugt: Der Landesvorsitzende der Jungen Alternative Brandenburg und zuletzt Oberbürgermeisterkandidat der AfD in Potsdam, Dennis Hohloch, betonte zwar, es gebe im Schulbetrieb „viel Beeinflussung durch linke Lehrer“, die ihre entsprechenden Statements „nicht immer als Meinungsäußerungen kenntlich machen“. Es könne nicht sein, dass sich die einen Lehrer alles erlauben dürften, die anderen aber „stark bedrängt werden“. Dennoch sei die geplante Plattform „nicht zielführend“, sagte er dem Tagesspiegel und empfahl stattdessen, „den Dienstweg einzuhalten“.
„Schon genug falsche Anschuldigungen gegen Lehrer“
Es gebe „schon genug falsche Anschuldigungen gegen Lehrer, und was einmal im Netz steht, bleibt immer da“, begründet der Pädagoge, der an einer Grundschule in Spandau unterrichtet, seine Ablehnung. Im Übrigen zeigten Erfahrungen mit Bewertungsportalen, dass solche anonymen Äußerungen, die rasch formuliert würden, der Überprüfung oft nicht standhielten.
Einen ersten Vorgeschmack, wohin Beschwerden von Eltern an die AfD führen können, gibt es bereits – aus dem Mai 2017. Damals hatte die Fraktion von einer „besorgten Mutter“ erfahren, dass ihre Partei bei der U18-Wahl in der Paul- Schmidt-Schule in Hohenschönhausen ignoriert worden sei. Anstatt sich über die Hintergründe zu informieren, ließ sich der bildungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Franz Kerker, vor der Schule filmen, während er die Schule anprangerte und in die Kamera fragte, warum es „keinen fairen Umgang“ gebe. Kurz vor der Bundestagswahl wurde das Video auf Youtube veröffentlicht.
Noch Ende September 2018 begründete Kerker die geplante Einrichtung der AfD-Plattform unter anderem mit dem besagten „Ausklammern“ der AfD an der Paul-Schmidt-Schule. Selbst als der Tagesspiegel Kerker nachweisen konnte, dass es die Bundes-AfD war, die die Verantwortung für die Nichtberücksichtigung bei der U18-Wahl trug, hielt seine Fraktion es bisher nicht für nötig, den auf der falschen Behauptung beruhenden Videopodcast zu löschen.
GEW: Lehrkräfte können auf Einhaltung des Datenschutzes bestehen
„Werden Pädagogen im Internet an den Pranger gestellt oder beleidigt, können sie zivilrechtlich dagegen vorgehen“, betonte jetzt die Lehrergewerkschaft GEW. Lehrkräfte hätten die Möglichkeit, auf die Einhaltung des Datenschutzes nach EU-Recht zu bestehen und bei der AfD-Fraktion eine Auskunft über gespeicherte personenbezogene Daten zu verlangen.
Datenschutzprobleme könnten es auch sein, die den Start der Plattform am Freitag in Brandenburg verhinderten: AfD-Bildungspolitiker Steffen Königer sprach nebulös von „technischen Problemen juristischer Art“. Der Start wurde auf diese Woche verschoben.